Dieser Artikel basiert auf Gesprächen, die ich mit Renata Zamida, Direktorin der slowenischen Buchagentur, und Miha Kovač, Professor für Verlagswesen an der Universität von Ljubljana, geführt habe.
Die Marktteilnehmer und allgemeine Verkaufszahlen
Slowenien ist flächenmäßig so groß wie Hessen, hat aber nur knapp über zwei Millionen Einwohner, das entspricht etwa einem Drittel der Bewohner Hessens. Die Struktur des slowenischen Buchmarktes zeichnet sich u.a. dadurch aus, dass die drei größten Verlage Sloweniens, Mladinska knjiga, Učila und der ehemalige Staatsverlag DZS, auch die drei größten Buchhandelsketten betreiben.
Der Buchhandelsumsatz macht nur etwa 35 Prozent des gesamten Buchmarktes aus – der Rest entfällt auf Buchclubs, Direktvertrieb, Supermärkte und den Online-Handel.
In Slowenien erscheinen jährlich etwas über 5.000 Titel. Darin enthalten sind knapp 2.000 Übersetzungen. Zwanzig Prozent dieser Neuerscheinungen sind Romane. Besonders auffällig ist die Anzahl der jährlich erscheinenden Lyrikbände. Mit 300 Titeln stellen sie sechs Prozent der gesamten Buchproduktion Sloweniens!
Bibliotheken
Eine weitere Besonderheit des Landes ist das – gemessen an Sloweniens Bevölkerungszahl – in Europa fast einzigartig organisierte und vor allem genutzte Bibliothekswesen. Das Netz öffentlicher Bibliotheken erstreckt sich nicht nur auf alle Kleinstädte, sondern reicht bis in die abgelegensten Dörfer, die ein- bis zweimal pro Woche von Bibliotheksbussen angefahren werden. Öffentliche Bibliotheken sind daher sowohl Schlüsselkunden der slowenischen Buchproduktion als auch ein wichtiger Indikator zur Feststellung von Lesegewohnheiten. Im Jahr 2011 haben 500 000 Bibliotheksnutzer (d.i. ein Viertel der Gesamtbevölkerung!) rund 23 Millionen Ausleihen getätigt. Zum Vergleich: Im stationären Buchhandel werden jährlich etwa eine Million Bücher verkauft.
E-Book-Erwerb und Ausleihe in Bibliotheken
Die wichtigsten Produzenten von E-Books sind Mladinska knjiga und Beletrina – letzterer ist einer der bedeutendsten literarischen Verlage des Landes. Während Mladinska knjiga mit e-emka die größte Plattform für den Verkauf von E-Books im Land betreibt, hat Beletrina mit Biblos eine bisher konkurrenzlose E-Book-Plattform für die Ausleihe von E-Books über die Bibliotheken des Landes gegründet. Alle slowenischen Verlage verkaufen ihre E-Book-Lizenzen über Biblos an die Bibliotheken. Bibliothekskunden können ihre E-Book-Ausleihen direkt über Biblos tätigen. In Slowenien ist die Anzahl der E-Book-Ausleihen in öffentlichen Bibliotheken deutlich höher als die Anzahl der verkauften E-Books. Im Unterschied zum Verkauf von E-Books erfreut sich deren Bibliotheksausleihe großer Nachfrage und hoher Steigerungsraten. 2016 ist diese Ausleihe im Vergleich zum Vorjahr um sagenhafte 47% gestiegen. Derzeit sind 15.000 Nutzer bei Biblos angemeldet.
Die Bibliotheken zahlen für eine E-Book-Lizenz übrigens den auch für das Publikum geltenden Ladenpreis. Nach 52 Ausleihen erlischt diese Lizenz automatisch. Will die Bibliothek das E-Book im Bestand behalten, muss sie eine neue Lizenz erwerben. Wenn die Bibliothek mehrere Exemplare des gleichen Titels gleichzeitig ausleihen möchte, muss sie entsprechend viele Lizenzen kaufen.
E-Books
Ansonsten spielen E-Books im slowenischen Buchmarkt eine geringere Rolle als in Deutschland. Sie haben am Gesamtmarkt einen Anteil von lediglich 1,5% und dieser Anteil wächst nur langsam. Die Anzahl der verfügbaren E-Book-Titel in der slowenischen Sprache liegt bei ungefähr 3.000. Das mag auch daran liegen, dass E-Books normalerweise erst zusammen mit der Taschenbuch-Ausgabe, also drei bis sechs Monate nach der Hardcover-Ausgabe, veröffentlicht werden und die Preise von E-Books und Taschenbüchern identisch sind – rund 30-50% niedriger als die Preise der Hardcover-Ausgaben.
Sprachliches Leseverhalten
Basierend auf Daten der Buchhandelskette Mladinska knjiga wird der Import gedruckter Bücher in englischer Sprache auf 10-20% des Marktes geschätzt.
Laut einer Umfrage zum Bucheinkauf und Leseverhalten, die im Sommer 2014 durchgeführt wurde, lesen mehr als zwanzig Prozent der Slowenen regelmäßig auf Englisch. Eine zahlenmäßig kleine Gruppe von Jugendlichen liest sogar ausschließlich auf Englisch. Einige von ihnen sind auf englischsprachigen Fan-Websites mehr zu Hause als auf slowenischen, was bedeutet, dass Lesen, Schreiben und Kontakte vorwiegend außerhalb ihres lokalen kulturellen Umfelds stattfinden. Zweifellos ist es zu früh, meint Miha Kovač, auf der Grundlage des Verhaltens einer so kleinen Gruppe langfristige Vorhersagen zu treffen. Wenn sich solche Trends jedoch in ganz Europa fortsetzen, kann man diese Jugendlichen als erste Mitglieder einer Cloud-Generation betrachten, da sie kulturelle Inhalte produzieren und konsumieren, die nur noch zu einem Teil mit ihrem lokalen kulturellen Kontext zusammenhängen.
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