Im ersten Moment klingt das selbstverständlich – so richtig funktioniert Guerilla-Marketing aber nur mit einem hohen Grad an Kreativität, oft gepaart mit Humor, was wiederum zu größtmöglicher viraler Verbreitung führt. Dies zeigt auch, dass viele solcher Marketingaktionen im physischen Raum beginnen, etwa durch ein Event – die Verbreitung passiert aber oft über soziale Netzwerke.
»Kleiner Aufwand vs. Maximale Wirkung« ist natürlich auch gerade etwas für kleinere Unternehmen, die sich keine Reichweite erkaufen können, hier schlägt Witz große Geldbeutel. Auch für lokale Unternehmen, beispielsweise Buchhandlungen, kann dies ein durchaus probates Mittel sein.
Eine Fliege summt für einen Verlag
Eines der ersten und bekanntesten Beispiele: »Der Verlag mit der Fliege«. Bei vielen reichte schon die Kombination aus Fliege und Buch, um sofort die Assoziation Eichborn Verlag hervorzurufen (die ebenfalls viralen »Yoga-Kühe« des Verlags erzielten dabei interessanterweise nie die »Fliegen-Reichweite«. Und mit dieser Fliege ließen sich dann ohne riesige Marketingbudgets einfach Aktionen durchführen. Dominique Pleimling, Programmleiter Eichborn: »2009 begann eine Frischzellenkur für den Eichborn Verlag; unterstützt wurden wir dabei von der Agentur Jung von Matt/Neckar. Um den Neuauftritt mit neuem Logo, neuer Homepage etc. – also einem runderneuerten Corporate Design – einem breiten Publikum vorzustellen, wurde unser Wappentier, die Fliege, zu einem lebendigen Werbeträger. 200 Fliegen wurden mit Bannern versehen und auf der Frankfurter Buchmesse losgelassen. Die ganze Aktion wurde gefilmt, bei YouTube gepostet – und ging dann durch die Decke: über eine Million Klicks dürften Rekord für einen deutschen Buchverlag sein.«
Und wie steht es aktuell um das Guerilla-Marketing von Verlagen?
Viele solcher Aktionen von Verlagen bauen auf die Reichweite ihrer Autorinnen und Autoren. Etwa bei den »Hooligans gegen Satzbau« (#HoGeSatzbau), die im Verlag Antje Kunstmann das Buch »Triumph des Wissens« veröffentlicht haben. Ein Buch, das allein schon aufgrund der Art und Weise des Umgangs mit »strammdeutschen Vaterlandsverteidigern« Viralität erzeugt. Und die Reichweite der Autoren wird durch den Verlag in den Buchhandel verlängert: »Die Hooligans gegen Satzbau haben ja allein schon 160.000 Follower, insofern ist Social Media schon ein wichtiger Teil unserer Marketingstrategie. Aber wir setzen dabei ganz stark auf den stationären Buchhandel«, so Kunstmann-Verleger Moritz Kirschner in einem Interview mit dem Börsenblatt.
Angesagteste Garanten für Reichweite sind im Moment Youtuber, was dieser wiederum zu begehrten Autorinnen und Autoren macht. Beispielweise mit der Youtuberin Chusita und Ihrem Buch »Sex. Was du schon immer wissen wolltest«, erschienen bei cbj, München. Natürlich darf auch hier der obligatorische Hashtag nicht fehlen: #wasduschonimmerwissenwolltest Der Primär-Kanal ist hier natürlich Youtube, alle anderen sind eher nachrangig, auf Instagram gibt es hierzu 20 Einträge.
Eine Aktion muss auch nicht immer den Leser als Ziel für die eigene Ansprache haben. So hat PONS mit einer durchdachten Blogger-Aktion enorme Reichweite generiert, ganz ohne plumpe Ansprache. Michael Kausch von vibrio: »Der PONS-Verlag hat Blogger über ein interessant gemachtes und sehr persönlich gehaltenes Mailing angesprochen. Die Blogger erhielten ein Schulheft, in dem ein Blog-Posting des Bloggers abgedruckt war – allerdings fein säuberlich auf eine korrekte Rechtschreibung hin durchkorrigiert. Eine im typischen Lehrer-Stil gehaltene Schluss-Note weist auf die Relevanz korrekter Rechtschreibung und natürlich einen persönlichen Testzugang für das neue Verlags-Angebot ›Deutsche Rechtschreibung Online‹ hin.« Kein Wunder dass fast alle angeschriebenen Blogger dies aufgegriffen und darüber geschrieben haben.
Echte Viralität zeigt interessanterweise Diogenes mit einer auf den ersten Blick gar nicht hippen Aktion, ohne Hashtag und Brimborium, und zwar ganz simpel mit allerdings überlegten und gut gemachten Postkarten im Buch. Wer lange erklären muss, worum es bei einer Marketing-Aktion geht, hat eigentlich schon verloren, wer die Reichweite dem Kunden oder Leser überlässt, hat dagegen schon gewonnen. So finden sich gerade auf visuellen Netzwerken wie Instagram und Pinterest viele dieser Diogenes-Postkarten, meist mit einem netten Kommentar versehen, verbreitet von Bloggern oder Lesern, die selbst schon Reichweite mitbringen. Gleichzeitig zahlt diese Aktion auf die Marke, nicht nur ein einzelnes Produkt ein. Womit sich auch wieder der Kreis zum »Verlag mit der Fliege« schließt.
Was also völlig simpel klingt (und ist), skaliert auch nachhaltig. Viele der großen Marketing-Aktionen der Vergangenheit sind nämlich inzwischen Schnee von gestern, ab und an stolpert man vielleicht noch über eine verwaiste Zombie-Fanpage auf Facebook, das war es dann auch schon.
Es gab und gibt viele solcher viralen Marketing-Aktionen, eine schöne Übersicht findet sich auf Leander Wattigs „Orbanism“-Website (ehemals »Virenschleuderpreis«).
Zugegebenermaßen ist die Grenzziehung zwischen Online-Marketing, das auf die Reichweite der Autoren setzt und mit Mühe einen Hashtag zustande bekommt und Guerilla Marketing per definitionem manchmal schwierig. Andererseits müsste Guerilla Marketing vielen Verlagen in die Hände spielen, immerhin geht es hier um Kreativität und Witz statt großer Marketingbudgets, über das die meisten sowieso nicht verfügen.
Einen Schwerpunkt zum Thema »Guerilla-Marketing« mit vielen Beispielen gibt es in der aktuellen Ausgabe des »digital publishing report«. Dort widmen wir uns auch den Perspektiven des Influencer Marketing, den zehn größten E-Mail-Marketing-Mythen und Webseiten als Basis der Digitalen Kommunikation zum Kunden. Das digitale Magazin ist kostenlos hier erhältlich: https://digital-publishing-report.de/newsletter/