Susanne Helene Becker, die Vorsitzende des AkJ gratulierte allen Nominierten und ihren Verlagen zu ihrem Erfolg. Sie wies darauf hin, dass die Jurys in diesem Jahr über 600 Titel geprüft haben. "Und das Jahr hat nur 365 Tage", so Becker. "Diese Leseleistung und das sichere Gespür, die besten Bücher des Vorjahres herauszufiltern beeindruckt mich jedes Jahr aufs Neue", sagte Becker.
Die Bekanntgabe der Nominierten für den Deutschen Jugendliteraturpreis sorgte inhaltlich und formal in diesem Jahr für einige Überraschungen. Auch der Ablauf wurde auf den Kopf gestellt: Die Ehrung der Kranichsteiner Jugendliteratur-Stipendiaten (in diesem Jahr sind das Que Du Luu für ihren Roman "Im Jahr des Affen" (Königskinder) und Michael Sieben für sein Jugendbuch "Ponderosa" (Carlsen) fand nicht wie gewohnt vor halb leeren Rängen am Ende der Veranstaltung statt, sondern vor großem Publikum ganz am Anfang. Grund dafür war der Wunsch der Organisatoren, den Spannungsbogen hin zum 2017 erstmalig zu verleihenden Sonderpreis "Neue Talente" am Ende zu erhöhen.
Eine Chance für die jungen Autoren
Zum ersten Mal wird in diesem Jahr der mit 10.000 Euro dotierte Sonderpreis "Neue Talente" vergeben, für den drei Autoren nominiert wurden, die am Beginn ihrer schriftstellerischen Laufbahn stehen und 2016 ein erstes herausragendes literarisches Werk vorgelegt haben: Mario Fesler mit "Lizzy Carbon und der Klub der Verlierer" (Magellan), Verena Reinhardt mit "Der Hummelreiter Friedrich Löwenmaul" (Beltz & Gelberg) und Ulla Scheler mit "Es ist gefährlich, bei Sturm zu schwimmen" (Heyne fliegt). "Wir wollen mit dem Preis für junge Talente vielversprechende Werke und ihre Schöpfer ins Rampenlicht holen, Bücher, die es als Debüt besonders schwer haben, Aufmerksamkeit und Leserinnen zu finden. Dafür muss noch nicht alles perfekt sein, nicht jedes Wort da sitzen, wo es hingehört, nicht jeder Charakter völlig in sich stimmig sein", so der Vorsitzende der Sonderjury, Ralf Schweikart. "Aber wir sind uns in unseren Entscheidungen einig: Es handelt sich um Talente, auf deren weiteren Werdegang wir äußerst gespannt sind – weil wir davon überzeugt sind, dass diese Autorinnen und Autoren die Kinder- und Jugendliteratur bereichern können, mit den nominierten Titeln und denen, die hoffentlich noch dazukommen." Der auf Personen ausgerichtete Preis soll im jährlichen Wechsel an Autoren, Übersetzer und Illustratoren vergeben werden.
Schweikart erntete mit seinen witzigen Präsentationen der drei Nominierten besonders viel Applaus. "Ich kenne nur zwei von den nominierten Büchern, aber ich finde es toll, dass es so etwas jetzt gibt", sagte unmittelbar nach der Veranstaltung Sven Puchelt von der Buchhandlung LiteraDur in Pfinztal-Berghausen zum erstmals zu verleihenden Sonderpreis "Neue Talente". Diese Art zusätzlicher Förderung fand auch bei den anderen anwesenden Sortimentern viel Zustimmung: "Es ist wunderbar, dass so ein Sonderpreis ausgeschrieben ist. Ich mag es auch, dass man Wert darauf legt, dass junge Autoren eine Chance bekommen, unterstützt zu werden. Ich bin ein Fan vom 'Hummelreiter' und ich finde, die Begründungen wurden von der Jury sehr gut und mit viel Wertschätzung vorgetragen", sagte Kerstin Hanne von der Krumulus Buchhandlung in Berlin.
Dass der Preis ausschließlich an deutsche Talente gehen wird, störte hier nicht. Allerdings wurde eine gewisse Doppelung zur Förderung durch den Deutschen Literaturfonds registriert: "Ich finde das Kranichsteiner Jugendliteratur-Stipendium greifbarer", sagte beispielsweise Wiebke Schleser vom Berliner Kinderbuchladen Buch-Segler. "Man muss jetzt mal abwarten, wie sich dieser neue Sonderpreis entwickelt", so Schleser, die wie ihre Kollegen grundsätzlich befürwortet, dass der Nachwuchs gefördert wird und damit Zeit bekommt, konzentriert an weiteren Texten zu schreiben.
