Offener Brief der Übersetzer*innen

Wegen KI: "Zukunft des Berufs ist in Gefahr"

27. Februar 2024
Redaktion Börsenblatt

Werden Literaturübersetzende bald zu "Zuarbeiter*innen von Maschinen" degradiert? Die Verbände VdÜ, A*dS und IGÜ schlagen Alarm. In einem offenen Brief fordern sie verbindliche Regeln und mehr Förderungen für den Kulturbetrieb.

Roboter hält Hologramm-Tablet in der Hand und liest

„In vielen Übersetzungsbereichen hat KI bereits Einzug gehalten und Übersetzende werden zunehmend als bloße Bearbeiter:innen (Post-Editor:innen) angefragt, die neben der gewohnten Fachkompetenz nun allerdings auch noch eine geschärfte Aufmerksamkeit für die spezielle Fehlerhaftigkeit von Maschinenoutput aufbringen müssen. „Produktionssteigerung“ rückt in den Mittelpunkt auf Kosten von Qualität, Kreativität und angemessenen Arbeitsbedingungen. Diese Entwicklung erzeugt auch bei Literaturübersetzenden Verunsicherung, Misstrauen und Resignation. Sollte sie im Bereich der Literatur Verbreitung finden, sehen wir den kulturellen Auftrag des Literaturübersetzens und die Zukunft des Berufs gefährdet. Wenn nicht mehr der Mensch, sondern die Technik im Mittelpunkt steht, werden wir zu Zuarbeiter:innen von Maschinen degradiert. Die Kosten für Sprachverfall und soziale Verwerfungen tragen wir und die Gesellschaft, während KI-Konzerne die Gewinne einfahren. Damit könnte nicht nur der Beruf des Literaturübersetzens unattraktiver werden. Wir würden eine Kulturtechnik aufgeben, die darauf beruht, dass Menschen aus allen Nuancen der Sprache schöpfen und sich über Texte begegnen und erfahren“, heißt es im Offenen Brief.

Darin fordern die Verbände A*dS – Autorinnen und Autoren der Schweiz , IGÜ – Interessengemeinschaft von Übersetzerinnen und Übersetzern literarischer und wissenschaftlicher Werke (Österreich) und

VdÜ – Verband deutschsprachiger Übersetzer/innen literarischer und wissenschaftlicher Werke (Deutschland) im Wortlaut:

  1. die Regulierung von generativer KI:
  • Keine Sprachautomation ohne Offenlegung ihrer Funktionsweise und Trainingsdaten.
  • KI-Anbieter müssen klar angeben, welche urheberrechtlich geschützten Werke sie beim Training verwendet haben.
  1. den Schutz von Urheberrechten:
  • Kein KI-Training mit unseren Werken gegen unseren Willen.
  • Kein KI-Training mit unserer Arbeit ohne angemessene Bezahlung. 
  1. Transparenz und Mitbestimmung:
  • KI-generierte Buchinhalte nur in Absprache zwischen Verlag, Autor:innen und Übersetzer:innen.
  • Kennzeichnungspflicht von reinen KI-Inhalten.
  1. gezielte Förderung von Kulturarbeit:
  • Literaturförderung nur für Menschen und ihre Werke.
  • Technikförderung darf nicht auf das Ersetzen von menschlicher Kreativität abzielen, sondern auf ihre Unterstützung.
  • Die Kulturtechnik des literarischen Übersetzens muss bewahrt und gestärkt werden, damit Weltliteratur nachhaltig geschaffen werden kann.
  1. Rahmenbedingungen für eine mündige Leser:innenschaft:
  • Kennzeichnung durch Namen auf dem Buchcover: Menschliche Übersetzer:innen müssen auf den ersten Blick erkennbar sein.
  • Die Politik und die Zivilgesellschaft sind in der Pflicht, kritische Technik- und Sprachkompetenz zu fördern.
  1. einen schonenden Umgang mit Ressourcen:
  • Der ökologische Fußabdruck von KI-Software darf nicht ignoriert werden.
  1. gerechte Arbeitsbedingungen in der digitalen Welt:
  • Alle Menschen, die an und mit KI arbeiten, brauchen dafür ethisch vertretbare Bedingungen und eine angemessene Vergütung.

Ein "Manifest für menschliche Sprache" schließt den Offenen Brief ab. Dem Offenen Brief hängt eine Petition an.