Die Sonntagsfrage

Was reizt Sie immer wieder am Motiv Buch, Herr Buchholz?

20. Juli 2015
Redaktion Börsenblatt
Spätestens seit seinem Cover für "Sofies Welt" sind deutschsprachigen Lesern die Illustrationen von Quint Buchholz vertraut. Durch das gesamte Schaffen des mit vielen Auszeichnungen bedachten Künstlers zieht sich das Buch als Motiv: Was fasziniert Sie so am Buch, dass Sie es schier unerschöpflich und immer wieder fantasievoll neu inszenieren, Herr Buchholz?

"Eigentlich hatte ich nach meinem 1997 bei Sanssouci erschienenen "BuchBilderBuch" ja gedacht, das Thema Buch für mich einigermaßen erschöpfend abgearbeitet zu haben. Aber dann kamen doch immer wieder neue Ideen zum Vorschein, von denen ich einige auch gemalt, die meisten aber lange nur noch als Skizzen in einer Mappe gesammelt habe.

Es gibt auch andere Gegenstände, Protagonisten, die in meinen Bildern seit vielen Jahren immer wieder auftauchen. Man kann ja nicht in einem einzigen Bild alles sagen über den Himmel, über Leuchttürme, über Löwen oder über die Liebe.

Und gerade was Bücher betrifft wandelt sich der Blick im Laufe der Zeit doch immens, nicht nur die Art, wie wir überhaupt lesen und wofür Bücher eine Bedeutung haben in unserem Leben, was wir in ihnen suchen. Jeder Leser kennt diese Erfahrung, was für unterschiedliche Dinge man in demselben Buch wahrnimmt, wenn man es in verschiedenen Lebensaltern liest. Und auch darüber, wie anders andere Menschen lesen, lernt man ständig dazu.

Dazu kommt, dass das Buch als sinnliches Objekt, als Gegenüber, als Gefährte, als Beschützer, als schönes Ding ja weiterhin eine große Anziehungskraft ausübt. Das hört ja nicht auf, und auch nicht die Lust, das Buch dann als solches in Bildern zu behandeln, zu malen.

Es war also kein Wunder, dass ich meine Geschichte mit den Büchern - und die all der anderen Leser, die ich erlebe - irgendwann noch einmal weitererzählen wollte. Dass das gerade jetzt passiert ist, hatte unter anderem auch mit meinem Verleger Michael Krüger, dem alten bewunderten Großkönig im Land der Bücher zu tun, der ja zum Jahresende seinen Platz räumen und die Leitung des Hanser Verlags an Jo Lendle übergeben wird. Ich habe diesem Verlag und seinem Verleger wirklich viel zu verdanken, nicht nur die unzähligen Buchumschläge und über zwanzig illustrierten Bücher, die wir in mehr als zwanzig Jahren gemeinsam gemacht haben, sondern auch alle möglichen Ideen, Anregungen, Freundschaften und nicht zuletzt die ganzen wunderbaren Bücher, die ich in diesem Haus gefunden habe und die mich begleiten.

Natürlich gibt es Phasen, in denen ich nur sehr wenig lese und oft viele vergebliche Anläufe unternehmen muss, bis ich ein für mich gerade richtiges Buch gefunden habe.

Und ich will auch gar nicht verschweigen, dass die ungeheure und weiterhin steigende Zahl der jährlichen Neuerscheinungen in mir gelegentlich eine Art Fluchtreflex auslöst. Bitte nicht schon wieder noch mehr neue Bücher! Wer soll das noch überblicken, wer soll das alles lesen können? Die ganze Branche - Autoren wie Verlage und auch der Buchhandel - leidet ja daran, dass die meisten dieser viel zu vielen Bücher inzwischen kaum noch irgendeine angemessene Aufmerksamkeit finden werden, bevor das nächste Programm sie schon wieder aus den Läden und aus dem Bewusstsein spült.

Aber dann gehe ich hier in meinem Viertel in eine der Buchhandlungen, stöbere, entdecke und unterhalte mich eine Weile, und wenn ich den Laden verlasse, habe ich drei neue Bücher in der Tasche, Ausblicke, Reiseversprechen, Verheißungen, ohne die ich nicht mehr sein möchte.

Das ist auch ein Grund für das neue Buch: von dem zu erzählen, was nur Bücher uns sein können, auf andere Weise als alle anderen Medien. Von den Freiräumen, die sie dem Leser eröffnen und lassen, von Ermutigung und Trost, vom Duft frisch bedruckten Papiers, von schönen Umschlägen, die man unbedingt streicheln muss, von geschenkter Zeit, von Versenkung und Ruhe und Konzentration. Vom Leben und Lesen im eigenen Tempo. Was für ein Geschenk, gerade in diesen flimmernden und piepsenden Zeiten! Sofern man das Handy und den Computer für eine Weile stummschaltet.

Als ich als Student hier in Haidhausen gelebt habe, Mitte der siebziger Jahre, gab es nur einen Kiosk am Max-Weber-Platz, der auch ein paar Taschenbücher verkaufte, und später mit dem alternativen 'Trampelpfad' die erste richtige Buchhandlung überhaupt im Viertel.

Heute gibt es eine ganze Menge meist eher kleiner, aber sehr charaktervoller Bücherläden, alle mit einem ganz eigenen Gesicht und mit immer sehr besonderem Sortiment. Der jüngste, vor kaum einem Jahr eröffnet, liegt nur ein paar Häuser von meinem Atelier entfernt.

Auch das ist eine Büchergeschichte, und sie geschieht in diesen Zeiten."