Gamification ist der Einsatz von Spielelementen in einem Nicht-Spiel-Kontext. Also die Übertragung einzelner Mechanismen, die wir aus Spielen kennen, auf völlig spielfremde Zusammenhänge. Warum man das tut? Spiele sind Motivationskunstwerke. Sie begeistern, fesseln, machen Spaß. Andere Tätigkeiten nicht. Schulungen zum Beispiel, oder Straßenbahnfahren oder eine Therapiestunde beim Arzt. Wenn man sich aber genau anschaut, wie Spiele funktionieren, lassen sich dann nicht einzelne Elemente auch auf andere Kontexte übertragen? Damit sexy wird, was trocken ist? Damit lästige Punkte auf der inneren Muss-ich-machen-Liste auf die Will-ich-machen-Liste wandern? Ja, das geht und genau das nennt man Gamification.
Wie nachhaltig ist Gamification?
Für manche ist Gamification ein der Gesellschaft von den Videospielen geschenktes Allheilmittel. Für andere eine kurzlebige Modeerscheinung, die bald vom nächsten Trend abgelöst wird. Beide Aussagen sind zu kurz gedacht. Gamification hat zunächst einmal nichts mit Computerspielen oder digitaler Unterhaltung im Allgemeinen zu tun: Jede Form des Einsatzes von Spielelementen in spielfremdem Kontext fällt darunter. Es gab Gamification vor 1000 Jahren, vor 100 und vor 10. Um ein Beispiel der Verlagsbranche zu nennen: Auch die Choose-Your-Own-Adventure-Bücher der Siebziger und Achtziger Jahre („Insel der 1000 Gefahren“) waren eine Form von Gamification. Spielelemente wie Entscheidungsoptionen, Feedback, Unvorhersehbarkeit der eigenen Handlungen – alles enthalten.
Warum Gamification aber gerade in den letzten Jahren immer populärer wird und von vielen großen Konzernen in die Unternehmens-DNA übernommen wurde, hat durchaus mit digitalen Spielen zu tun. Denn durch die ist die Akzeptanz von Spielen insgesamt gewachsen. Spielen ist nicht mehr nur etwas für Kinder. Spätestens die digitalen Generationen erhalten sich das Spielen auch im Erwachsenenalter. Wir merken es in unseren Pfeffermind-Workshops immer wieder: Je jünger die Teilnehmer, desto weniger Vorbehalte gegen das Thema Gamification.
Damit Gamification nachhaltig ist, muss sie richtig umgesetzt sein. Punkte, Highscores und Auszeichnungen mögen temporär funktionieren, sind aber nicht langfristig erfolgreich. So ist es kein Wunder, dass Audible das zwischenzeitlich eingesetzte Badge-System ohne jede spielerische Anbindung wieder aufgegeben hat. Für ganzheitliche Gamification muss aus Sicht des Spielers gedacht werden – wir nennen das Game Thinking, angelehnt an die Innovationsmethode Design Thinking, die ich selbst vor einigen Jahren studiert habe. Wird Gamification von Anfang an aus Sicht des Spielers gedacht, sind Erfolge nicht nur spürbar, sondern auch messbar.
Wo können Verlage Gamification einsetzen?
Mit unserer Gamification-Agentur Pfeffermind arbeiten wir für Autokonzerne, Versicherungen, Banken, Telekommunikationsanbieter, medizinische Institute oder Werbeagenturen. Immer geht es darum, Menschen mithilfe von Spielen zu motivieren. Das können sowohl eigene Mitarbeiter sein (interne Gamification) als auch Kunden (externe Gamification).
Die Herausforderungen sind dabei nicht anders als die der Verlagsbranche. Im Bereich interne Gamification zum Beispiel: Wie gestalte ich meinen Bewerbungsprozess so, dass potentielle Mitarbeiter sich gerne bei uns bewerben? Wie kommuniziere ich langweilige Inhalte an meine Mitarbeiter so, dass sie diese gerne aufnehmen? Wie schule ich meine Mitarbeiter so, dass sie dabei Spaß haben?
Die Lösung können spielerische Assessment Center, Schulungen via Escape Game oder digitale Minispiele zum Lernen der IT-Security-Regeln sein.
Und auch im Bereich der externen Gamification können Verlage profitieren: Wie bekommen meine Kunden mehr Lust auf meine Produkte? Wie schaffe ich im Marketing mehr Interaktion mit einer jungen Zielgruppe? Wie binde ich Kunden an meinen Verlag?
In Zeiten von Netflix, in denen das Buch für eine junge Generation immer weniger attraktiv ist, muss die Buchbranche reagieren. Nicht mit Pro-Buch-Kampagnen, sondern mit einer Anpassung der Inhalte an die veränderten Konsumgewohnheiten der Zielgruppe. Das kann zu veränderten Produkten führen, Hybriden zwischen analogem Lesen und digitalen Zusatzinhalten. Das kann aber auch zu zeitgemäßem, lebendigem, spielerischem Marketing führen. Für meinen aktuellen Roman habe ich eine Gamification-Aktion entwickelt, über die in der ersten Verkaufswoche 20% aller Verkäufe generiert wurden – mit wenig Budget, aber einer geschickten, spielerischen Verbindung verschiedener digitaler Plattformen.
Wie fängt man mit einem Gamification-Projekt an?
Wichtig ist eine professionelle Herangehensweise. Kein Kopieren bestehender Erfolgsbeispiele, sondern ein grundlegendes Verständnis, wie Spiele funktionieren. Und warum. Denn nur dann kann man das extrahieren, was für die eigene Zielgruppe passt.
Oft macht es Sinn, alle Projektbeteiligten mit einem gemeinsamen Workshop auf dasselbe Wissens- und Erwartungslevel zu heben. Dann steht der kreativen Gestaltung meist nicht mehr viel im Wege. Ob es um die Motivation der eigenen Mitarbeiter geht oder die der potentiellen Kunden – mit Gamification machen ungeliebte Aufgaben plötzlich Spaß.
Philipp Reinartz hält am 24.1.19 auf dem Buchbranchen-Kongress future!publish ein Impulsreferat – „Motivationsboost durch Gamification: was Verlage von Spielen lernen können“. Die 4. future!publish findet am 24./25.1.19 in Berlin statt. Mehr zum Programm hier: https://futurepublish.berlin/programm-2019/.