Daher möchte ich an dieser Stelle nachdrücklich Werbung für die Ergebnisse der von Carsten Schwab initiierten Taskforce IT-Standards des Börsenvereins machen: In verschiedenen Arbeitsgruppen haben Expert:innen von Verlagen und Branchendienstleistern ehrenamtlich (!) Standardprozesse für alle Verlagsbereiche definiert – vom Lektorat bis zum Vertrieb. Damit muss künftig nicht mehr für jeden einzelnen Verlag aufs Neue geklärt werden, wie die Prozesse aussehen, die in einer bestimmten Software abgebildet werden müssen. Stattdessen können Software-Dienstleister entlang der Standardprozesse viel schneller und günstiger passende Lösungen für viele Verlage auf einmal entwickeln. Die üblichen hohen Projektkosten für die Implementierung neuer IT-Systeme werden so auf ein Minimum reduziert. (Dieser Ansatz ließe sich übrigens auch auf den Buchhandel übertragen, wenn sich hier ebenfalls eine Gruppe Ehrenamtlicher zusammenschlösse.)
Das kommt vor allem kleineren und mittelständischen Verlagen zugute, die weder die finanziellen noch die personellen Ressourcen für IT-Großprojekte besitzen: Wenn sie die Herausforderungen bei der Einführung dringend benötigter IT-Systeme nicht allein bewältigen müssen, werden sie wirtschaftlich wieder handlungsfähig und erhalten endlich eine realistische Chance, technologisch wenigstens etwas gegenüber großen Verlagen aufzuholen und kreative Geschäftsmodelle zu entwickeln. Große Verlage wiederum können ebenfalls von den Ergebnissen der Taskforce profitieren, indem sie systematisch Teilprozesse innerhalb ihrer Gesamtorganisation entlang der Standardprozesse verbessern.
Einen Wermutstropfen gibt es bei alldem allerdings: Standardisierung bedeutet eben auch, sich von manch liebgewonnenen Gewohnheiten und "Sonderlocken", etwa für bestimmte Autor:innen oder Kund:innen, zu verabschieden. Im Gegenzug lassen sich aber vielfältige Verlagsprozesse – von der Programmplanung und Titelkonzeption bis zur Kalkulation und Honorarabrechnung, von der Marketing- und Vertriebsplanung bis hin zur Lagerhaltung und Personalverwaltung – locker um den Faktor 10 bis 20 beschleunigen, wenn man sie richtig digitalisiert.
Was das gerade für ein kleinere Unternehmen bedeuten kann, lässt sich schön am jungen Eifeler Kraterleuchten-Verlag ablesen: Sven Nieder, dessen Gründer und Verleger und einer der Sprecher der Taskforce IT-Standards, geht regelmäßig mit seinen Autor:innen im Wald wandern, um neue Ideen zu entwickeln. Diese Zeit kann er aber nur investieren, weil er die Prozesse in seinem (noch) kleinen Verlag weitgehend standardisiert und automatisiert hat. Auch sonst macht er vieles anders als andere: So hat er sehr früh verschiedene Imprints mit klaren Profilen für unterschiedliche Programmschwerpunkte und Zielgruppen gegründet und vermarktet etwa unter dem Label Calderan neben Phantastik-Büchern auch Brettspiele – und hat damit ein zweites Standbein im Spielwarenhandel aufgebaut. Clever!