Der Rechtsausschuss des EU-Parlaments (JURI) hat eine Kompromissfassung des Artikels 12 der geplanten Urheberrechts-Richtlinie für den digitalen Binnenmarkt angenommen, in der die Beteiligung von Verlagen an Ausschüttungen von Verwertungsgesellschaften (in Deutschland insbesondere der VG Wort) wieder ermöglicht werden soll. Die jetzige Fassung enthält eine Stichtagsregelung, nach der nur Länder zur Verlegerbeteiligung zurückkehren dürfen, die diese schon vor dem November 2015 gesetzlich geregelt hatten. Im November 2015 hatte der Europäische Gerichtshof im sogenannten Reprobel-Verfahren entschieden, dass Verlage nicht länger an Beteiligungen von Verwertungsgesellschaften beteiligt werden dürfen.
"Wasserdichte Rechtsgrundlage"
Alexander Skipis, Hauptgeschäftsführer des Börsenvereins, begrüßt zwar, dass "das Ergebnis des Rechtsausschusses bei den für die Buchbranche zentralen Themen in die richtige Richtung" weise, sieht aber "an einigen wichtigen Stellen noch Verbesserungsbedarf". "Insbesondere bei der Verlegerbeteiligung fordern wir eine noch klarere Formulierung im Gesetzestext, die eine wasserdichte Rechtsgrundlage für die Beteiligung von Verlagen an den Ausschüttungen der Verwertungsgesellschaften bietet. Es ist jetzt entscheidend, dass das Parlament zügig die nächsten Schritte im Gesetzgebungsprozess einleitet. Dort werden wir die Anliegen der Branche noch einmal intensiv einbringen."
Noch ist der Willensbildungsprozesse der europäischen Gesetzgebungsgremien aber nicht abgeschlossen. Der JURI-Bericht soll zunächst voraussichtlich am 3. Juli im Plenum des EU-Parlaments erörtert werden, bevor die in ihm enthaltenen Regelungen (auch zu Art. 12) im sogenannten Trilog (Abstimmung zwischen EU-Parlament und EU-Rat, moderiert von der EU-Kommission) ihre endgültige Fassung erhalten.
"Panikmache von Netzaktivisten"
Das Risiko, dass eine starke Gruppierung um die EU-Parlamentsabgeordnete Julia Reda das Kompromissvotum des Rechtsausschusses (und damit auch das Verhandlungsmandat für MdEP Axel Voss) im Plenum zu Fall bringt, ist allerdings nicht gering. "Leider gibt es derzeit Kräfte, die aufgrund einzelner Punkte den ganzen Bericht des Rechtsausschusses in Frage stellen", gibt Jessica Sänger, Direktorin für europäische und internationale Angelegenheiten des Börsenvereins, zu bedenken. "Dabei geht es gar nicht um die die Buchbranche betreffenden Themen, aber die Folge wäre, dass alle Punkte noch einmal neu im Plenum verhandelt werden müssten. Das könnte die Richtlinie grundsätzlich in Gefahr bringen. Spätestens nach der Sommerpause müssen Parlament, Rat und Kommission mit ihren gemeinsamen Beratungen, dem sogenannten Trilog, beginnen. Nur so kann sichergestellt werden, dass die Richtlinie noch in dieser Legislaturperiode überhaupt zum Erfolg geführt werden kann. Entscheidend ist, dass die Europa-Abgeordneten nicht auf die Panikmache der Netzaktivisten hereinfallen. Dass das Internet zensiert werden solle, ist ein Mythos."
Reda hat sich gegen die ebenfalls angenommenen Bestimmungen zum Presseverleger-Leistungsschutzrecht (Art. 11) und zur Plattformregulierung (Art. 13; Stichwort: "Upload-Filter") ausgesprochen und die Gegnerschaft im Parlament mobilisiert.
