Vorschau auf die Frankfurter Buchmesse 2017

Seismograph der Gesellschaft

12. September 2017
Redaktion Börsenblatt
Ein Fest der Bücher, die Welt der französischsprachigen Literatur, eine Bühne für politische Diskussionen, das Zentrum des internationalen Rechtehandels: Die Frankfurter Buchmesse präsentierte sich beim alljährlichen Pressegespräch in diesem Jahr politischer, weltoffener und publikumsorientierter denn je. 

In einem hochpolitischen Jahr etabliert sich die Frankfurter Buchmesse (11.-15. Oktober 2017) als Seismograph für globalgesellschaftliche Entwicklungen. Längst begrabene Konflikte, die wieder aufbrechen; Gesellschaften, die sich radikalisieren – und die bewusste Fälschung von Tatsachen fordern nicht nur jeden Bürger, sondern auch die Verlage heraus. Statt Fake News wollen die Leser verlässliche, nachprüfbare und sauber recherchierte Informationen. 2017 werde als ein Jahr in Erinnerung bleiben, in dem viele Weichen gestellt wurden – für die Politik ebenso wie für ökonomische und gesellschaftliche Zusammenhänge in Deutschland und in weiten Teilen der Welt, so Buchmessedirektor Juergen Boos.

Auftritt der Rechten

Stichwort "hochpolitisch": Es blieb nicht aus, dass Juergen Boos und Kommunikationschefin Katja Böhne bei dem Pressetermin mit der Ankündigung der rechtsextremen Stiftung "Europa Terra Nostra", auf der Frankfurter Buchmesse NPD-Politiker und anderen Ultranationalisten auftreten zu lassen, konfrontiert wurden. Dazu Böhne: "Es wird nicht zu Veranstaltungen kommen, bei denen Neonazis auftreten könnten. Veranstaltungen sind nur erlaubt, wenn ein Verlag eine Standfläche gebucht hat." Wie bereits früher berichtet, gehört zu den Ausstellern auch der neurechte Antaios Verlag. Sollte dieser an seinem Stand zu Veranstaltungen einladen, ließe sich dies nicht unterbinden, solange er nicht gegen deutsches Recht verstieße, so Boos. "Wir können in einem solchen Fall nicht einschreiten, weil dies gegen die Meinungsfreiheit wäre." Das Problem rechter Auftritte betreffe viele Buchmessen, so beispielsweise Göteborg im vergangenen Jahr. Im gemeinsamen Netzwerk der Buchmessen, in dem auch die Frankfurter Buchmesse vertreten ist, teile man diese Haltung, so Boos.

"Der Weltempfang - unsere wichtigste Bühne"

Prominent besetzt und mit brisanten Themen wartet der "Weltempfang" in diesem Jahr auf Besucher und Öffentlichkeit - "unsere wichtigste Bühne", wie Katja Böhne beim Pressegespräch sagte. Bei einem neuen Veranstaltungsformat, dem Weltempfang Satellit, trifft Messedirektor Juergen Boos auf bekannte Persönlichkeiten und Schriftsteller, um sich mit ihnen über Gegenwartsphänomene auszutauschen: Über den Einfluss von Fake News wird er mit Kriegsberichterstatterin Åsne Seierstad und einem der profiliertesten investigativen Journalisten, Hans Leyendecker, sprechen (Mittwoch, 11. Oktober). Leben und Schreiben im Exil wird Gegenstand des Gesprächs mit dem türkischen Publizisten Can Dündar und Autor Burhan Sönmez sein (Donnerstag, 12. Oktober). Dem Phänomen der Neuen Rechten schließlich wird sich Juergen Boos gemeinsam mit Thomas Wagner (Die Angstmacher) und Gerald Hensel (Werber und #keingeldfürrechts Initiator) widmen (Freitag, 13. Oktober, jeweils 9.30-10.15 Uhr im Business Club). Im Weltempfang, der kulturpolitischen Bühne der Frankfurter Buchmesse in Halle 3.1, werden unter dem Motto „Krise-Ordnung-Gestaltung“ aktuelle Konfliktfelder beleuchtet.

