Zu DDR-Zeiten hieß die Brandenburger Straße nach Klement Gottwald, erster Präsident der Tschechoslowakei und Stalins ergebener Lehrling. Die Potsdamer nannten die Einkaufsmeile mit dem überschaubaren Angebot (Kunde: »Ist das hier der Laden, in dem es keine Schuhe gibt?« Verkäuferin: »Nein, das ist der Laden, wo es keine Hemden gibt; der Laden, in dem es keine Schuhe gibt, ist zwei Häuser weitergezogen.«) liebevoll-spöttisch »Broadway«. Die Brüder Jens (geboren 1968) und Stefan (geboren 1967) Bellin sind auf und mit der Brandenburger groß geworden.
Und, ebenso wichtig: in einer Bücher-Familie – ihre Mutter Heidelore Bellin ist eine stadtbekannte Buchhändlerin. 1982 wechselte sie ins Internationale Buch, Ecke Broadway / Friedrich-Ebert-Straße; nach der Wende erhielt sie 1991 den Zuschlag für diese Volksbuchhandelsfiliale. Vater Klaus Bellin war nach dem Germanistikstudium Literaturredakteur bei der »Jungen Welt« und arbeitete dann, über die Wende hinaus, für den Rundfunk und für Tageszeitungen, etwa für das »Neue Deutschland«. Viele seiner Features und Essays landeten später zwischen Buchdeckeln.
»Damit wurde man identifiziert, das ist auch ein Rucksack, den man tragen muss«, sagen die Brüder. In dieser Atmosphäre bewegten sich Jens und Stefan wie Fische im Wasser, »unsere Eltern haben ja nicht mit der Werkssirene ihren Job beendet«. Solch literarischer Infiltration zum Trotz bogen beide ganz handfest ab: Stefan absolvierte eine Fahrzeugschlosserlehre, Jens ging in die Landwirtschaft.