Bereichsausnahme für Bildungsmedien
Für die Anbieter von Bildungsmedien ist die ebenfalls vom JURI verabschiedete Regelung in Art. 4.2 Richtlinien-Entwurf (Veranschaulichung im Unterricht) relevant: Sie erhält den Mitgliedsstaaten der EU die Möglichkeit, eine Bereichsausnahme für bestimmte Werktypen, darunter auch Schulbücher, einzuführen. "Bereichsausnahme" bedeutet, dass Schulbücher von der Schrankenregelung ausgenommen bleiben – also nicht kostenlos zu Lehrzwecken vervielfältigt und elektronisch verfügbar gemacht werden dürfen. Diese Bereichsausnahme ist im Zuge der Kompromissfindung wieder in den Regelungsvorschlag hineinverhandelt worden; eine frühere Fassung sah eine solche Ausnahme von der Schrankenregelung nicht vor.
Hintergrund
Der Bundesgerichtshof hatte die jahrzehntelange Praxis der VG Wort, Verleger an den Ausschüttungen zu beteiligen, am 21. April 2016 für rechtswidrig erklärt. Für diese Entscheidung war auch das HP / Reprobel-Urteil des EuGH maßgeblich. Seitdem gibt es im deutschen Recht keine gesetzliche Regelung, die eine automatische Beteiligung an Ausschüttungen von Verwertungsgesellschaften vorsieht. Nach dem Verwertungsgesellschaftengesetz (VGG) ist es lediglich möglich, dass Autoren auf freiwilliger Basis von ihren Ausschüttungserlösen einen definierten Anteil an Verleger abtreten.
Am 5. Juni veröffentlichte das Bundesverfassungsgericht einen Beschluss, mit dem es die Verfassungsbeschwerde des Verlags C.H. Beck gegen das BGH-Urteil zum Verlegeranteil nicht zur Entscheidung annahm. Der Börsenverein hatte dazu erklärt, dass "jetzt die Politik am Zuge" sei.
leider enthält Ihr Text einen schweren sachlichen Fehler, der Ihre LeserInnen in die Irre führt. In Deutschland gab es zu keinem Zeitpunkt eine "gesetzliche" Grundlage für eine Verlegerbeteiligung an Ausschüttungen der VG WORT. Das haben BGH und EuGH ausdrücklich festgestellt.
Der fragliche Artikel kann meines Wissens übrigens, wie jeder andere auch, gestrichen werden ohne den gesamten Entwurf zu gefährden. Korrigieren Sie mich bitte, wenn ich mich irre. Dessen ungeachtet steht der Satz von Frau Sänger im Konjunktiv - die Richtlinie muss keinesfalls scheitern, nur weil es bei einem umstrittenen Artikel noch Nachverhandlungen gibt.
Im Übrigen möchte ich auf die Schizophrenie hinweisen, einerseits durch Artikel 11, das Leistungsschutzrecht für Presseverleger, eine Art Google-Steuer einführen zu wollen, und andererseits durch Artikel 13 scharenweise die Betreiber von Plattformen mit Nutzeruploads in die Arme von Google und seinem Content-ID-Filter zu treiben. Wer würde denn für sein Autoren- oder Selfpublishingportal, realistisch betrachtet, selbst einen Uploadfilter entwickeln können, der die Anforderungen an die Rechtssicherheit erfüllt? Am Ende wird es einfacher sein, die Technik von US-Konzernen zu lizenzieren um im Falle eines Rechtsstreits die Verantwortung abwälzen zu können. Und was Upload-Filter von US-Konzernen an unerwünschten Effekten mit sich bringen können, weiß jeder, der schon einmal bei Facebook einen Ratgeber für stillende Mütter bewerben wollte.
Insofern hoffe ich, dass die Europaabgeordnenet eine wohlinformierte und ausgewogene Entscheidung treffen werden, bei der sie auch mögliche unerwünschte Konsequenzen der Richtlinie bedenken. Und wenn dazu am Gesetzesentwurf noch Änderungen nötig sein sollten, wünsche ich mir nichts mehr als gründliche Arbeit. Ob das Gesetz nun im Juli oder erst später beschlossen wird, sollte bei einem derart wichtigen und für praktisch jeden EU-Bürger relevanten Thema keine Rolle spielen, solange am Ende ein für alle Seiten tragbares, juristisch sauber formuliertes Ergebnis steht.
Freundliche Grüße,
Martin Schwarz
Bei gründlicherem Lesen würden Sie erkennen, dass kein sachlicher Fehler vorliegt.