Es ging um ein ehrenamtlich organisiertes Stadtfest. Ich dachte, ich bin neu, ich sollte mich einbringen. Organisationssitzung am Freitagabend, ländliche Gastwirtschaft. Allein unter Männern. Sie trinken Bier, ich trinke Weißwein. Sie sind nett, sie bereden dies und das: Kabel, mobile Toilettenhäuschen, Absperrungen. Nach einer Weile frage ich: 'Und was soll ich tun?' Schweigen. Dann Murmeln. − 'Ja, hm. Also die Deko. Die machen ja bei uns die Ehefrauen.' Und ein anderer: 'Dass Sie uns nicht falsch verstehen. Aber es hat sich halt so eingespielt. Es waren ja sonst keine, äh, Unternehmerinnen da.' Folgende Optionen: Sich kommentarlos der Ehefrauen-Dekorationsgruppe anschließen − nicht mein Modus. Jemand anders in die Ehefrauen-Dekorationsgruppe entsenden − aber wen? Meine Mutter? Eine Grundsatzdiskussion führen − hier nicht. Die sind nett. Ich habe Variante vier gewählt und einen Vorschlag unterbreitet. Ich habe gesagt, Deko ist nicht meins. Aber ich würde wohl Kaffee kochen, Kaffee für alle.
"Ich komme an den Frauenfragen nicht vorbei"
So ging es dann. So geht es, die Jahre hindurch. Es mag an den Büchern liegen, an mir selbst, auch daran, dass ich Akademikerin bin: Ich komme an den Frauenfragen nicht vorbei. Seit sieben Jahren nicht einen Tag. Dabei hat sich meine Einstellung kaum geändert. Ich fand und finde, Frauen gehört die Hälfte der Welt. Frauen sollen soviel (oder so wenig) verdienen wie Männer, und mit wem sie welche Kinder bekommen (oder auch nicht), ist Privatangelegenheit. Die Veränderung: Ich habe gelernt, Stellung zu beziehen, mich zu verhalten. Zu mir selbst, zu meinem Leben als Frau in dieser Gesellschaft und auch abstrakt, weil ich mehr Öffentlichkeit habe als die meisten Frauen.
Was muss sich ändern?
Ich kann das nicht ausführlich diskutieren, denn Frauenfragen sind zu wichtig, um sie pauschal zu beantworten. Vielleicht fängt es damit an: Sich einzugestehen, dass es keine einfachen Antworten gibt. Was ich hier schreibe, bezieht sich auf ein ländliches Milieu in Ostwestfalen. Berufsberatung ging bis vor wenigen Jahren so: Such dir was, das schön in Teilzeit funktioniert. Der Kindergarten macht um zwölf Uhr zu. Abstrakt: Bereite dich auf ein Leben mit dir selbst, einem Hauptverdiener und euren beiden Kindern vor. Hoffentlich werdet ihr ein Haus bauen, möglichst bei den Schwiegereltern im Garten. Dieses Bild hat weder mit meinem Arbeitsalltag noch mit der Realität von heute viel zu tun. Aber es sitzt drin, und Prägungen sind hartnäckig. Manch ein Konflikt lässt sich vermeiden, wenn man befremdliches Verhalten in diese mentale Schublade packt: Später schön in Teilzeit. Ehefrauen-Dekorationsgruppe. Schublade auf, Zeug rein, vergessen. Seelenhygiene.
"Es gibt aber Situationen, da geht das nicht"
Ich unterteile sie in zwei Bereiche: Körper und Konflikt. Ich kann es nicht leiden, wenn Kunden sich über mein Erscheinungsbild verbreiten. Es ist kaum je die Rede davon, wie so ein Steuerberater, Bankmann, Handwerker oder Einzelhändler gewandet ist. Ab bei mir. Trägt sie Rock, trägt sie Hose. Hat sie Schuhe mit Absatz an, läuft sie im Sommer barfuß, und, oh, das ist aber eine teure Jacke. Genauso, wie frisiert bin: Was hat es damit zu tun, wie ich meine Arbeit erledige? Ob ich zwei Kilo mehr oder weniger wiege, ob ich wirklich etwas blass bin, weil ich schon wieder den ganzen Sommer am Schreibtisch sitze: Was schert es die Leute? Ich könnte auch hier meine Schublade öffnen, den ganzen Unsinn hineinstopfen und vermodern lassen. Nur: Ich will nicht. Wenn ich nicht darüber reden will, warum ich Augenringe habe, sage ich: Das geht Sie nichts an! Ein Vorteil der Selbständigkeit ist ja, ich kann das. Ich kann sagen, auch auf die Gefahr hin, dass Kunden beleidigt sind − Stop. Hier ist meine Grenze. Zusammengefasst: Liebe Kolleginnen, ziehen Sie Grenzen, wo es körperlich wird, für sich selbst und Ihre Mitarbeiterinnen. Das ist für mich kein Feminismus, das ist eine Selbstverständlichkeit.
