Heinrich Riethmüller skizzierte vorab noch einmal den umfassenden Vorstandsbeschluss, der am Vortag bereits im Sortimenter-Ausschuss diskutiert worden war. Zwei Punkte von sieben: Für Buchhändler soll künftig eine monatliche Grundgebühr von 20 Euro anfallen - und bis zum Jahresende müssten 1.000 Buchhändler die Plattform nutzen, damit sie profitabel betrieben werden kann (derzeit 800 Buchhändler, Defizit 2016: mehr als 300.000 Euro). Grundsätzlich sehe auch der Vorstand das Portal buchhandel.de, das erst 2014 einen Relaunch bekommen hat, als wichtige Plattform zur Stärkung des lokalen Buchhandels, so Riethmüller – mit dem Beschluss wolle man deutlich machen, dass man nicht einfach den Rotstift ansetze bei einem Projekt, das für den Buchhandel von Bedeutung sei.
Dazu kam aus der Mitgliedschaft allerdings auch deutliche Kritik: Letztlich werde dem Sortiment auf diesem Weg der "Schwarze Peter" zugeschoben. „Wenn wir ehrlich sein wollen, muss es heißen: Beschluss des Vorstandes zur Einstellung von buchhandel.de, nicht zur Weiterführung von buchhandel.de“, sagte Zwischenbuchhändler Jochen Mende (Prolit). Gleichzeitig überwog die Skepsis, ob ein weiteres Engagement des Buchhandels überhaupt sinnvoll ist. "Bevor wir jetzt Buchhandlungen dazu verpflichten, 20 Euro pro Monat zu zahlen, sollten wir es lieber ganz sein lassen. Warum sollten Buchhändler in ein Pferd investieren, dass ohnehin zusammenbricht?": So drastisch formulierte es Buchhändler Jörg Robbert, der mit dieser Position nicht allein war. Er dürfte allerdings auch nicht der einzige sein, der einen nachhaltigen Image-Verlust befüchtet, wenn buchhandel.de vom Netz geht.
"Wir betreiben buchhandel.de gerne, aber klar ist auch: Mit einer knappen Million Euro, die wir in zwei Jahren investiert haben, können wir keine Konkurrenz zu Amazon werden“: Das betonte MVB-Geschäftsführer Ronald Schild. Es sei nicht realistisch, den besten Webshop der Republik aufzubauen. Buchhandel.de sei eher eine Andockstelle für unentschlossene Buchkäufer, eine Verlinkungsplattform zu Institutionen wie Bibliotheken – und damit auch eine Chance auf Neukunden.
Manfred Keiper (die andere Buchhandlung, Rostock), mit seiner Buchhandlung selbst auf buchhandel.de vertreten, erinnerte noch einmal an das Ziel der Plattform: Politischer Wille sei es gewesen, die Vielzahl der Webshops im Buchhandel abzubilden. Diesen Zweck könne jedoch auch ein Buchhandelsfinder erfüllen, der Zugriff auf alle Shoplösungen des Sortiments biete – eine Lösung, die der Vorstand jetzt mit in die Weiterarbeit am Thema buchhandel.de nehmen will.
Dass es unter dem Dach der branchenweiten Kampagne Vorsicht Buch! längst einen solchen Buchhandelsfinder gibt – darauf wies Verlegerin Reinhilde Rupprecht hin. Sie appellierte an die Verlagskollegen, den Buchhandelsfinder auf ihre Website einzubinden: "Das ist ein schickes Logo – und Sie unterstützen damit das Sortiment."
Die Diskussion um buchhandel.de weitete sich zwischendurch auch noch einmal zu einer grundsätzlichen Debatte über die Wirtschaftsaktivitäten des Börsenvereins. Unter anderem plädierte Jörg Robbert für eine stärkere Kontrolle durch die Mitglieder, nicht nur durch Vorstand und Aufsichtsrat. Sein Vorschlag: eine Interessengemeinschaft rund um die Belange der Börsenvereinsholding BBG zu gründen – für eine intensivere Begleitung der wirtschaftlichen Ausrichtung.
Vorsteher Heinrich Riethmüller unterstrich dagegen, es gebe wenige Verbände, die transparenter arbeiten würden als der Börsenverein. Im Sortimenter-Ausschuss sei immer wieder über buchhandel.de und VLB-TIX diskutiert worden. „Das Problem bei buchhandel.de ist: Es gibt sehr unterschiedliche Meinungen dazu.“ Aus Leipzig dürfe der Vorstand nun ein etwas klareres Stimmungsbild mit nach Hause nehmen.
