Frankfurter Buchmesse

Voyeurismus: Martina Hefter hatte Angst, ihre Figuren "vorzuführen"

19. Oktober 2024
von Kai-Uwe Vogt

Love Scamming, Krankheit, Älterwerden, der Blick der Anderen: Mit verblüffender Leichtigkeit packt Martina Hefter in ihrem Roman "Guten Morgen, wie geht es dir?" komplexe Themen an. Auf der Frankfurter Buchmesse hat die Buchpreisträgerin mit Börsenblatt-Redakteur Stefan Hauck ein Werkstatt-Gespräch geführt. Mit dabei: Klett-Cotta-Verleger Tom Kraushaar und Lektorin Katharina Körber.

Moderator Stefan Hauck, Preisträgerin Martina Hefter und Lektorin Katharina Körber (von links)

Nach dem Wiesbadener Literaturpreis und dem Großen Preis des Deutschen Literaturfonds ist es die dritte namhafte Auszeichnung für Martina Hefter und ihren Roman. „Wie ist das in kurzer Zeit so viele Preise zu bekommen?“, wollte Börsenblatt-Redakteur Stefan Hauck am Freitag auf der Frankfurter Buchmesse wissen. Die Leseinsel der unabhängigen Verlage in Halle 3.1. ist voll besetzt, eine Menschentraube hat sich gebildet, rund 100 Menschen wollen die Buchpreisträgerin erleben. Hefter gesteht: „Es ist toll, aber es ist auch eine große Verantwortung, die mir schon sehr präsent ist, die mich befeuert und mir viel Energie gibt.“ Die braucht sie auch für ihre zahlreichen Projekte, Lesungen, Gespräche, ihre eigene Lesebühne, anstehende Proben im Schauspielhaus.

Tom Kraushaar, Verlegerischer Geschäftsführer von Klett-Cotta

Sehr viel Aufmerksamkeit

Auch für Klett-Cotta-Verleger Tom Kraushaar prägt der Sieg seiner Autorin die Frankfurter Buchmesse: „Für uns als Verlag ist es schon fast zu viel Aufmerksamkeit.“ Business as usual sieht anders aus. Kraushaar betont die Teamleistung die gute Arbeit des Lektorats: „Wir hatten drei Titel auf der Longlist, zwei auf der Shortlist – und das als kleiner Verlag. Da wurde offensichtlich vieles richtig gemacht.“ Zufrieden wäre er auch ohne die Unwägbarkeiten eines so wichtigen Literaturpreises gewesen. „Schon die Zahl der Vormerker war hoch“, verweist er auf das hohe Publikumsinteresse am Buch, mittlerweile ist „Guten Morgen, wie geht es dir?“ in der 8. Auflage erschienen. Der Deutsche Buchpreis befeuert die Nachfrage und sorgt für jede Menge Aufmerksamkeit. „Man muss schon Mittags Champagner trinken, denn man kann sich die Delle nicht leisten“, scherzt Kraushaar.

Love Scamming - nur Beiwerk oder Hauptthema des Romans?

Lektorin Katharina Körber betonte, dass für sie das Thema Love-Scamming gar nicht im Zentrum des Romans steht – es sei eher die Presse, die sich gerne auf diesen Aspekt stürze. „Ich war von Anfang an begeistert vom Text, für mich ist die Beziehung von Juno und Jupiter das Herzstück.“ Die Arbeit am Roman hat die Lektorin und die Autorin offenbar besonders eng zusammengeschweißt – davon zeugen Tattoos in Form einer Wildbiene, die die beiden sich gemeinsam haben stechen lassen.

Martina Hefter betont: „Da ist eine große, gemeinsame Basis. Ich habe einfach gemerkt, dass wir uns verstehen. Oft weiß man als Autorin nicht: Ist diese  Thematik wichtig? Der Austausch ist sehr hilfreich.“

Martina Hefters Werke sind bei kookbooks und Klett-Cotta erschienen

"Nur zu Klett-Cotta"

Und ihr sei von Anfang an klar gewesen: „Ich möchte mit meinem Buch nur zu Klett Cotta gehen.“ Dazu konnte das Publikum erfahren, dass Verleger und Autorin sich schon lange kennen. Denn Tom Kraushaar hat früher die bekannte Literaturzeitschrift „edit“ herausgegeben, dort erschien früher eine Kurzgeschichte der späteren Buchpreisträgerin Martina Hefter. „Wir kennen uns seit 25 Jahren, haben uns nie aus den Augen verloren. Wir haben eine lange Beziehung“, fasste Kraushaar zusammen.

Martina Hefter berichtet am Ende des Gesprächs, das sie selbst schon Erfahrung mit Love Scammern im Internet gesammelt hat. „Ich wollte erst einen Essay daraus machen“, so Hefter, die dabei auch die Thematik der postkolonialen Strukturen stark beschäftigt hat  - mitunter treibt die Not Männer aus Nigeria oder anderen Ländern zum Betrug - genauso wie psychologische Fragen: „Gibt es da eine gegenseitige Bedürftigkeit?“ Für Verleger Tom Kraushaar ist klar, dass es im Roman vor allem um die Aspekte Verstellung und Täuschung geht – nicht um die kriminalistischen Aspekte des Themas Love Scamming. „Es ist ein zutiefst literarisches Thema.“

Das ganze Gespräch gibt’s hier zu sehen: