Ich kann gut Geschenke einpacken. Auch schnell. Also fließbandmäßig bunte Quader schnüren und deren Inhalt abkassieren. Ich kann außerdem Computer. Ebenfalls zügig. Drittens habe ich einen Tresen bauen lassen, der meiner Körpergröße entspricht. Das ist mein Weihnachtssystem. Bibliographieren, empfehlen, einpacken, kassieren. Haltungsschäden vermeiden. Ich hatte mal ein Headset; das hat mir auch gut gefallen. Aber Kunden fanden das blöd. Wir sind ja nicht im Call Center. Wir sind in unserem Bücherladen, wo alle herumhängen und viel erzählen und erwarten, dass ich gespeichert habe, wer wem in dieser Großfamilie welchen Kriminalroman geschenkt hat. Letztes Jahr, Sie wissen doch, wo wir uns am zweiten Feiertag - nee, weiß ich nicht. Es gibt bei mir ein Datenschutz-Angebot, das ist sicherer als jedes Antivirenprogramm. Ich merke mir nämlich nicht, wer mit wem worüber gestritten hat. Ich denke manche Weihnachten, das ist mein eigentlicher Service - Sie erzählen mir Ihren Familienkäse. Und ich vergesse den für Sie.
Ich vergesse aber noch etwas. Jedes Jahr, zuverlässig. Ich vergesse, wie anstrengend der Dezember ist. Ich bin im Dezember eine Weihnachtsmaschine: Bibliographieren, empfehlen, einpacken, kassieren. Familiengeheimnisse nicht merken. Bücher bestellen, Bücher nachfüllen, Hindernisse mit Geschichten zu einem Erlebnis umbauen. Meldeschlüssel 15 ist langweilig. Viel besser klingt: Das Buch muss für Sie beim Verlag nachgefragt werden. 80 ist auch nicht schick. Besser: Das Buch wird gedruckt. Es ist fast noch warm, wenn es hier eintrifft. Wirklich. 7 kenn ich nicht. Vergriffen? Nee. Also, hm. Das wird irgendwann bestimmt wieder aufgelegt, und in der Zwischenzeit kaufen Sie einfach dieses Exemplar von "Heimische Vögel am Gartenzaun". Da sind auch Rotkehlchen und Blaumeisen drin.
Dezember ist eine Übung im Umlenken. Man muss den Spagat hinbekommen, jedem Aufmerksamkeit zu geben und dabei den Umsatz im Auge zu behalten. Weggeleite und Hosentaschen-Adventskalender und Schutzengel in Cellophan sind nette Aufmerksamkeiten. Ich pack die auch jeweils einzeln ein; kein Problem. Aber bitteschön zu morgen früh. Hinter Ihnen stehen nämlich schon wieder drei Leute. Überhaupt die Kleinigkeiten. Es gibt Kundengruppen, die schalten sechs Wochen vor Jahresende in den Diminutiv. Durchgängig. Es geht dann nur noch um Sächelchen und Niedlichkeiten, um kleine Geschichten und Heftchen. Handgeschrieben, eingerollt. Plätzchenrezepte in Sütterlin mit Wachswappen und Schleife. Teelichter von glücklichen Bienen, Wichtel mit Filzhut und - egal. Wir führen diese Artikel und verkaufen sie ordentlich. Ich meine nur, Non-Books sind auch Gegenstände des Buchhandels. Aber sie sind nicht die hauptsächlichen Artikel.
Wenn es eine Zeit gibt, in der man sich beweisen kann als Anbieter von Inhalten: Dann wirklich Weihnachten. Da kann man punkten mit den Lektüren eines Jahres, mit den unverhofften Funden, den Lieblingsbüchern, auch mit bibliophilen Kostbarkeiten. Ich lese das ganze Jahr alles mögliche, eher für mich als mit großem Berufsethos. Dass es Spiegel-Bestseller gibt, Kampagnen für Stapeltitel, durchaus geglückte Inszenierungen in Büchersendungen: Weiß ich. Kommt hier auch an. Scheint mir aber nicht das Kerngeschäft des unabhängigen Sortimentsbuchhandels zu sein. Wer die Westermann- und Scheck-Highlights will, kauft sie ohnehin. Hoffentlich bei mir, ich pack sie auch schön ein, mit Schleife drum. Ich will aber lieber von den Büchern reden, die mich beschäftigt haben. "Das deutsche Krokodil" von Ijoma Mangold hat mich begleitet, Nils Minkmars "Geheimes Frankreich", von Theresia Enzensberger "Blaupause". Jana Hensels "Keinland" hing mir lange nach, auch das trotzig selbstbewusste Provinzbuch von Alina Herbing im Frühjahr ist nicht vergessen. Wir hatten Besuch von Susan Kreller, deren "Pirasol" für mich der feinste Text zum Umgang mit alten Menschen ist. Yvonne Schymura hat ihre Biografie von Käthe Kollwitz vorgestellt, deren handwerkliche Gründlichkeit sich wohltuend unterscheidet von manchem Reißbrett-Lebenslauf, und ich war angefasst von den Kriegsbriefen von Elisabeth Hömberg, der kanadischen Ehefrau eines Münsteraner Historikers.
Außerdem habe ich sehr viele Kochbücher durchstudiert. Schöne bunte Bilder und die Illusion, ich würde das alles irgendwann zubereiten. Immerhin, ich habe einen Herd bestellt. Er wird in der letzten Adventswoche aufgebaut, und darauf freu ich mich die ganze Zeit. Liebe Kollegen, seien Sie auch nett zu sich selber. Das Weihnachtsgeschäft ist ökonomisch wichtig, und es macht Ihnen hoffentlich ein bisschen Spaß. Der Sinn des Ganzen ist aber nicht, dass Sie Heiligabend erschlagen unterm Christbaum liegen. Dienstleister sind auch Menschen: Sie, ich, all die Bücherwagenfahrer und Kurierdienstmenschen. Lassen Sie sich nie die Gewissheit nehmen, dass Sie gute Arbeit leisten. Sie können so viel, das der Online-Handel nicht bietet. Zeigen Sie diese Stärken, und dann feiern Sie schöne Weihnachten!