Ein Füllhorn von Erlebnissen
Nach ein paar Stunden Messebesuch kann man schon eine Handvoll Anekdoten erzählen, nach einigen Tagen dienen dann noch mehr Erlebnisse der Legendenbildung über die erste wahrhaftige Leipziger Buchmesse seit vier Jahren.
Nach ein paar Stunden Messebesuch kann man schon eine Handvoll Anekdoten erzählen, nach einigen Tagen dienen dann noch mehr Erlebnisse der Legendenbildung über die erste wahrhaftige Leipziger Buchmesse seit vier Jahren.
Und was haben Sie erlebt?
Die Kulturstaatsministerin, die im Vorjahr auf dem Krisengipfel mit dem Ausruf „Ich lasse mir diese Buchmesse nicht wegnehmen!“ der gebeutelten Branche Hoffnung gab, tauchte in diesem Jahr tief in das Messegeschehen ein. Eröffnungsfeier mit der russischen Dichterin Maria Stepanowa, eine Diskussion über Meinungsfreiheit mit Zeugen aus Diktaturen, Gespräche mit Cosplayern – die ganze Bandbreite.
Ob Oliver Zille versucht hat, drei ausgefallene Messen in einer einzigen nachzuholen? Auf jeden Fall möchte man die Termindichte des Buchmessedirektors nicht selbst erleben. Bei der Standeröffnung des Gastlands Österreich: strahlende Freude.
Als Klaus Humann, lang ist’s her, mit Aladin ins Café Maitre einlud, zeichnete Thomas M. Müller eigens Etiketten für den frisch gepressten Apfelsaft aus dem Muldental, Kollege Ole Könnecke kam vor lauter Signierwünschen nicht zum Kaffeetrinken. Seit 2019 führt Thienemann Esslinger Aladin als Bilderbuchprogramm weiter – und so ließ Verlegerin Bärbel Dorweiler (links) auch die gute Tradition des Verlagsfrühstücks à la Francaise wieder aufleben. Journalisten, Veranstalter aus Jungen Literaturhäusern sowie Buchhändler:innen ließen sich nicht lange bitten – und stärkten sich vorm Messebesuch ordentlich. Während des Frühstücks sprach Marie Hüttner (Mitte) über ihr aktuelles Buch „Ist Oma noch zu retten“, Oliver Scherz (rechts) gab einen Ausblick auf sein im Herbst erwartetes Buch „Sieben Tage Mo“.
Ja, es ist Buchmesse, da darf das Buch und alles, was es verursacht, gefeiert werden. Eine Unterscheidung zwischen E- und U-Literatur ist da obsolet. Man kann einfach mal den Cosplayern auf dem Weg zu ihren Fotospots nachlaufen …
… dann entdeckt man Perspektiven, die einem bei x bisherigen Messebesuchen bisher entgangen sind. Danke. Soll man sich da wünschen, dass die Leipziger Buchmesse ab 2024 wieder im März stattfindet? Jetzt, Ende April, blühte und grünte alles rund ums Messegelände, als hätten die Bäume sich von der aufgeregten Vorfreude anstecken lassen.
Die edition überland wurde 2019 von Kirsten Witte-Hofmann in Leipzig gegründet, inzwischen ist Barbara Thériault, deren Buch „Die Bodenständigen“ 2020 als schönstes Regionalbuch ausgezeichnet wurde, als Co-Verlegerin eingestiegen. Nach erzwungener Pandemie-Pause ist Leipzig 2023 die erste Buchmesse für den jungen Verlag, der mit einem feinen belletristischen Programm und Sachbüchern zu ausgewählten regionalen Themen aufwartet. Den Stand teilte man sich mit der Connewitzer Verlagsbuchhandlung, und als Lokalmatador wirft man sich mit annähernd zehn Veranstaltungen inklusive Party ins Leipziger Allerlei. Dass dann am Messemittwochmorgen noch die druckfrischen Vorab-Exemplare von „Demokratie in Sachsen“, dem Jahrbuch des Else-Frenkel-Brunswik-Instituts von der Druckerei direkt in die Halle 5 spediert wurden, fällt unter das Glück der Tüchtigen. Foto: Kirsten Witte-Hofmann, Barbara Thériault (von links).
Die Literaturshow „Roboter mit Senf“ bietet in der Schaubühne Lindenfels, der „Stadtzentrale“ des Österreich-Auftritts, mit Klaus Kastberger und Daniela Strigl zwei der bekanntesten Literaturkritiker Österreichs auf. Mit interessanten Gästen, futuristischen Standl-Betreibern und einer fast endlosen Auswahl an Wurstspezialitäten (Burenwurst!) wird Literatur auf eine ganz neue Weise schmackhaft gemacht. In Leipzig mit dabei: Die Schriftstellerinnen Raphaela Edelbauer und Maria Gamillscheg, der Außenreporter Martin Brachvogel und einer der herausragendsten Singer-Songwriter der Alpenrepublik, der sich „Der Nino aus Wien“ nennt. Dessen großartiges Stück „Es geht immer ums Vollenden“ – fertig geschrieben, wie er uns weismachen möchte, in einer Super-Bowl-Nacht – wurde im Ballsaal der Schaubühne akustisch vorgetragen: „Wie ein Schwamm saugst du das Jetzt auf und verarbeitest es dann, / wenn das Jetzt lang genug weg ist um zu wissen was es kann. / Man genießt dann deine Bilder die fast keiner je versteht, / nur die Freude sie zu sehen ist wohl das worum es geht.“ Ob die Piefkes merken, dass hier einer in der Nachfolge von Qualtinger und Wolfgang Ambros, Dylan im Kopf, die schönsten deutschsprachigen Pop-Songs der letzten Jahre geschrieben hat?
