Auf dem von SZ-Redakteurin Andrea Rexer hervorragend moderierten Podium hatten Sabine Bendiek (Microsoft Deutschland), Nick Jue (ING-DiBa), Stefan Schaible (Roland Berger) und eben Jürgen Schmidhuber (IDSIA) Platz genommen, der von der Moderatorin als Vater der digitalen Robotik und einer der führenden Wissenschaftler im Bereich der Künstlichen Intelligenz vorgestellt wurde. Mit großer Berechtigung, denn Schmidhuber hat schon vor vielen Jahren die Algorithmen mitentwickelt, mit deren Hilfe wir heute digitale Sprachassistenten, Bilderkennungen und Übersetzungen nutzen können. Diese immer präziser werdenden Dienste basieren auf sogenannten LSTM (Long short-term Memory) Netzwerken, die durch ständige Anfragen ihre Lernprozesse durchlaufen und sich dadurch selbständig verbessern. Bei Facebook beispielsweise werden derzeit in einer Sekunde etwa 50.000 Anfragen zu Übersetzungen, Bilderkennungen usw. verarbeitet. Diese Form der Künstlichen Intelligenz wird also schon seit Jahren kommerziell erfolgreich genutzt.
In der Roboterschule
In seinem Labor, führte Schmidhuber aus, wird aber schon längst am nächsten Schritt geforscht. An Robotern, mit denen wir schließlich reden können, denen wir zeigen werden, wie man etwas macht. Bespielsweise wie man ein Handy zusammenschraubt. Schmidhubers Roboter sehen und hören zu und lernen, und verstehen es mit der Zeit. Diese Roboter haben »Schmerzsensoren«, damit sie, beispielsweise auf dem mehrfach täglich notwendigen Weg zu ihrer Ladestation, sich merken, wenn sie irgendwo anstoßen. Sie lernen also über Berührungen, Geräusche und ihr Kameraauge wie ein Baby die Welt zu begreifen. Das spielt sich allerdings im Unterschied zu Spracherkennungen usw. noch nicht in kommerziellen Dimensionen ab, sondern bewegt sich im Bereich der Grundlagenforschung.
Schmidhuber geht davon aus, dass wir 2050, auf jeden Fall in diesem Jahrhundert eine KI haben werden, die wesentlich klüger ist als wir. Die Plausibilität seiner Annahme erklärte er mit einem historischen Rückblick. 1941 hat Konrad Zuse in Berlin den ersten Rechner gebaut. Seitdem werden die Rechner alle fünf Jahre zehn Mal billiger, anders gesagt: leistungsfähiger. Zuses Rechner konnte pro Sekunde eine Operation verarbeiten. Dreißig Jahre später konnte man schon eine Million Operationen pro Sekunde rechnen lassen. Jetzt sind wir bei einem Faktor von einer Million Milliarden angekommen, ebenfalls pro Sekunde. Und in einer Reihe von Jahren, so Schmidhuber, werden wir kleine Geräte haben, die so viel wie ein menschliches Gehirn rechnen können. Und die sich selbstverbessernde Software wird nicht weit dahinter herhinken. Ein großes LSTM, wie es jetzt von Google oder Facebook bei der Übersetzung verwendet wird, hat vielleicht eine Milliarde Verbindungen, unser Gehirn verfügt eine Million Milliarden Verbindungen. Aber die technische Entwicklung schreitet ständig voran. Und in nicht allzu ferner Zukunft werden wir digitale Netzwerke haben, die von der Zahl der Verbindungen her der Rechenleistung des menschlichen Gehirns gleichen. Aber sie werden sehr viel schneller als das menschliche Gehirn sein. Und wenn wir erst einmal einen Rechner haben, der die Rechenkapazität eines menschlichen Gehirns hat, dann dauert es vielleicht noch einmal fünfzig Jahre, bis ein Rechner so viel rechnen kann, wie alle zehn Milliarden Menschen zusammen. Und diese gigantische Rechenleistung wird weiter wachsen und wachsen. Aber schon lange vorher werden diese Rechner in jeder Hinsicht übermenschlich gut sein.
Auf die Zwischenfrage der Moderatorin, ob wir Menschen dann so eine Art zweiter Klasse Lebewesen sein werden, antwortete Schmidhuber: »Sie sagen ja auch nicht zu Ihrer Katze, du bist ein zweiter Klasse Lebewesen.« Die Replik von Andrea Rexer: »Jaaa, aber wollen Sie von Ihrem Roboter als Katze gehalten werden?« löste Heiterkeit im Saal aus, bei einigen wohl auch Bestürzung.
In Schmidhubers Labor setzen sich die Roboter heute schon ihre eigenen Ziele. Sie machen nicht nur sklavisch nach, was Menschen ihnen vormachen, sondern sie haben ihre eigenen Interessen, wie der Forscher formulierte. Wenn sie die nicht hätten, wenn sie nicht den Wunsch hätten, sich eigene Ziele zu stecken und neue Probleme zu finden und zu lösen, dann würden sie zukünftig nicht in der Lage sein, immer allgemeinere Problemlöser zu werden. Um sie klug zu machen, meint Schmidhuber, muss man ihnen diesen Freiraum geben.
Der übernächste Schritt
Irgendwann, so Schmidhuber wörtlich in einer schwindelerregenden Vision, »werden diese Roboter superklug sein, viel klüger als wir, und dann werden sie begreifen, dass alle benötigten Ressourcen nicht allein in unserer Biosphäre stecken, sondern da draußen im Weltraum. Dann werden sie auswandern, jedenfalls der größte Teil von ihnen. Und in ein paar hunderttausend Jahren werden sie die ganze Milchstrasse mit Sendern und Empfängern bestücken. Sie werden mit Radiowellen reisen, wie heute schon. Diese Entwicklung wird sich verselbständigen und Menschen werden damit faktisch nichts mehr zu tun haben. Im Moment sind wir noch ganz wichtige Steigbügelhalter dieser Entwicklung, aber langfristig wird uns das komplett entgleiten. Aber wir brauchen darüber nicht traurig zu sein, dass wir dann nicht mehr die Krone der Schöpfung sind. Wir können immer noch Schönheit und Erhabenheit darin entdecken, dass wir Teil eines grösseren und wunderbaren Prozesses sind, der das Universum von niedrigerer zu höherer Komplexität führt. Das ist das, was wir jetzt in den Anfängen sehen.«