Zweiter Bereich, Konflikt. Geschäftsleben ist nicht immer kuschelig. Es gibt Situationen, in denen ich die Belange des Unternehmens, also meine, durchsetzen sollte. Das ist mein Job. Ich kann ganz gut verhandeln, ich mache das auch gern. Aber ich habe gelernt, dass Männer Frauen nicht gern Recht geben. Schön in Teilzeit passt schlecht zusammen mit einer Frau, die sich durchsetzt. Neben vielen Männern, die sich angemessen verhalten, fallen ein paar immer wieder aus der Rolle. Ein extremes Beispiel, hier vor Gericht. Der Richter fragt mich, ich gebe eine Sachantwort. Die andere Partei, ein Mann: Herr Richter. Unter uns. Schauen Sie sich das Mädchen an. So ein Bücherlädchen, sowas Albernes. Dagegen meine Frau. Zwei Kinder, Teilzeitsekretärin. Perfekt! Ich zitiere den Eklat ausführlich, weil er kein Einzelfall ist. Das sicherste Indiz, dass man sich durchsetzt: Die Gegenseite wird unsachlich. Pöbelt. Wie geht man damit um? Erstmal, ganz wichtig, den Schwachsinn an sich ablaufen lassen. Das ist nicht einfach, aber man kann es üben. Man kann lernen, eine Situation innerlich so weit zu verlassen, dass man von außen sieht − aha, der Gorilla. Da dröhnt er rum und rappelt an den Käfigstangen. Und dann, Stufe zwei: Nie vergessen. Immer neu und lautstark drüber reden. Ich hatte über die Jahre manch einen ekligen Konflikt, den ich hätte persönlich nehmen können. Aber wozu? Keiner hat das Recht, dich zu beleidigen. Das ist der wichtigste Rat, übrigens erteilt von einem Mann, von einem Kollegen Buchhändler. Verteidige dich. Geh zum Anwalt, geh zur Polizei. Keiner hat das Recht, Frauen zu beleidigen, ihre geistigen Leistungen, ihre Körperlichkeit, überhaupt gar nicht. Punkt.
"Die Buchbranche ist frauenpolitisch eher in Ordnung"
Hier arbeiten überproportional viele Frauen, zunehmend auch in Führungspositionen. Dennoch: Was ich oben ausgeführt habe, der Chauvinismus, das schrille Rumgeflippe, das gibt es bei den Bücherleuten auch. Es ist nicht so derb wie hier in Ostwestfalen; Gott sei Dank. Aber es gibt subtile Formen der Frauenverachtung, denen man sich getrost verweigern kann. Ich will sie zusammenfassend 'Herumgeonkel' nennen. Schön abzulesen an Formulierungen wie junge Frau. Mein liebes Fräulein. Madame. Die Antwort: mein Name ist Bergmann, und ich kann die Jahreskonditionen gut allein aushandeln. Mehr muss ich gar nicht sagen, und schon rappelt es irgendwo im Karton. Ich kann dann denken, och ja, Schublade auf, Typ rein. Ich kann aber auch dem Rat des Kollegen folgen und sagen: Lassen Sie mich in Ruhe. Und meine Kolleginnen gleich mit. Die sind vielleicht nicht so deutlich sind wie ich. Aber sie verfolgen aufmerksam, was Sie mir im ewig aufbewahrenden Internet verehren.
Frauen gehört die Hälfte der Welt. Und dass man immer noch und immer neu diese Hälfte verteidigen, dass man zeigen muss − hier sind wir! Und wir sind genauso gut (oder schlecht) wie die männlichen Kollegen: Das ist dann wohl so. Überhaupt kein Grund, um aufzugeben.
Das ist eben der Westen, aus dem ich stamme!! Arnsberg/Westfalen war meine Heimat.
Seit 25 Jahrem bin ich im Osten und zwar jetzt seit fast 10 Jahren in Leipzig.
Bis zu meiner Altersteilzeit war ich Geschäftsführer einer Abrechnungsgesellschaft in Halle an der Saale. Meine Mitarbeiter/innen waren zu 90% Frauen. Und zwar taffe Frauen. Das scheint hier eben mal anders zu sein als in meiner alten Heimat. Da kann der Westen sehr, sehr viel vom Osten lernen. Hier werden die Frauen wirklich ersnt genommen!! Ihr Bericht ist leider die noch immer pure Wahrheit. Ich hoffe trotzdem, es ändert sich. Schauen wir nach Berlin, wir haben seit Jahren eine Bundeskanzlerin und es geht uns sehr, sehr gut!!!
Ihnen weiterhin viel Erfolg. Und zeigen Sie Ihren Männern wie es geht!!!