Ehrengastauftritt „Francfort en français / Frankfurt auf Französisch“ 

Das Gastland der Frankfurter Buchmesse, Frankreich, stellt in Zeiten der Globalisierung nicht das Land, sondern die auf fünf Kontinenten und in rund 80 Ländern gesprochene französische Sprache in den Mittelpunkt seiner Aktivitäten: mit (Stand heute) 190 Autorinnen und Autoren, die in französischer Sprache publizieren, werden anlässlich des Ehrengastauftrittes erwartet, darunter Philippe Dijan, Michel Houellebecq, Édouard Louis, Alain Mabanckou, Yasmina Reza, Leïla Slimani, Amélie Nothomb und viele mehr.

143 deutschsprachige Verlage haben 555 Titel im Rahmen des Gastlandauftrittes aus dem Französischen ins Deutsche übertragen, 269 Verlage und Aussteller aus Frankreich und französischsprachigen Ländern treten in Frankfurt auf. Die Ehrengastpräsentation Frankreichs steht unter der Schirmherrschaft des französischen Präsidenten Emmanuel Macron. Der Präsident der Republik ist auch zur Eröffnung der Buchmesse eingeladen worden – ob er kommt, entscheidet sich erst kurz vor Beginn.


Ein (neues) Fest für die Literatur 

Mit Margaret Atwood, Cecilia Ahern, Paula Hawkins, Nicholas Sparks, Daniel Kehlmann, Paul Maar, Bergsteiger-Held Reinhold Messner, den Thriller-Autoren Ken Follett und Sebastian Fitzek, Bestseller-Philosoph Richard David Precht sowie Teenager-Star Lukas Rieger u.v.a. wird die Frankfurter Buchmesse wieder ein besonderes Festival der Literatur werden. "Das Buch ist lebendig wie nie", sagte Katja Böhne dazu.

Rund 1.800 Gäste, internationale Verleger und akkreditierte Pressevertreter haben am Messesamstag die seltene Gelegenheit, den US-Bestsellerautor Dan Brown live zu erleben: Er wird seinen neuen Thriller "Origin" vorstellen (Samstag, 14. Oktober 2017). Nach Messeschluss lockt das neue BOOKFEST Besucherinnen und Besucher mit einem vollen Veranstaltungsprogramm in verschiedene Locations in der Stadt. (www.bookfest.de). Es ergänzt die schon bekannten Formate, vor allem OPEN BOOKS.

Rechtehandel boomt, internationale Meinungsführer positionieren sich in Frankfurt 

Auch 2017 behauptet die Frankfurter Buchmesse ihre Position als wichtigste und größte Veranstaltung der internationalen Buchbranche. Das Rechtegeschäft in Frankfurt boomt: Mit 500 verkauften Tischen stellt das Literary Agents & Scouts Centre (LitAg) einen neuen Rekord auf. Die einflussreichsten Persönlichkeiten der Branche nutzen die Messe, um ihre Botschaften zu platzieren: Markus Dohle, CEO der Verlagsgruppe Penguin Random House, wird seine Sicht auf die globale Branchenentwicklung bei der Eröffnungspressekonferenz der Frankfurter Buchmesse (Dienstag, 10. Oktober) darlegen. Ebenfalls am Messedienstag wird mit Andrew Wylie einer der mächtigsten Literaturagenten der Welt die Business Club Conference THE MARKETS eröffnen, während bei der Abschlussdiskussion fünf starke Führungsfrauen das Wort ergreifen werden: Tracey Armstrong (Copyright Clearance Center, USA), Sophie de Closets (Fayard, Frankreich), Arpita Das (Yoda Press, Indien), Xandra Ramos-Padilla (National Book Store / Anvil Publishing, Philippinen) und Vicky Williams (Emerald Group, UK) werden sich über Karrierechancen und Hindernisse austauschen.

