Zur Rolle der Digitalen Dienstleister für die Verlagsbranche
Aus drei Gründen sind die digitalen Dienstleister, insbesondere die Softwarehäuser, die industriellen Schlüsselpartner der Verlagsbranche. Zum einen würden ohne sie und ihre Produkte in Deutschland schon heute kaum Rechnungen geschrieben, Honorare kalkuliert oder Bücher ausgeliefert. Zum anderen sind die Dienstleister ganz wesentliche Know-how-Träger einer Branche, in der auf Kundenseite industrielle Prozesse und Methoden keineswegs weit verbreitet sind. Hinzu kommt, dass nahezu alles, was die Branche in den vergangenen 20 Jahren an Innovationen gesehen hat, digitaler Natur war. Und nahezu alle Innovationen wurden von Dienstleistern initiiert und zum Leben erweckt. Kurz: Ohne Dienstleister läuft nichts.
In den Segmenten ist die Verlagsbranche industriell unterschiedlich weit entwickelt. Selbst zwischen direkt konkurrierenden Häusern und auch innerhalb von Verlagsgruppen gibt es beträchtliche Unterschiede. Auf das Ganze betrachtet ist unsere Branche immer noch weit davon entfernt, eine echte Industrie zu sein. Sucht man nach Beispielen industrieller Reife, findet man sie am ehesten bei den Fach- und Wissenschaftsverlagen.
Das ist umso erstaunlicher, wenn man sich vor Augen führt, dass unsere Branche in einem Hochlohnland agiert. Hier produzieren wir niedrigpreisige Güter mit wiederkehrenden manuellen Aufwänden, und vielen nicht notwendigen Sonderlocken und Varianten in den Prozessen. Würden in Deutschland Autos von Unternehmen mit derselben industriellen Reife produziert, müssten selbst Kleinwagen sechsstellige Summen kosten.
Schlüsselmerkmale der Industrialisierung: Standards, Digitalität und Systempartnerschaften
Erst Standards ermöglichen Automatisierung, Beschleunigung und Qualitätssteigerung zu geringeren Kosten. Leider ist nicht zu erwarten, dass sich die Branche in absehbarer Zeit auf DIN-Normen einigt. Aber mehr ›Best Practice‹ und weniger Sonderlocken wären nicht nur möglich und wünschenswert − sie sind existenziell. Standards sind dabei weit weniger eine Frage der Technologie als eine der Einsicht und natürlich auch des Willens. Gerade hier sind oft genug die tatsächlichen Kostentreiber in IT-Projekten und -Betrieb zu finden. Wir kennen keinen Dienstleister, der nicht beklagt, dass die Verlagskunden nur eine Standardsoftware bezahlen wollen, aber letztlich eine völlig individualisierte Software erwarten. Das gilt für Tageszeitungen, Buch- und Fachverlage in gleicher Weise.
Digitalität ist viel mehr als digitale Produktion oder Vertrieb. Sie ist ein Mindset, der die Bereitschaft umfasst, Prozesse und Inhalte, die sinnvoll digitalisierbar sind, auch zu digitalisieren. Dienstleister berichten, dass oft nur digitalisiert wird, wenn es sich gar nicht vermeiden lässt, und nur so wenig wie nötig. Die Anzahl der Verlage, die bewusst auf uralten oder gar ungewarteten Softwareversionen arbeiten, ist erschreckend. Manche Entscheider verzichten offenbar bewusst nicht nur auf allen Fortschritt, den neuere Versionen mit sich brächten, sondern riskieren im Zweifel sogar Produktionsausfälle und -Stillstände. Und warum? Wahrscheinlich, weil sie die Unsicherheiten bei der Ablösung der Altsysteme noch mehr fürchten und weil die Hersteller offenbar nicht wirklich in der Lage sind, die wirtschaftlichen Vorteile eines Umstiegs für die Kunden zu belegen. In Zeiten schrumpfender Margen schlägt die kurzfristige Investitionsrechnung spielend den gesunden Menschenverstand. Um es in der Sprache der Politologen auszudrücken: Aus Sicht eines Verlegers ist IT ganz offenbar kein ›Gewinnerthema‹ − im Gegenteil.
Warum gibt es keinen Bosch oder Schaeffler der Verlagsindustrie? Das ist zum einen die Frage der Größe. Das einzige Unternehmen, das aufgrund seiner internationalen Aufstellung einem Systempartner am nächsten kommt, ist Klopotek, und in Deutschland vielleicht noch knk. Ein Blick auf die Umsätze dieser Häuser genügt, dann wird klar: Anders als Bosch & Co. agieren diese Unternehmen keineswegs auf Augenhöhe mit ihren Verlagskunden. Zum anderen müssten große Partner ja auch von den Verlagen gewollt sein. Faktisch finanzieren die Verlage derzeit einen kaum überschaubaren Zoo an digitalen Lieferanten. Das ist für das Thema Standardisierung und Kostensenkung nicht gerade förderlich. Es müsste eigentlich sehr im Sinne der Verlage sein, dass es zu großräumigen Konsolidierungen kommt. An der wirtschaftlichen Stabilität der Softwarehäuser sollte den Verlage schon aus Eigeninteresse gelegen sein. Es gibt Marktsegmente, da erleben wir derzeit einen ruinösen Häuserkampf um jedes neue Projekt. Manch kurzfristig günstiger Vertragsabschluss könnte sich für die betroffenen Verlage mittelfristig als böse Überraschung erweisen.
Aktuell scheint es den Softwarehäusern gut zu gehen. Wie unsere Befragung unter digitalen Mediendienstleistern hinsichtlich ihrer Geschäfte zeigt, verlief das Jahr 2016 nicht ganz so gut wie von den meisten erwartet. Es ist aber ein Jammern auf vergleichsweise hohem Niveau, denn wir reden über Wachstumsschwund und nicht über Umsatz-Rückgänge. Die allermeisten sind sehr optimistisch, was den Ausblick für 2017 anbelangt. Befragt man die Dienstleister zum Aufregerthema des vergangenen Jahres, dem VG Wort-Urteil, so sagen nur 20 Prozent: »Ja, wir spüren Investitionszurückhaltung«. Damit haben sich die Befürchtungen, die es zu Anfang des vergangenen Jahres gab, nicht bei allen bewahrheitet. Das ist sehr erfreulich. Da die Rückzahlungsverpflichtungen der Verlage aber weitestgehend auf 2017 verschoben wurden, ist der Optimismus bemerkenswert. Es bleibt das ungute Gefühl, dass das dicke Ende in Sachen VG Wort erst noch kommt.
Die Auswertung der aktuellen Panelbefragung »Dienstleister-Rückblick auf 2016 und Ausblick für 2017« kann hier kostenfrei angefordert werden: http://narses.de/publikationen_anfordern