Das ist wirklich unglaublich armselig angesichts der Investitionen. Wäre ja mal interessant zu erfahren, wieviele Bestellungen buchhandel.de denn insgesamt so pro Jahr generiert? Eine dreistellige Summe? Oder sollten es gar 1000 sein? Auf jeden Fall wird jede einzelne Bestellung vom Verband (den Mitgliedern) mit einer hohen Summe subventioniert ... und da zögert man ernsthaft, das Trauerspiel zu beenden?
Siehe http://etailment.de/thema/news/zalando-adidas-4195 (3. Artikel).
Heute erinnert sich wohl kaum noch jemand, was buchhandel.de einmal gewesen ist, bevor mit einem miserablen Relaunch eine Lawine von Verschlechterung und Sinnlosigkeit in Gang gebracht wurde. Für mich ein klarer Prioritätenfehler: Struktur, Information und content wurden als nachrangig bis entbehrlich behandelt, zugunsten der Darstellbarkeit auf mobilen Endgeräten wurde ersatzlos auf jeden Nutzen abseits eines uniformen Standard-Onlineshops verzichtet.
Aus gegebenem Anlass möchte ich noch einmal aufgreifen, was ich im Oktober 2014 - zum Zeitpunkt des ersten einer Reihe von unergiebigen Relaunchs - sehr ergrimmt feststellte:
>>"Buchhandel.de" war früher ein gutes Instrument für erstaunlich viele Zwecke. Mit überschaubaren relevanten Infos diente die Seite allen Suchenden als Orientierungshilfe und war ob ihrer Seriosität eine obligate Recherche-Website im verlegerischen, buchhändlerischen und buchaffinen Alltag. Unter anderem war es leicht, alle lieferbaren Titel einer Autorin oder eines Verlags abzurufen, bibliographische Details zu ermitteln, Titel zu Themen zu sondieren und Vieles mehr. Eine ziemlich geniale Servicefunktion, die weit und breit nicht ihresgleichen hatte.
Der "Relaunch" hat das ein für allemal beendet. Die Seite ist jetzt als Recherche-Website komplett dysfunktional. Der "neue Auftritt" von Buchhandel.de ist einfach nur stumpf kommerziell, im Vergleich zu vorher extrem intransparent, geradezu abschreckend, und zudem gesichtslos-beliebig (eine der zahllosen Standard-Werbehomepages ohne jeden Mehrwert), dazu in den Suchmöglichkeiten mehr als beschränkt. Letzteres ist einfach unfassbar. Es GIBT ja nicht mal mehr eine Schlagwortsuche oder überhaupt irgendeine Detailsuche, in der man z.B. thematisch oder nach Verlagen suchen oder nach Erscheinungsterminen sortieren könnte - und das angesichts der fortschreitenden technischen Möglichkeiten! Das ist wirklich absurd!
Ich habe die Seite aus meiner Lesezeichen-Symbolleiste entfernt, denn ich kann sie nicht mehr gebrauchen und schon gar nicht mehr empfehlen. Tragisch das!<<
Seitens engagierter Buchhändler/innen und vor allem kleiner und unabhängiger Verlage gab es dann explizit scharfe Kritik an der "neuen" (bzw. nicht mehr existenten) Suchfunktion, auf die Herr Schild damals entgegnete, sie werde "vor allem von Verlagen und Bibliotheken kritisiert ... aber kaum von Buchhändlern und Endkunden." Insgesamt wiegelte der Börsenverein die heftige Kritik weitgehend ab und rühmte stolz sein "Responsives Design für eine optimierte Darstellung auf allen Endgeräten". Als sei es das einzig Wichtige, App- und Smartphone-fähig zu sein - wohlgemerkt in der Buchbranche -, während es keine oder höchstens eine untergeordnete Rolle spielt, was für content man anbietet ... ganz zu schweigen von einer seriösen Recherche-Instanz oder gar einem kostenfreien (Gott bewahre!) Tool zur Orientierung im Bücherdschungel. Dabei wäre eine solche Service-Kombination wirklich mal etwas gewesen, was nur der Börsenverein leisten konnteund womit er sich wahrhaft verdient, wenn nicht sogar unverzichtbar gemacht hätte.
Für mein Gefühl haben die 2014 für den Umbau Verantwortlichen nicht nur uns allen – auch den Leser/innen – ein wertvolles Online-Werkzeug weggeschossen, sondern auch dem Zeitgeist zuliebe des Börsenvereins konkreteste und greifbarste Chance geopfert, mit einem seriösen und nützlichen Internetauftritt eine im ganzheitlichen Brancheninteresse gut geführte Plattform zu erhalten (ja, man hätte sie nur erhalten müssen, nicht das Rad neu erfinden).
Schade, sehr schade ... Nun kommt die Quittung.
Ja, klar!
Das hört sich in meinen Ohren nach einer absolut genialen Idee an ...
*g*