Jona Elisa Krützfelds Verlag Akono ist noch ganz jung. „Natürlich bin ich zum ersten Mal auf der Messe, die ist ja länger ausgefallen, als es meinen Verlag gibt“. Dennoch hat sie mutig einen ihrer Titel für den Preis der Leipziger Buchmesse eingereicht. „Katharina Triebner-Cabalds Übersetzung von Max Lobes „Vertraulichkeiten“ war wegen der vielen Begriffe rund um Wasser so gut, dass ich das Buch eingereicht habe, so Krützfeld. Ein Verlagsporträt hat der mdr verfasst.
In der Laudatio von Beate Tröger zum Kurt-Wolff-Förderpreisträger fiel ganz oft das Wort "Liebe". ELIF-Verleger Dinçer Güçyeter verströmte davon jede Menge, da lief das Herz ganz offenbar über. Bei seiner Auszeichnung mit dem Belletristik-Preis der Leipziger Buchmesse holte er die anderen nominierten Autor:innen mit auf die Bühne.
Mit dem zweiten (Fernseher) sieht man besser. Schon interessant ... je digitaler, schneller, glatter und kleiner die „Devices“ werden, desto nostalgischer erinnert man sich an die gute alte Flimmerkiste mit dem Testbild. Das Foto ist unscharf? Dann muss mal jemand rauf aufs Glashallendach, Antenne richten.
Übrigens gab es am MVB-Stand ein „Gucki“, den Mini-Fernseher, bei dem man per Knopfdruck die Bilder weitertransportierte. Die rare Ware sei dort sehr begehrt, heißt es. Wer von Ihnen hat ein Gucki ergattert? Dann wissen Sie auch, für was dieses Gucki wirbt.
Alexander Wewerka (links) hatte am Donnerstag Standdienst bei der Kurt Wolff Stiftung. Man sah ihn, mit einem Bleistift in der Hand, trotz Messelärms in ein Manuskript vertieft – das kann nur die Dankesrede für den Kurt-Wolff-Preis gewesen sein. Dincer Gücyeter (rechts) hatte für solche Feinarbeiten am Dank für den Förderpreis vermutlich keine Zeit. Am Vortag hatte er den Preis der Leipziger Buchmesse bekommen. Die Aufzeichnung der Kurt-Wolff-Preisverleihung mit wunderbaren Laudationes können Sie auf youtube noch einmal anschauen.
2019 gründete Swetlana Alexijewitsch, die belarusische Trägerin des Literaturnobelpreises (2015), des Friedenspreises (2013) sowie des Leipziger Buchpreises zur Europäischen Verständigung (1998), den PFLAŬMBAŬM Verlag. Der in Weißrussland angesiedelte Verlag publiziert ausschließlich Autorinnen. „Was suchst du, Wolf?“ von Eva Viežnaviec erscheint zur Leipziger Buchmesse auf Deutsch im Zsolnay Verlag.
Endlich hat es die Kurt Wolff Stiftung schwarz auf weiß – das an der Bar des Standes Die Unabhängigen in Halle 5 ausgeschenkte Heißgetränk ist der beste Espresso auf dem Messe-Gelände. So jedenfalls legte sich die lokale „Leipziger Volkszeitung“ fest, und die muss es ja wissen. Die Bohnen, so verrät der Leipziger Stiftungs-Repräsentant Karsten Dehler, stammen von der hiesigen Kaffeerösterei Elstermühle. Noch besser ist, dass die Dosse Gowwe hier im Stundenrhythmus von Indie-Verlegerinnen und –verlegern ausgeschenkt wird. So gibt es zum heißen Schwarzen immer noch ein wenig heißen Branchen-Gossip.
Finde den Fehler: Die Independent-Bariste Sebastian Guggolz und Antje Kunstmann.
Geht man bei einer Buchmesse zu den Fachveranstaltungen und kostenfreien Beratungen, funktioniert das wie eine riesengroße Erfa-Gruppe. Die neuen Inhaberinnen des Dresdner Bücherbergs (Franziska Krauße und Carolin Hauskeller) reden mit Berater Joachim Merzbach und Pascal Schneider vom Börsenverein über ihre Gründungserfahrungen. Merzbach mahnt (unter anderem) die Vorsorge an, Carolin Hauskeller ermutigt: „Keine Angst vor der Bürokratie, sooo schlimm ist es nicht“
Der Verlag Freunde & Friends hatte auf der Leipziger Buchmesse seinen ersten Auftritt und teilte sich eine Verlagskoje mit dem Secession Verlag. Spiritus rector und künstlerischer Leiter des neuen Verlags: Florian Havemann, Kolumnist, Maler, Bühnenbildner und Autor ("Speedy", "Havemann"). Das erste Buch des neuen Verlags heißt "Bankrott".
Ulrike Altig, Chefin des Marktforschungsunternehmen, stellt vor: TikTok und Media Control veröffentlichen die erste offizielle #BookTok Bestsellerliste. Sie wurde im Rahmen der Leipziger Buchmesse vorgestellt und besteht aus den 20 erfolgreichsten Buchtiteln auf TikTok. Schätzen Sie mal: Wie oft ist Autorin Colleen Hoover unter den ersten 20 Titeln vertreten?
Die Leipziger Buchmesse hatte die lange Zwangspause genutzt, um sich Aktionen mit dem Buchhandel zu überlegen. Es gab im Vorfeld des Messetermins eine Autor:innen-Buchhandelstour und eine Leser:innen-Aktion, bei der Leser:innen ihre Lieblingsbuchhandlung nennen konnten.