Die, die an der öffentlichen Diskussion dieser Fragen kein Interesse hatten, weil sie für sich erhebliche ökonomische Nachteile befürchteten, verwandelten den Streit in der Sache also in ein juristisches Verfahren. Die Strafanzeige gegen Schiebel und Radloff stellte schließlich Arnold Schuler, der damalige stellvertretende Südtiroler Landeshauptmann und Landesrat für Landwirtschaft. Bei seiner Klientel, den Obstbauern, wird er damit gepunktet haben. Rund 1600 Unterschriften konnten die Obstbauer-Genossenschaften einsammeln, mit denen das gerichtliche Vorgehen gegen Radloff, Schiebel & Co. unterstützt werden sollte.
Für Jacob Radloff ist Schulers Anzeige der klare Fall eines Einschüchterungsversuchs – der allerdings gleich in mehrfacher Hinsicht schiefging. „Die Kläger haben nicht damit gerechnet, was dieses Verfahren für einen Aufwasch auch außerhalb Südtirols nach sich ziehen würde“, sagt der Oekom-Geschäftsführer im Gespräch mit dem Börsenblatt. Schon im Vorfeld der Verhandlung habe ihn eine Welle der Solidarität erreicht.
Zum Beispiel von einem Südtiroler Verlegerkollegen, der Radloff die folgenden, subtil formulierten Zeilen schrieb: „Als Verlag geht einem das Schicksal von Verlegerkollegen verständlicherweise nahe, zumal auch wir schon das eine oder andere Mal gespürt haben, auf wie dünnem Eis man sich in Südtirol mitunter bewegt, wenn man Kritik an den Verhältnissen übt. Und es ist – vor allem wenn man für die eigene Arbeit öffentliche Beiträge erhält – nicht immer einfach, in der eigenen Arbeit von dieser schwach entwickelten Streitkultur unbeeinflusst zu bleiben.“ Deshalb finde er die Debatte um das „Wunder von Mals“ so wichtig und halte ihm, Radloff, die Daumen, dass er mit seinen Argumenten etwas verändern könne.
Das Daumenhalten des Kollegen hat geholfen. Am Donnerstag vergangener Woche entschied das Landesgericht Bozen, die Ermittlungen gegen Radloff und die Mitglieder des Umweltinstituts aus Mangel an Beweisen einzustellen. Gegen Karl Bär und gegen Alexander Schiebel hingegen laufen die Prozesse weiter; Schiebel hat Mitte Januar Gerichtstermin.
Die Solidaritätsbekundungen für Radloff, Schiebel und das Umweltinstitut reichen derweil bis in höchste europapolitische Kreise. Kritik wird vor allem an dem offenkundigen Versuch geübt, unabhängige Recherchen von Journalisten, Buchautoren und NGOs durch das Mittel juristischer Drohkulissen zu verhindern. Die Menschenrechtskommissarin des Europarats, Dunja Mijatovic, nahm diesen Dienstag Stellung zu den vermehrt auftretenden Klagen einflussreicher Einzelpersonen und Unternehmen gegen NGOs und Journalisten. Mijatovic bewertet solche sogenannten SLAPP-Klagen (Strategic Ligitation Against Public Participation) als wachsende Gefahr für die freie Meinungsäußerung, wobei sie die Klagen gegen den Oekom-Verlag, Alexander Schiebel und das Umweltinstitut München ausdrücklich als konkrete Beispiele nennt.