»Blockchain zählt in 2017 und darüber hinaus zu den 10 strategischen IT- und Technologietrends, mit denen sich CIOs, CTOs und Digitalisierungsentscheider beschäftigen sollten. Auch wenn das Thema durch einen großen medialen Hype begleitet wird und sich die Technologien und Services noch in einem frühen Entwicklungsstadium befinden, bietet Blockchain eben jenes ›Disruptionspotential‹, um Geschäftsmodelle, Prozesse und Transaktionen nachhaltig zu verändern und zu erneuern.« Das sagt jedenfalls Moritz Strube, Analyst in Residence bei Crisp Research. Und er ist nicht der Einzige.
Titusz Pan, Gründer und Mitinhaber der Freiburger Craft AG, die Teil des Content Blockchain-Projects ist, sieht dies genauso, wenn auch durchaus ironisch: »Zu Beginn des Internets konnte ja auch noch niemand ahnen, dass wir diese Technologie in der Hauptsache für das Versenden von Katzenbildern nutzen werden.«
Im Rahmen des vierten offenen Treffens der AG digital des Schweizer Buchhändler- und Verlegerverbands (SBVV) ging es aber ganz ernsthaft um Möglichkeiten, die diese »neue Evolutionsstufe des Internets« (Moritz Strube) auch für Verlage und Autoren bietet. Zum Beispiel eine neue Standardnummer, den ISCC, zur eindeutigen Identifikation von Inhalten im Netz. Ein Prototyp ist für März 2018 geplant. Der ISCC, der International Standard Content Code wird nicht fortlaufend von einer Agentur vergeben werden, sondern generiert sich automatisch anhand der Metadaten eines Werks.
Moritz Strube: »Blockchain ist nicht als Webtechnologie, sondern als eine neue Evolutionsstufe des Internets zu betrachten. Ähnlich wie durch das World Wide Web, das einen allgemeinen Zugang zum Internet und E-Commerce ermöglichte, stellt die Blockchain-Technologie eine neue Schicht des Internets, das Trust-Layer, dar. Dieses ermöglicht es Akteuren, die sich nicht kennen und vertrauen müssen, ohne Intermediäre im Internet sicher und effizient geschäftliche Transaktionen durchzuführen.«
Was erst einmal ziemlich abstrakt klingt könnte einige vermeintlich fest zementierte Besitz- und Handelsstrukturen durcheinanderbringen. Monika Schubarth, Buchhändlerin und Journalistin, die im aktuellen »digital publishing report« über das SBVV-Treffen berichtet, meint dazu: »Wer ein E-Book besitzt, kann dieses auch verschenken, an Freunde verleihen oder weiterverkaufen. Wer Besitzer oder Besitzerin eines E-Books ist, ist in der Blockchain in einer Art öffentlicher Buchhaltung.« Sebastian Posth, Verleger und ebenfalls Mitglied im »Content Blockchain Project«, sieht das ähnlich: »Ganz allgemein stellt sich ja die Frage, auf welche Arten Medienunternehmen in Zukunft ihr Geld verdienen. Man sieht am Erfolg von Spotify oder Netflix, dass Besitz- und Download-Modelle weniger relevant werden. Mit Blockchains können etablierte Modelle abgebildet werden: Subscription-Angebote oder Download-to-own. Aber auch neue Angebote sind denkbar: Affiliate- und Belohnungssysteme, sogar der Wiederverkauf digitaler Inhalte ist prinzipiell denkbar, bei dem die Rechteinhaber bei jeder Transaktion entsprechend der in den Smart Licenses angegebenen Lizenzbedingungen kompensiert werden.«
Zu Ende gedacht bedeutet dies die ultimative Urheber-Leser-Beziehung, eine Welt ohne lange Prozess- und Wertschöpfungsketten, eine Welt, die kein Amazon, kein Apple und keine Tolino-Allianz braucht. Klingt utopisch? Abwarten und Tee respektive Kaffee trinken.
Das Thema »Blockchain« ist einer der Schwerpunkte der neuesten Ausgabe des »digital publishing report«. Dazu Interessantes über ePrivacy, Bücher im Browser, Interactive Ficition, Mobile Strategien, Newsletter-Tuning und vieles mehr. Das digitale Magazin ist kostenlos erhältlich. E-Mail an info@digital-publishing-report.de schicken, fertig.
Und der eingangs erwähnte Artikel in der SZ ist hier zu lesen.