Büchner-Preis 2022

Emine Sevgi Özdamar ausgezeichnet

9. August 2022
Redaktion Börsenblatt

Der Georg-Büchner-Preis 2022 geht an die Schriftstellerin Emine Sevgi Özdamar. Der Preis ist mit 50.000 Euro dotiert. Die Jury lobte den „hochpoetischen Sound“ ihrer Werke.

Begründung der Jury:

„Mit Emine Sevgi Özdamar zeichnet die Deutsche Akademie für Sprache und Dichtung eine herausragende Autorin aus, der die deutsche Sprache und Literatur neue Horizonte, Themen und einen hochpoetischen Sound verdankt. Einst aus der Türkei ins geteilte Berlin gekommen, bereichert Özdamar seit über drei Jahrzehnten die deutschsprachige Literaturszene mit ihren Romanen, Erzählungen und Theaterstücken, zuletzt mit dem Opus magnum ‚Ein von Schatten begrenzter Raum‘. Ungewohnte literarische Stilmittel und aus dem Türkischen inspirierte Sprechweisen prägen ihre multiperspektivischen Texte, die neben intimen persönlichen Erfahrungen ein breites Panorama deutsch-türkischer Geschichte entfalten − vom Ersten Weltkrieg über die Aufbruchstimmung der sechziger und siebziger Jahre bis in unsere Gegenwart. Emine Sevgi Özdamars Werk eröffnet einen zugleich intellektuellen wie poetischen Dialog zwischen verschiedenen Sprachen, Kulturen und Weltanschauungen, an dem wir lesend teilhaben dürfen."

Über die Autorin

Emine Sevgi Özdamar, geboren am 10. August 1946 in Malatya/Türkei, ist Schriftstellerin, Schauspielerin und Theaterregisseurin. Aufgewachsen in Istanbul und Bursa hatte sie schon früh Kontakt zum Theater. 1965 kam sie erstmals nach West-Berlin. Zurück in Istanbul nahm sie von 1967 bis 1970 Schauspielunterricht und erhielt erste professionelle Rollen in Stücken von Bertolt Brecht und Peter Weiss. Nach dem Militärputsch in der Türkei 1971 mit Massenverhaftungen und Zensur ging Özdamar 1975 erneut nach Berlin und wurde Assistentin des Brecht-Schülers Benno Besson und des Regisseurs Matthias Langhoff an der Ost-Berliner Volksbühne. Ihre Arbeit führte sie weiter nach Paris und Avignon, dann von 1979 bis 1984 ans Bochumer Schauspielhaus unter der Intendanz von Claus Peymann, wie die Deutsche Akadmie für Sprache und Dichtung auflistet. In diese Zeit fällt auch der Beginn ihres Schreibens mit dem 1982 erschienenen Theaterstück »Karagöz in Alemania«. Zahlreiche Romane, Erzählungen und weitere Theaterstücke folgten.

  • 1991 gelang ihr mit dem Ingeborg-Bachmann-Preis der literarische Durchbruch.
  • Der ausgezeichnete Text war ein Auszug aus ihrem von der Kritik als bahnbrechendes, literarisches Ereignis gefeierten Romanerstling »Das Leben ist eine Karawanserei - hat zwei Türen - aus einer kam ich rein aus der anderen ging ich raus«, der 1992 erschien.
  • 1998 folgte ihr zweiter Roman »Die Brücke vom Goldenen Horn«.
  • 2003 erschien der Abschluss der Trilogie »Seltsame Sterne starren zur Erde. Wedding – Pankow 1976/77«.

Die Romane spielen in Istanbul und im geteilten Berlin. Sie erzählen über die Kultur und Gesellschaft der siebziger Jahre, über politischen Aufbruch wie über politische Repression und über die Freiheit des Theaters. Für diese Trilogie wurde sie u.a. mit dem Walter-Hasenclever-Preis 1993, Adelbert-von-Chamisso-Preis 1999 und 2004 mit dem Heinrich-von-Kleist-Preis ausgezeichnet.

Für ihren fast 800 Seiten umfassenden Roman "Ein von Schatten begrenzter Raum" (2021) erhielt sie ebenfalls viele Preise:

  • den Bayerischen Buchpreis 2021
  • den Düsseldorfer Literaturpreis 2022 und
  • den Schillerpreis 2022.
  • Zudem stand das Buch auf der Shortlist für den Preis der Leipziger Buchmesse 2022.

Emine Sevgi Özdamar ist seit 2007 Mitglied der Deutschen Akademie für Sprache und Dichtung und seit 2014 Mitglied der Akademie der Künste in Berlin. Sie lebt in Deutschland, der Türkei und Frankreich.

Veröffentlichungen (Auswahl)

  • Karagöz in Alemania. Theaterstück. Verlag der Autoren 1982 (UA 1986 Frankfurt)
  • Mutterzunge. Erzählungen. Rotbuch-Verlag 1990
  • Keloglan in Alemania, die Versöhnung von Schwein und Lamm. Theaterstück. Verlag der Autoren 1992 (UA 2000 Oldenburg)
  • Das Leben ist eine Karawanserei − hat zwei Türen − aus einer kam ich rein aus der anderen ging ich raus. Roman. Kiepenheuer & Witsch 1992
  • Die Brücke vom Goldenen Horn. Roman. Verlag Kiepenheuer & Witsch 1998
  • Der Hof im Spiegel. Erzählungen. Kiepenheuer & Witsch 1998
  • Noahi. Theaterstück. Verlag der Autoren 2001 (UA 2003 Frankfurt)
  • Seltsame Sterne starren zur Erde. Roman. Kiepenheuer & Witsch 2003
  • Sonne auf halbem Weg. Die Istanbul-Berlin-Trilogie. Kiepenheuer & Witsch 2006
  • Perikizi. Ein Traumspiel. Theaterstück, aufgeführt 2010 im Rahmen der Ruhrfestspiele. In: Theater Theater. Odyssee Europa. Aktuelle Stücke 20/10. Fischer Taschenbuch Verlag, 2010
  • Ein von Schatten begrenzter Raum. Roman. Suhrkamp 2021

Über den Büchner-Preis

Der Büchner-Preis zählt zu den wichtigsten literarischen Auszeichnungen im deutschsprachigen Raum. Er wird von der Deutschen Akademie für Sprache und Dichtung vergeben. Der Preis ist mit 50.000 Euro dotiert. Feierlich verliehen werden soll die Auszeichnung am 5. November im Staatstheater in Darmstadt.

Seit 1951 vergibt die Akademie den Preis an Schriftstellerinnen und Schriftsteller, die in deutscher Sprache schreiben. Die Preisträger müssen „durch ihre Arbeiten und Werke in besonderem Maße hervortreten“ und „an der Gestaltung des gegenwärtigen deutschen Kulturlebens wesentlichen Anteil haben“, heißt es in der Satzung. Der Preis wird vom Bund, dem Land Hessen und der Stadt Darmstadt finanziert – und nach dem Gewährsmannprinzip verliehen.

Zu den Preisträgern gehören Max Frisch (1958), Günter Grass (1965) und Heinrich Böll (1967) sowie zuletzt Rainald Goetz, Marcel Beyer, Jan Wagner, Terézia Mora, Lukas Bärfuss, Elke Erb und Clemens J. Setz. Die Lyrikerin Erb war 2020 die elfte Frau, die die Auszeichnung erhielt.