Der kubanische Aufschwung kommt nicht voran. Die ohnehin darbende Wirtschaft stagniert, im Vorjahr war das Wachstum sogar negativ (minus 0,9 Prozent). Ob sich die Träume von gedeihlichen Wirtschaftsbeziehungen zum großen Nachbarn USA erfüllen, ist mehr als ungewiss. Ausländische Investoren werden überdies von den Vorgaben der Regierung in Havanna abgeschreckt. Denn für jeden Angestellten kassiert zunächst der kubanische Staat. In Lateinamerika aktive Verlage wie Planeta und Random House, die an einem Investment in Kuba durchaus interessiert wären, scheuen auch deshalb bislang vor dem Abenteuer zurück.
Staat teilt Papier zu
Die kubanische Verlagsindustrie, die sich komplett in staatlicher Hand befindet, trifft die desolate Wirtschaftslage im Land besonders hart. Die einzelnen Häuser werden zwar subventioniert, damit die Bücher für die Kubaner erschwinglich bleiben. Die finanzielle Unterstützung fällt jedoch zusehends geringer aus. Auch deswegen leiden die Verlage immer wieder unter eklatanten Engpässen. Mal fehlt es an der Tinte oder die Computer sind defekt. Häufig ist einfach kein Papier da. Ein Verlagsprogramm lässt sich so nur schwerlich planen. Autoren in Kuba haben sich notgedrungen daran gewöhnt, dass es lange dauern kann, bis ein schon avisiertes Buch erscheint. Hinzu kommt: Das Papierkontingent wird von staatlicher Seite zugeteilt.
Fidel Castro über alles
Im Kuba dieser Tage kommt es vor allem einem Autor zu Gute: Fidel Castro. Auf der Buchmesse in Havanna (9. bis 19. Februar) ist der verstorbene Übervater der Revolution omnipräsent. Jeden Tag gibt es Veranstaltungen, die den Maximo-Líder feiern. Auf der kostenlosen Messezeitung prangt ein großes Foto des jungen Castro, der in ein Buch vertieft ist. Daneben steht: „Zur Buchmesse gilt unser erster Gedanke Fidel, der immer gefordert hat, dass das kubanische Volk lesen soll.“
Nun scheint es so, als soll es vor allem Fidel Castro lesen. Der greise Politiker hatte noch kurz vor seinem Tod verfügt, dass ihm keine Denkmäler errichtet werden und dass keine Straßen nach ihm benannt werden sollen. Die Heldenverehrung nimmt also andere Wege. Es gibt eine wahre Flut von Castro-Büchern. Ein Titel heißt „Das Kind Fidel“, ein anderer „Wörterbuch zum Denken Fidels“, selbst ein Comic feiert den Revolutionsführer. Ohnehin bieten die sonst oft nur spärlich bestückten Buchhandlungen Revolutionsliteratur en masse. Angeblich sind vor allem die Titel Fidel Castros so beliebt, dass sie immer wieder nachgedruckt werden. Ein Glück, das anderen Büchern kaum beschieden ist.
Immerhin hält das unberechenbare und undurchsichtige Publikationssystem auch positive Überraschungen bereit. Die in Lissabon lebende kubanische Schriftstellerin Karla Suarez, die jedes Jahr zu Besuch nach Havanna kommt, hatte die Hoffnung beinah schon aufgegeben, dass ihr wohl radikalster Roman „Havanna – año zero“ auch in Kuba erscheinen würde. Immer wieder wurde sie vertröstet. Aber die energische Autorin sagt: „Ich bestehe darauf, hier veröffentlicht zu werden. Die kubanischen Leser sind einfach mein natürliches Publikum.“ Vor einigen Wochen ist „Havanna – año zero“ nun tatsächlich erschienen, fast ein Jahr nach dem angekündigten Termin. Beim Gang über die Buchmesse nutzt Karla Suarez die Gelegenheit und kauft gleich zehn Exemplare – für Freunde, sagt sie erklärend. Die Autorin weiß: Die Messezeit ist die beste Gelegenheit für Buchkäufe. Denn die festgelegten Auflagen von 2000 bis 3000 Exemplaren sind im nach wie vor lesefreudigen Kuba rasch verkauft. Während einige Buchhandlungen im Februar durchaus gut bestückt sind, bieten sie während der übrigen Monate oft einen trostlosen Anblick.
Auch deshalb scheint sich ganz Havanna Jahr für Jahr auf den Weg zur Buchmesse zu machen, die traditionell in der alten Festung Cabaña abgehalten wird, die über der Hafeneinfahrt thront. Einmal mehr sind die Schlagen vor den Toren der Festung lang. Und wie gewohnt drängen sich die Menschen auch vor den Verlagsständen, die einladend in den Gewölben zwischen den Festungsmauern untergebracht sind. Die stimmungsvolle Messe hat Volksfestcharakter.
Deutscher Gemeinschaftsstand
Die Frankfurter Buchmesse organisiert seit den 80er Jahren in Zusammenarbeit mit der deutschen Botschaft in Havanna und dem Goethe-Institut einen deutschen Gemeinschaftsstand, mitfinanziert durch das Auswärtige Amt. Zur Kollektion, die einen Überblick über die aktuelle Produktion vermittelt, zählen, Wörterbücher und Lernhilfen, Kinderbücher, Gegenwartsliteratur. Am beliebtesten beim kubanischen Publikum sind auf der diesjährigen Messe Titel, die als schönste Bücher prämiert wurden, vor allem die „Naturkunden“ aus dem Verlag Matthes und Seitz. Doch die größte Aufmerksamkeit finden zwei Bücher aus dem Ch. Links Verlag. „Abschied vom Mythos: Sechs Jahrzehnte kubanische Revolution“ und „Revolutionen: Ein historisches Lesebuch“ werden gleich zu Beginn der Buchmesse von Sicherheitsleuten konfisziert. Kritik an der Revolution wird in Kuba nicht geduldet.
Zusätzlich brachten die Deutschen in diesem Jahr 50 Exemplare von Jenny Erpenbecks „Heimsuchung“ in spanischer Übersetzung mit nach Havanna. Einzig die Autorin kam nicht zur Präsentation, sie steckte auf dem New Yorker Flughafen im Schneesturm fest. Immerhin schaffte sie es rechtzeitig einige Tage später zur Vorstellung ihres jüngsten, noch nicht ins Spanische übersetzten Romans „Gehen, ging, gegangen“ an der Universität in Havanna.