Die Helden müssen Mut beweisen
Aus den mehr als 600 Titeln hat die neunköpfige Kritikerjury in jeder Sparte ihre sechs Favoriten gewählt. Vorsitzende Birgit Müller-Bardorff hob die "Abenteuerbücher im ganz klassischen Sinn wie auch in einer modernen Form" hervor: "Ihre Protagonisten müssen Mut beweisen und sich zurechtfinden in Situationen, die sie vor neue Herausforderungen stellen." Manchmal würden sie dabei sogar zu Superhelden. "Da gibt es im Kinderbuch den Angsthasen, der auf einmal zum Krokodil-Dieb wird und im Bilderbuch den kleinen Jungen, der in der Welt des Hieronymus Bosch einer gefährlichen Kreatur begegnet. Eine Gorilladame begibt sich auf Weltreise, um einen Mord aufzuklären, während ein Mädchen an einem Tag im Krankenhaus entdeckt, dass das Risiko zum Leben und zur Liebe dazugehört", fasste die Juryvorsitzende mit Blick auf die Bücher zusammen. "Im Jugendbuch haben die Briefe an das ungeborene Kind der Schwester kathartische Wirkung für einen Heranwachsenden, und Jugendliche in einem Land, das im Umbruch ist, müssen ihren Platz in einer traditionsbewussten Gesellschaft finden", nannte sie zwei Beispiele. Bei den Sachbüchern ginge es darum, "einen kühlen Kopf zu behalten" und beispielsweise den Fleischkonsum des Menschen unter verschiedenen Gesichtspunkten zu betrachten.
Jugendliche mit Interesse an realistischen Büchern
Zwei Titel der Kritikerjury überschneiden sich in diesem Jahr mit den Nomierungen der Jugendjury: Tamara Bachs "Vierzehn" (Carlsen) und Sarah Crossans "Eins" (mixtvision). Die Jugendjury, die aus sechs Leseclubs besteht, hat sich durch rund 250 Jugendbücher gearbeitet. Ihre Nominierungen zeigen durchweg das Interesse der jungen Leser an realistischen Jugendbüchern, die sich sämtlich mit der ersten Liebe beschäftigen. Sensibel verknüpfen die Autoren die Liebesgeschichten mit existenziellen Themen wie Krankheit, Familie, Freundschaft oder Homosexualität und wählen überraschende Formen wie poetisch-lyrische Bewusstseinsströme, Prosagedicht oder E-Mail-Roman.
Zahlreiche Anregungen zum Weiterdenken boten die Präsentationen der Nominierten durch die Jugendjuroren: So trug eine Schülerin ein T-Shirt mit der Meta-Aufschrift "Lies Bücher - keine T-Shirts!". Auffallend war die Begeisterung der vielen schauspielerisch begabten Laudatoren für das realistische Jugendbuch. Fantasy und Dystopien sind bei den Leseclubs zurzeit völlig out. Dafür sind die Begründungen der jungen Juroren umso exakter. Zu Tamara Bachs "Vierzehn" erklärten die Jugendlichen: "Sie schreibt kurze stakkatoartige Sätze (...) Ungewöhnlich war, dass jeder von uns das Buch mochte, aber aus unterschiedlichen Gründen und auf verschiedene Weise. Durch die vielen Andeutungen und Leerstellen - was die Autorin übrigens besonders gern macht - blieb viel Platz für individuelle Interpretationen (...) Tamara Bach spricht also mit ihrem Buch nicht eine eng begrenzte Zielgruppe, sondern uns alle an."
Hier nun die Nominierungen im Einzelnen:
Sonderpreis Neue Talente
Ab 10
Verena Reinhardt:
»Der Hummelreiter Friedrich Löwenmaul«.
Beltz & Gelberg, 520 S., 17,95 €
Ab 12
Mario Fesler:
»Lizzy Carbon und der Klub der Verlierer«.
Magellan, 240 S., 14,95 €
Ab 14
Ulla Scheler:
»Es ist gefährlich, bei Sturm zu schwimmen«.
Heyne fliegt, 368 S., 14,99 €
Nominierungen der Jugendjury
Becky Albertalli:
»Nur drei Worte«.
Carlsen, 320 S., 16,99 €
Tamara Bach:
»Vierzehn«.
