#yeaward15 – die Kandidaten (8/10)

Selma Wels: A turkish heart with a german soul

29. September 2015
Nils Kahlefendt
Die Shortlist für den Young Excellence Award 2015 steht. boersenblatt.net stellt Ihnen die zehn  Kandidaten vor. Heute: Selma Wels (*1979).

Diese Geschichte ist so gut, dass sie eigentlich von Fatih Akin verfilmt werden müsste: Im Herbst 2010 beschließen Selma Wels (*1979) und ihre ältere Schwester Inci Bürhaniye, einen Verlag zu gründen, der sich ausschließlich zeitgenössischer türkischer Literatur widmen soll. In deutscher Sprache, versteht sich. Über Weihnachten wird der Businessplan geschrieben, im April 2011 heben die Seiteneinsteigerinnen (Selma hat BWL studiert, Inci Jura) ihren ersten Banktermin. Im März 2012 stellen die  Schwestern die ersten vier Titel des binooki Verlags zur Leipziger Buchmesse vor. Und dann geht’s sehr schnell: Interviews über Interviews, ein halbes Jahr nach dem ersten öffentlichen Auftritt heimst binooki mit seinem Foto-Contest #berlinliestbinooki den Virenschleuderpreis für die beste Social-Media-Kampagne ein. Wiederum nur sechs Monate später folgen in Leipzig der Kurt-Wolff-Förderpreis und der BuchMarkt-Award als Newcomer des Jahres.

Selma Wels, als Kind türkischer Eltern in Pforzheim geboren, ist gern beides: türkisch und deutsch. Wer wie sie multikulturell aufwächst, will sich nicht entscheiden. Ihren Verlag hat sie gegründet, weil sie ihre "beiden Heimaten durch Literatur verbinden" möchte. Das Motto des Verlags: "Achtung! Klischeefreie Zone". Bei binooki erscheinen Romane, Erzählungen, Krimis, Fantasy, Lyrik, Kinderbücher – gedruckt und als E-Book. Mit dem Band "Fragmente" von Emrah Serbes hat Wels in diesem Jahr ihre erste eigene literarische Übersetzung vorgelegt; künftig will sie pro Jahr ein Buch selbst ins Deutsche bringen. Im Mai als jüngstes Mitglied in den erweiterten Vorstand des Landesverbands Berlin-Brandenburg gewählt, möchte sie die Ansprüche der jungen Indie-Verlage im Börsenverein vertreten. Dass, wer sich einmischt, auch Nackenschläge aushalten muss, hat die junge Verlegerin schon erfahren: Ihre literarische Anthologie zu den Gezi-Protesten hat dazu geführt, dass binooki von der Türkei keine Übersetzungsförderung mehr erhält. Und auch hierzulande fällt man, da das offizielle Istanbul die Kulturvereinbarung der EU 2014 nicht unterzeichnete, schnell durchs Fördersieb. Einen Verlag, der ausschließlich von Übersetzungen lebt, kann das schnell in Schieflage bringen. Würde sich Selma Wels heute anders entscheiden? Nein: "Meine Verantwortung reicht über das Büchermachen hinaus."  

Hier geht es zur Shortlist des YEA 2015!

Weitere Kandidaten im Porträt:

Marguerite Joly
Simon Kurzenberger
Alessandra Trenkle
Torsten Woywood
Christina Esch
Andreas Hollender
Kristin Günsel