Alle Jahre wieder fängt es an, die ersten Schulbuchaufträge trudeln im Frühjahr ein. Das bedeutet für den Buchhändler:
- Schullisten überprüfen – kann ja mal sein, dass der Fehlerteufel sich eingeschlichen hat und dann plötzlich eine Schulbuchausgabe aus NRW in einer hessischen Schule sich wiederfindet.
- Die Schulbücher bestellen – Das geht natürlich nicht in einem Schwung, weil Schule A am 1. Mai abgibt und Schule X am letzten Schultag vor den Ferien; d.h. für den Buchhändler mehrfach PORTOKOSTEN bzw. Mautgebühren.
- Nach einigen Werktagen trudeln dann die ersten Schulbücher ein; schön ist eine Paletten-Anlieferung –aber da kann es schonmal passieren, das die Paletten zeitverzögert gepackt werden: unverständlich für die Schulen, weil wenn da die Pädagogen einen Klassensatz Arbeitshefte beim Verlag bestellen, ist der 3 Tage später da. (Kleinmenge; Direktbelieferung; kein Buchhändlerrabatt; vielleicht mal ein Prüfstück, aber dafür die Kundenadresse für weitere reizvolle Angebote). Gab es keine Palettenlieferung sondern z.B. 10 einzelne Packstücke, kann es auch mal 6 Werktage dauern bis die Lieferung komplett ist, da jeden Tag die Pakete einzeln kommen.
- Die Ware ist in der Buchhandlung eingetroffen und wird nun überprüft – wenn es gut läuft ohne Beanstandungen wie beschädigte Ware, die reklamiert werden muss, fehlerhafte Lieferung etc.; der Fall ohne Beanstandungen ist sagen wir mal bei 60% der Lieferung der Fall.
- Die Bücher werden nun den einzelnen Schulen zugeordnet.
- In Autos oder kleine Lieferwagen gepackt und tonnenweise kostenlos an die Schule geliefert.
- Die E-Rechnung wird für den Kunden erstellt (Neuerung seit 2024, leider kann nicht jedes Warenwirtschaftssystem diese Rechnungsstellung, d.h. der Buchhändler investiert einen Betrag x, damit er überhaupt eine Rechnung erstellen kann; einmalig, aber recht kurzfristig, da das Schreiben vom Kultusministerium erst im März 2024 kam und ab 18.4.2024 nur noch E-Rechnungen bearbeitet werden).
Und nun wartet der Buchhändler auf das Geld und macht mal eine kaufmännische Rechnung für sich auf:
- 200.000 Euro Schulbuchumsatz abzüglich Rabatt 20% (mittlerer Wert, Tendenz sinkend) 40.000 Euro – hört sich klasse an, wenn es so wäre: Der Buchhändler gibt auf die Schulbuchbestellung 12% Rabatt, d.h. er hat 8% für sich – in diesem Fall 16.000 Euro – schön wäre es. Aber der Buchhändler trägt die Portokosten – das sind bei 200.000 Euro schnell 2.000 Euro – 14.000 Euro stehen im Raum. Kommt noch die Miete für einen Transporter (sagen wir für 14 Tage pro Tag 100 Euro), so sind wir bei einem Erlös von 12.600 Euro.
- Hört sich gut an, wir haben aber noch nicht eventuelle Reklamationen, Falsch- und Fehlbestellungen verbunden mit hohen Transportgebühren und Rückgabegebührens seitens der Verlage etc berücksichtigt. Da sind wir bei einem Gewinn von 10.000 Euro.
- Von diesen 10.000 Euro werden dann noch Investitionen getätigt wie Anschaffung eines Rechnungsprogramms – damit wir die richtigen formgerechten Rechnungen ausstellen können, unser Unternehmergehalt bestritten, von Mitarbeitern fürs Schulbuchgeschäft wollen wir nicht reden und wenn wir genau nachrechnen, ob da Mindestlohn rauskommt, darf bezweifelt werden. Ach ja, wir müssen ja Mindestlohn zahlen um Aufträge der öffentlichen Hand ausführen zu dürfen. Das Schulbuchgeschäft geht von Mai-November.
Fazit: Wer möchte dieses Schulbuchgeschäft machen bzw. wie ist hier wirtschaftliches Handeln möglich. Wer will das Schulbuchgeschäft machen: Die Verlage? Amazon, Thalia – ich glaube, die Margen sind diesen Playern zu niedrig und der Arbeitsaufwand zu hoch. Auch uns Buchhändlern geht bei diesem Kostendruck langsam die Puste aus.
Ich glaube, ich spreche im Namen vieler Buchhandlungen, die Schulbuchgeschäft mit sehr viel Energie betreiben.
Sonja Lehmann ist Inhaberin der Buchhandlung Der Bücherwurm in Borken (Hessen).
BuchhändlerInnen lassen sich immer erpressen mit Argumenten wie "Kontakt zu schulen halten" etc. Die Leute, die sich die Rabatt-Regelungen ausdenken, gehen für so ein Geld noch nicht mal ans Telefon!
Also nur noch die 10000 Euro abzüglich der Kosten von 6000
bleiben noch 4000 vor Steuern.
Da bin ich raus.