Carlsen, 112 S., 13,99 €
Sarah Crossan:
Eins«.
Mixtvision, 424 S., 16,90 €
Anne Freytag:
»Mein bester letzter Sommer«.
Heyne fliegt, 368 S., 14,99 €
Steven Herrick:
»Wir beide wussten, es war was passiert«.
Thienemann,208 S., 14,99 €
Tamara Ireland Stone:
»Mit anderen Worten: ich.«
Magellan, 336 S., 16,95 €
Nominierungen der Kritikerjury
in der Sparte Bilderbuch
Ab 4
Heinz Janisch (Text), Helga Bansch (Ill.):
»Kommt das Nashorn«.
Jungbrunnen, 32 S., 14,95 €
Ab 4
Isabel Minhós Martins (Text), Bernardo P. Carvalho (Ill.):
»Hier kommt keiner durch!«
Klett Kinderbuch, 40 S., 13,95 €
Ab 5
Francesca Sanna:
»Die Flucht«.
NordSüd, 48 S., 17,99 €
Ab 5
Thé Tjong-Khing:
»Hieronymus. Ein Abenteuer in der Welt des Hieronymus Bosch«.
Moritz Verlag, 48 S., 14,95 €
Ab 5
Anja Tuckermann (Text), Uli Krappen (Ill.), Mehrdad Zaeri (Ill.):
»Nusret und die Kuh«.
Tulipan, 52 S., 18 €
Ab 6
Aaron Blabey:
»Böse Jungs« Band 1.
Baumhaus, 144 S., 10 €
Nominierungen der Kritikerjury
in der Sparte Kinderbuch
Ab 6
Håkon Øvreås (Text), Øyvind Torseter (Ill.):
»Super-Bruno«.
Hanser, 144 S., 12,90 €
Ab 7
Taran Bjørnstad (Text), Christoffer Grav (Ill.):
»Der Krokodildieb«.
Beltz & Gelberg, 134 S., 12,95 €
Ab 9
Jakob Wegelius:
»Sally Jones. Mord ohne Leiche«.
Gerstenberg, 624 S., 19,95 €
Ab 10
Anna Woltz:
»Gips oder Wie ich an einem einzigen Tag die Welt reparierte«.
Carlsen, 176 S., 10,99 €
Ab 11
Annette Herzog (Text), Katrine Clante (Ill.):
»Pssst!«
Peter Hammer Verlag, 196 S., 4 €
Ab 12
Simon van der Geest (Text), Karst-Janneke Rogaar (Ill.):
»Krasshüpfer«.
Thienemann, 240 S., 12,99 €
Nominierungen der Kritikerjury
in der Sparte Jugendbuch
Ab 12
Tamara Bach:
»Vierzehn«.
Carlsen, 112 S., 13,99 €
Ab 13
Que Du Luu:
»Im Jahr des Affen«.
Königskinder, 288 S., 16,99 €
Ab 14
Dave Cousins:
»Warten auf Gonzo«.
Verlag Freies Geistesleben, 304 S., 19,90 €
Ab 14
Sarah Crossan:
»Eins«.
Mixtvision, 424 S., 16,90 €
Ab 14
Jan De Leeuw:
»Eisvogelsommer«.
Gerstenberg, 256 S., 16,95 €
Ab 15
Bonnie-Sue Hitchcock:
»Der Geruch von Häusern anderer Leute«.
Königskinder, 320 S., 17,99 €
Nominierungen der Kritikerjury
in der Sparte Sachbuch
Ab 3
Patrick George:
»Lass mich frei!«
Moritz Verlag, 54 S., 12,95 €
Ab 5
Atak:
»Martha. Die Geschichte der letzten Wandertaube«.
Aladin, 32 S., 19,95 €
Ab 6
Piotr Socha:
»Bienen«.
Gerstenberg, 80 S., 24,95 €
Ab 9
Ondřej Buddeus (Text), David Böhm (Ill.):
»Kopf im Kopf«. Karl Rauch Verlag, 120 S., 25 €
Ab 10
Elfi Fritsche (Text), Johanna Putzer (Text, Ill.), Josef Putzer (Text):
»Technik in den Alpen. Von Seilbahnen, Staudämmen und Schneekanonen«.
Folio Verlag, 128 S., 19,90 €
Ab 11
Christine Chemnitz (Text), Gesine Grotrian (Ill.), Gabriela Häfner (Text):
»Iss was?! Tiere Fleisch und ich«.
Heinrich Böll Stiftung, 144 S., kostenfrei zzgl. Versand