Anstrengungen zu mehrsprachigen Büchern
„Wenn wir nicht die Kinder heute als Leser gewinnen, haben wir in zehn Jahren ein großes Problem“, sagt Carlsen-Programmleiter Frank Kühne und fügt an: „Wir müssen sehen, dass die Hälfte der Kinder aus nicht-buchaffinen Haushalten kommt.“ Dabei sei Mehrsprachigkeit in Büchern ein immer drängenderes Problem: „Es gibt viele Verlage, die daran arbeiten, aber man müsste diese Anstrengungen zusammenzuführen.“ In der Tat gibt es nicht nur in Kindertagesstätten und Schulen Handlungsbedarf und Wünsche nach entsprechenden Materialien, sondern auch große Unternehmen wie die Bahn, die sehr viele zweisprachige Mitarbeiter mit Familien haben und hier gerne Unterstützung geben möchten. Frank Kühne zeigte heute auf der Jahreshauptversammlung der Arbeitsgemeinschaft von Jugendbuchverlagen avj in Berlin einige Initiativen wie die bilingualen Kinderbücher der Lübecker Bücherpiraten, die zweisprachige Ausgaben erarbeitet haben: „Es gibt inzwischen Bilderbücher in 89 Sprachen, die Downloads kommen vor allem aus Kindergärten.“ : In Hamburg werden derzeit 20 Kitas als Sprachkitas ausgestattet mit dem Ziel, nicht nur eine Sprache, sondern Mehrsprachigkeit zu vermitteln.
Kühne bewegt die Idee, die bisherigen Anstrengungen der Verlage (oft erst in Ansätzen) ebenso zu bündeln wie neue. Petra Albers (Beltz & Gelberg) präzisierte, es gebe unterschiedliche Herangehensweisen: „Die einen haben die Vermittlung von Deutsch als Auftrag, die anderen die von Fremdsprachen.“ Es kommt zudem immer darauf an, in welchem Umfeld sich eine Kita befinde. Angelika Schaack (Hörcompany) und Andrea Beck (Der Hörverlag) versicherten sofort die Unterstützung auch der Hörbuchverlage: „Da sind wir mit unseren prädestinierten Möglichkeiten gern mit im Boot.“ Innerhalb der Verlage müssten aber auch die Frage bedacht werden: Wie kriege ich die Mehrsprachigkeit als Wirtschaftsunternehmen gestemmt? Gibt es vielleicht Fördermittel für die Übersetzungen? „Wir müssen das Anliegen langfristig vermitteln, das braucht auch Lobbyarbeit“, so Beck. Und nur wenige Eltern gehen in Buchhandlungen, um ein zweisprachiges Buch zu kaufen, gaben die Jugendbuchverleger zu bedenken.
Susanne Stark (dtv) riet, die Dachverbände einzubeziehen, Petra Albers empfahl, die Erzieherinnen selbst zu fragen: „Was brauchen sie?“ Iris Praël (Ravensburger) unterstützte Kühnes Idee und forderte: „Wir sollten uns zu diesem Thema schnellstmöglich treffen und vernetzen.“ Daraufhin machte die avj-Vorsitzende Renate Reichstein umgehend den Vorschlag, dass die avj alle an diesem Thema interessierten Jugendbuchverlage in der zweiten Septemberhälfte nach Frankfurt ins Haus des Buches einladen wird.
