Adania Shibli über die Macht der Worte und ihr Schweigen
Die palästinensische Autorin Adania Shibli spricht mit dem Guardian über die Verschiebung ihrer Preisverleihung und die Rolle der Sprache in Konflikten.
Die palästinensische Autorin Adania Shibli spricht mit dem Guardian über die Verschiebung ihrer Preisverleihung und die Rolle der Sprache in Konflikten.
Die palästinensische Autorin Adania Shibli hat in einem Interview mit dem Guardian erstmals öffentlich über die Verschiebung ihrer Preisverleihung auf der Frankfurter Buchmesse gesprochen. Sie sollte dort mit dem LiBeraturpreis, einer Auszeichnung für Autorinnen und Autoren aus dem globalen Süden, geehrt werden. Die Absage erfolgte kurzfristig per E-Mail durch die veranstaltende deutsche Literaturorganisation LitProm und wurde mit dem israelisch-palästinensischen Konflikt begründet. Mehr als 1.500 Autorinnen und Autoren, darunter auch Nobelpreisträger, kritisierten die Entscheidung in einem offenen Brief.
Shibli erzählte dem Guardian von ihrer Kindheit in Palästina, wo sie sich von den Geschichten ihrer Mutter inspirieren ließ, die weder lesen noch schreiben konnte. In ihren Werken, darunter die drei Kurzromane „Touch“, „We Are All Equally Far from Love“ und „Minor Detail“, thematisiert sie, wie Sprache als Werkzeug eingesetzt werden kann. Besonders hob sie „Minor Detail“ hervor, eine Geschichte über ein Verbrechen an einem beduinischen Mädchen im Jahr 1949 und eine Frau, die 25 Jahre später mehr darüber erfahren möchte. Der Roman erhielt in Deutschland begeisterte, aber auch negative Kritiken, die Shibli für die Absage ihres Preises mitverantwortlich macht.
Shibli, die auch für ihre akademische Arbeit im Bereich der Medien- und Kulturwissenschaften bekannt ist, betonte in ihrem Interview mit dem Guardian die Komplexität und den Schmerz, der in der Sprache liegt, insbesondere in Bezug auf die palästinensische Erfahrung. Sie sprach von der Sprachlosigkeit und der Schwierigkeit, die eigene Realität zu artikulieren, wenn Worte fehlen oder missbraucht werden. Die Autorin, die sich in den vergangenen Wochen durch die Gewalt in Israel und Palästina ihrer Sprache beraubt fühlte, sieht in der Literatur einen Raum, der Stille zulässt. Sie habe begonnen, eine Rede für die Preisverleihung zu schreiben, sagte sie – bevor die Verschiebung bekannt gegeben wurde.