Kommentar zum VG-Wort-Urteil des BGH

Die Rechtsgrundlage ist eiligst nachzuliefern

26. April 2016
Redaktion Börsenblatt
Dass eine bewährte Praxis der richterlichen Prüfung nicht standhält – diese Erfahrung mussten VG Wort und Verlage in Karlsruhe machen. Jetzt müssen sich Berlin und Brüssel beeilen, eine gesetzliche Grundlage für die Verlegerbeteiligung zu schaffen. Ein Kommentar von Börsenblatt-Chefredakteur Torsten Casimir.

Kann eine Praxis, die über Jahrzehnte ohne Einwände geübt worden ist, gleichwohl von Gerichten als rechtswidrig eingestuft werden? Wie man sieht: Sie kann. Im Rückblick mag es als politisch leichtfertig erscheinen, dass mehrere Justizminister das Ausschüttungsverfahren der VG Wort für überlebensfähig hielten, obwohl bereits deutliche Zweifel daran laut geworden waren. Das Prinzip »Wo kein Kläger, da kein Richter« funktionierte nur, bis ein Kläger kam, sah und siegte. Nun ist in der Politik höchste Eile geboten, jener Praxis, die ja von breitem Konsens getragen wird (Monika Grütters, Heiko Maas, Günther Oettinger!), endlich ihre solide rechtliche Basis zu verschaffen.

Mit Hochdruck müssen Berlin und Brüssel gesetzlich nachbessern und festlegen, dass Verleger an den Ausschüttungen von Verwertungsgesellschaften beteiligt werden können. Über den elegantesten Weg dahin gibt es noch unterschiedliche Vorstellungen. Manche favorisieren ein eigenes Verlegerrecht, andere sprechen sich für klarstellende Formulierungen seitens der nationalen und europäischen Gesetzgeber aus. Jedenfalls hat die Politik nun Gelegenheit, zu belegen, dass neben inhaltlichem Wollen auch ein Umsetzungswille waltet. Verfahrensverlängerungsvirtuosen, die in großen Verwaltungen optimale Lebensbedingungen vorfinden, sind gerade mal nicht gefragt.

Die Praxis der VG Wort unterstellt ein Solidarverhältnis zwischen Autoren und Verlagen. Erst durch den Kläger, der selbst Autor ist und sich hier erstaunliche Realitätsferne leistet, wird das Solidarische pauschal bestritten – mit einiger öffentlicher Resonanz. Das gibt zu denken. Offenbar gehört es zu den nicht enden wollenden Aufgaben von Verlagen, immer wieder darzutun, welch essenziellen Anteil sie am Zustandekommen von Wortwerken haben. Was aus Sicht der Branche jedermann einleuchten sollte, wird draußen vielfach nicht gesehen. Oder aus anderen Gründen in Abrede gestellt.

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