Lesetipp: "Handelsblatt" über fehlende Barrierefreiheit

Riesiger Handlungsbedarf

22. Juli 2024
Redaktion Börsenblatt

Ein exklusiv im "Handelsblatt" erschienener Artikel zeigt erhebliche Defizite deutscher Unternehmen in Bezug auf ihre digitalen Angebote auf. Grundlage ist eine Studie der Unternehmensberatung Accenture. Sie zeigt, dass knapp 90 Prozent aller Websites für Menschen mit Behinderung schwer oder gar nicht zugänglich sind. Die Folge sind erhebliche Umsatzverluste.

Software kann für Sehbeeinträchtigte den Zugang zu Websites erleichtern 

Umsetzung geht schleppend voran

Im Sommer 2025 tritt das Barrierefreiheitsstärkungsgesetz (BFSG) in Kraft. Es verpflichtet Unternehmen, ihre digitalen Produkte (darunter E-Books) und Dienstleistungen (z.B. -Webshops) barrierefrei zu gestalten. Andernfalls drohen empfindliche Strafen bis hin zur Sperrung der Websites. Eine Umfrage des „Handelsblatts“ ergab, dass viele große Unternehmen, darunter Media-Markt-Saturn, Deutsche Bahn und Deutsche Bank, derzeit noch nicht die geforderten Standards erfüllen. Sie stehen nicht alleine da: Rund die Hälfte der Websites und Shops der deutschen Einzelhändler haben das Thema Barrierefreiheit noch nicht ausreichend umgesetzt, wie Accenture ermittelt hat und das „Handelsblatt“ detailliert berichtet.

Klar ist: Die Umsetzung der Barrierefreiheit stellt für viele Unternehmen eine große Herausforderung dar. Die Otto Group und Zalando bezeichnen die Anpassungen als „Mammutprojekt“ bzw. „komplexes Projekt“. Die Allianz arbeite „mit Hochdruck“ daran, und die Lufthansa hat für die Umstellung einen Millionenbetrag veranschlagt.

Ein Test der Organisation „Aktion Mensch“ und Google ergab, dass nur ein Fünftel der meistbesuchten Shopping-Portale zumindest teilweise barrierefrei ist. Hauptprobleme sind die mangelnde Bedienbarkeit mit der Tastatur und unlogische Tab-Reihenfolgen, die die Nutzung für Menschen mit eingeschränktem Sehvermögen erschweren.

Experten wie Thomas Müller von der AgenturAccenture Song betonen, dass die Anpassung der Websites nicht unterschätzt werden sollte, sie greife „tief in die Struktur“ ein.

Verschenkte Potenziale

Unternehmen, so der Tenor des Artikels, seien gut beraten, ihre Websites schnellstmöglich barrierefrei zu gestalten. Dies sei nicht nur rechtlich notwendig, sondern auch wirtschaftlich vorteilhaft. Die kosten- und zeitintensive Umgestaltung biete langfristig Vorteile für alle Nutzer*innen und verbessere die Sichtbarkeit in Suchmaschinen.

„Wer seine digitalen Angebote nicht barrierefrei zugänglich macht, dem entgeht ein riesiges Kundenpotenzial“, äußert sich Accenture-Beraterin Anke Lenz gegenüber dem „Handelsblatt“. Menschen mit Behinderung repräsentierten in der EU eine Kaufkraft von 2,3 Billionen Euro pro Jahr. Allein in Deutschland haben 12,4 Millionen Menschen eine Behinderung. Sie seien beispielsweise darauf angewiesen, dass sich ein Onlinebanking rein mit der Tastatur bedienen lässt oder dass sich im Webshop die Schriftgröße verändern lasse.