Informationsaufnahme bei digitalen Vorschauen
Diskutiert wurde am Vormittag auch über die digitalen Vorschauen. Die meisten Jugendbuchverlage produzieren sowohl Print- als elektronische Vorschauen, beim Handling sei es oft auch eine Frage, wie die Vertreter damit umgehen. Programmabteilungen sorgten sich bezüglich einer Fokussierung auf die Verschlagwortung, dass es beim schnellen Switchen Verlagerungen hinsichtlich der Aufnahme gibt: „Da gibt es eine gewisse Skepsis“, meinte Susanne Stark. Frank Kühne schätzte, dass es Jahre dauern wird, bis sich die Branche daran gewöhnt hat. Letztlich müsse man mit dem Thema wirtschaftlich umgehen – Carlsen etwa habe ganz viele digitale Zusätze angeboten „mit Videos und und und, aber das wurde kaum genutzt, dafür hat der Handel gar nicht die Zeit“. Wichtig hingegen sei es , die Daten ständig zu aktualisieren: „Wann ist die Leseprobe da, wann wird ausgeliefert etc.“
Allerdings sei es häufig „extrem schwierig, dass die Aktualisierung bei den Adressaten ankommt – versuchen Sie mal ein digital existentes Vorabcover zu ersetzen, das wieder einzufangen, das ist grausam“, so die Erfahrung von Magellan-Verleger Ralf Rebscher. Nicht nur Renate Grubert (cbj/cbt) und Birgitta Barlet (Kosmos) konstatierten, dass sich Händler wie Journalisten mit digitalen Vorschauen noch schwer täten; je mehr Verlage zu beackern seien, umso leichter zu handeln und umso mehr Informationen könne man in kürzerer Zeit aus den gedruckten Vorschauen ziehen. „Man wird mit Sicherheit nicht die gedruckten Vorschauen in den nächsten Jahren abschaffen“, war sich Sebastian Zembol (Mixtvision) sicher; Petra Albers erinnerte aber auch daran, dass man für unterschiedliche Zielgruppen unterschiedliche Vorschauen bereitstelle: „Das kostet ja auch Geld.“
Arbeiten ohne Marktdaten
Drittes Diskussionsthema am Vormittag war die Situation der Marktforschung. Eine Reihe der Jugendbuchverlage hat beschlossen, solange die Daten nicht valide sind, weder bei Gfk Entertainment noch bei Media Control mitzumachen. Hochrechnungen seien aktuell viel zu spekulativ und wenig seriös. Die Zukunftsaussichten wurden von den Verlegern eher pessimistisch eingeschätzt. „Man wird vermutlich dauerhaft auf valide Marktdaten verzichten müssen“, meinte Ralf Rebscher. Allerdings scheint es so, als seien die Verleger nicht extrem unglücklich – wenn niemand aussagekräftige Daten hat, gibt es auch keine Wettbewerbsnachteile. Nur beginnt sich das Alltagsgeschäft auch ein wenig zu verändern.
Das 100. Mitglied in Sichtweite
Als „äußerst erfreulich“ schilderte die avj-Vorsitzende Renate Reichstein den Stand der Mitgliederentwicklung: Mit dem Südpol Verlag, dem DuMont Kalenderverlag und Baobab Books hat die avj nun 98 Mitglieder, der Antrag auf die 99. Mitgliedschaft liegt bereits vor – „jetzt fiebern wir richtig dem 100. Mitglied entgegen“, meinte Reichstein. Auf Anregung der Mitglieder hatte Vorstand und Geschäftsstelle 2015 erstmals einen Gemeinschaftsstand auf der Nürnberger Spielwarenmesse organisiert, der 2016 quadratmetermäßig erweitert wurde: Der Erfolg sei gut, so dass es den Stand auch 2017 geben werde. Davon beflügelt soll 2017 auch auf der Leipziger Buchmesse ein Gemeinschaftsstand der Jugendbuchverlage angeboten werden.
Eine bewegende Verabschiedung gab es auch: Renate Grubert, die seit 2003 avj-Beirätin ist und die AG Kommunikation der avj-Pressesprecher leitet, hat in dieser Zeit (es ist übrigens die einzige AG, die so lange besteht und so aktiv arbeitet) vieles bewegt: „Diese AG ist der lebendige Beweis, dass Zusammenarbeit kein Geheimnisverrat bedeutet“, meinte Reichstein und überreichte und kräftigem Applaus der Verleger einen Blumenstrauß. Denn Grubert hört im August bei Random House auf und damit auch als avj-Beirätin. Ihre Nachfolge als ehrenamtliche Leitung der AG Kommunikation wird dann Tomas Rensing von Coppenrath übernehmen.