Beim CEO Panel am Mittwoch, 11. Oktober 2017, stellt sich Carolyn Reidy, CEO der amerikanischen Verlagsgruppe Simon & Schuster, den Fragen der Branchenjournalisten. Sie ist die einzige Frau an der Spitze eines der „Big Five“ Publikumsverlage. Ebenfalls beim CEO Talk wird Guillaume Dervieux, der Generaldirektor von Albin Michel, Auskunft über die französische Buchbranche geben. Nils Rauterberg, Geschäftsführer von Audible Deutschland, wird im Business Club den Audible Hörkompass 2017 vorstellen und über die dynamische Entwicklung des Massenmediums Hörbuch sprechen. Unter dem Titel „Reporting the truth in the age of fake news“ werden Chad Thomas, Büroleiter Deutschland von Bloomberg News, und die leitenden Bloomberg News Redakteure Heather Harris und Matthew Miller über die Verantwortung von Medien im Zeitalter von Fake News diskutieren.

Kreativknoten von Kunst und künstlicher Intelligenz

Bei THE ARTS+, dem im vergangenen Jahr gegründeten Business Festival rund um die Themen Digitalisierung, Kreativität und Gesellschaft, werden u.a. der Intendant der Berliner Volksbühne, Chris Dercon und Peter Weibel, Direktor des ZKM Karlsruhe erwartet. In Kooperation mit europäischen Institutionen aus der Politik, der Kreativwirtschaft und der Kultur findet am Messemittwoch der „THE ARTS+ Innovation Summit“ statt. In einem Werkstattgespräch wird das Künstlerkollektiv robolab (ZKM Karlsruhe) seinen Roboter „manifest“ vorstellen.


Frankfurter Buchmesse 2017– so international wie nie 

Wie im Vorjahr werden Aussteller aus über 100 Ländern die Frankfurter Buchmesse für ihren Auftritt nutzen: Premiere feiert der Gemeinschaftsstand „Publishers from Africa & Haiti“ auf der Frankfurter Buchmesse. Hier stellen erstmalig 20 französischsprachige Verlage ihre Publikationen aus 13 Ländern aus. Niger, Madagaskar und Gabun sind in diesem Jahr zum ersten Mal in Frankfurt vertreten. Die Präsenz befindet sich in der Halle 5.1 in direkter Nachbarschaft zum französischen Gemeinschaftsstand (Halle 5.1 E 17). 

Erneut macht sich auf der Messe der „Ehrengasteffekt“ bemerkbar: Französische Aussteller haben in diesem Jahr ihre Fläche um 12 Prozent im Vergleich zum Vorjahr vergrößert. Norwegen, Ehrengast der Frankfurter Buchmesse 2019, hat flächenmäßig um 23 Prozent zugelegt, die Kanadier (Ehrengast 2020), die bereits 2016 sehr stark vertreten waren, haben jetzt schon 3 Prozent mehr Fläche gebucht. Ebenfalls sehr sichtbar war der Auftritt Georgiens im vergangenen Jahr – in diesem Jahr präsentiert sich der Ehrengast der Frankfurter Buchmesse 2018 auf Vorjahresniveau. 

Die Flächenbelegung der Aussteller aus Nordamerika sowie Nord-, West- und Mitteleuropas ist trotz Konsolidierungsprozessen stabil geblieben. Größeres Flächenwachstum verzeichnet die Messe aus Afrika, Zentralasien und dem Nahen Osten. Die Regionen Osteuropa (+8 Prozent), Iran (+ 6 Prozent) und Ostasien (+ 5 Prozent) legten leicht zu. Überraschend ist, dass vergleichsweise kleinere Buchmärkte wie etwa Kasachstan oder die baltischen Länder Estland und Litauen ihre Präsenz in Frankfurt im Vergleich zum Vorjahr signifikant ausgebaut haben. Auch die Schweizer Verlage präsentieren sich in diesem Jahr auf einer größeren Fläche (+ 14 Prozent im Vergleich zum Vorjahr).

roe / FBM