Antiquariat

"Teurer, komplizierter, ausschließlich mit Nachteilen behaftet"

9. Januar 2019
Redaktion Börsenblatt
Drei Skandale, mindestens. Die neue Warenpost international aus der Sicht eines Versandantiquars. Ein Gastbeitrag von Otto W. Plocher, Kirchhain.

Seit Jahren betreiben wir ein Versandantiquariat, das Bücher vor allem über das Internet verkauft und mit der Deutschen Post und DHL in alle Welt verschickt. Der Auslandsversand hat einen nicht unerheblichen Anteil am Bestellaufkommen. Circa 15 bis 18 Prozent der Bestellungen gehen ins Ausland, 20 bis 25 Prozent der Umsätze werden über den Export erwirtschaftet.

Bisher erfolgte der Versand in Ausland bei hochpreisigen und schwergewichtigen Büchern durch die internationalen Paketmarken der DHL. Bei nicht hochpreisigen Büchern bis fünf Kilogramm Gewicht erfolgte der Versand als eingeschriebene Sendung Buch international zum Kilotarif. Vor allem für Sendungen in Nicht-EU-Länder (also auch für die wichtigen Märkte Schweiz, Norwegen, USA, Kanada, Südamerika usw.) war diese günstige Versandmöglichkeit enorm wichtig. Täglich haben wir mehrere internationale Sendungen als Priority-Büchersendungen verschickt. Wenn man Economy-Versand statt Priority wählte, war dies sogar noch etwas günstiger.

Die Abwicklung war denkbar einfach: Die Sendungen wurden gepackt und gewogen, eine summarische Einlieferungsliste ausgefüllt, vorher bestellte Einschreibemarken wurden appliziert, die Nummernduplikate der Einschreibemarken in die interne Postausgangsliste und die externe Abholliste eingeklebt. Die Abrechnung erfolgte nach Einlieferungsliste im Briefzentrum.

Diese Herrlichkeit fand zum 1. Januar 2019 ein jähes, und vor allem: ein unangekündigtes, Ende. Am 2. Januar erfuhren wir durch Zufall, dass unsere Versandroutinen für den Auslandsversand komplett geändert werden müssen. Die Deutsche Post hat uns keine Vorankündigung geschickt, keinerlei Anleitung für den geänderten Versand gegeben, keinerlei Support bei der Buchung der neu eingeführten Warenpost international gewährt und erst nach mehrmaligen Anfragen im zuständigen Briefzentrum einen Kontakt zu einem Fachberater vermittelt, der von seinem Arbeitgeber, der Deutschen Post, über das neue Produkt ebenfalls kaum informiert worden war. Alle Hotlines der Deutschen Post, die wir angerufen haben, alle Direktkontakte, die wir genutzt haben, waren über das Thema Warenpost wenig oder gar nicht informiert. Wohl gemerkt, ich spreche von qualifizierten Mitarbeitern in Briefzentren, im Vertrieb und an der Geschäftskundenhotline. Wir bekamen nicht einmal ein neues Preisverzeichnis, obwohl die Post (Briefpost und Paketpost) bei uns täglich gegen eine nicht geringe Monatsgebühr abgeholt wird. Die Abholer wissen nicht, wie die Warenpost weitergeleitet werden muss, haben das Wort Warenpost nicht einmal gehört. Es existieren keine Infoträger, mit denen man die Behälter sachgerecht labeln kann. Ein Mitarbeiter im Briefzentrum vermutete, die Sendungen seien als Postexpress zu behandeln, genau wisse er das aber nicht.

Das ist in meinen Augen der erste Skandal. Ich hätte niemals geglaubt, dass eine solche Desorganisation in Deutschland möglich ist.

Der zweite Skandel liegt in den Bedingungen der Warenpost selbst. Einerseits sind die Sendungen gegenüber den herkömmlichen Büchersendungen teilweise erheblich teurer und auf 2,00 Kilogramm Maximalgewicht begrenzt. Die Versandkosten ins Ausland erhöhen sich drastisch – es ist leicht zu prognostizieren, dass dadurch die Exporte abnehmen und unsere Umsätze sinken werden. Andererseits bringen die erzwungenen Online-Buchungen für jede einzelne Sendung einen erheblichen Mehraufwand für die Versandabteilung mit sich. Schnittstellen zur Automatisierung für Warenwirtschaftsprogramme im Antiquariatsbereich stellt die Deutsche Post natürlich auch nicht zur Verfügung. Wir rechnen daher bei drei bis sechs Sendungen täglich mit einem Mehraufwand von 30 bis 40 Minuten – nicht nur, weil die übrigens mangelhafte Onlinemaske durchlaufen werden muss (mehrfache Abstürze, Adressfeld Straße viel zu klein, kein Journalausdruck möglich, selbstentleerender Warenkorb), sondern weil sich die gesamte Dokumentations- und Packroutine ändert: Die Sendungen müssen vor der Online-Buchung fertig gepackt und dann exakt gewogen werden, damit erst dann die Online-Buchung durchgeführt werden kann, danach wird die nummerierte Versandmarke appliziert, und danach muss die Nummer dieser Marke nunmehr von Hand in die externe Postausgangsliste und die Abholliste eingetragen werden. Eine externe Packstube (zum Beispiel in einem Außenlager) ohne Internetanschluss ist gar nicht mehr möglich, weil damit ein ewiges Hin- und Hergehappel zwischen Packstube und Büro verbunden wäre, der manuelle Aufwand der Nummernübertragung in diverse Listen in fehleranfällig und erheblich – kurz und gut: Das ganze Verfahren ist eine deutliche Erschwernis auf dem Rücken der Postkunden, die für diesen wunderbaren Quatsch auch noch mehr bezahlen müssen.

Mehr bezahlen? Nein, deutlich mehr bezahlen, wie Beispiele belegen:

(1) Ein Buch mit einem Gewicht von 2,5 Kilogramm in die Schweiz kostete als eingeschriebene kilotarifierte Büchersendung Priority 18,30 Euro (0,80 Euro Grundgebühr+ 15 Euro Kilotarif + 2,50 Euro Einschreibegebühr). Heute nur noch als Paket für circa 30,00 Euro möglich = Mehrkosten 11,70 Euro.

(2) Eine Buch mit einem Gewicht von 3,8 Kilogramm nach Japan kostete als eingeschriebene kilotarifierte Büchersendung Priority 26,10 Euro (0,80 Euro Grundgebühr + 22,80 Euro Kilotarif + 2,50 Euro Einschreibegebühr). Heute nur noch als Paket für circa 46,00 Euro möglich = Mehrkosten 19,90 Euro.

(3) Ein Buch mit einem Gewicht von 1,1 Kilogramm nach Norwegen kostete als eingeschriebene kilotarifierte Büchersendung Priority 9,90 Euro (0,80 Euro Grundgebühr + 6,60 Euro Kilotarif + 2,50 Euro Einschreibegebühr). Heute nur noch als eingeschriebene Warenpost für 19,25 Euro möglich = Mehrkosten 9,35 Euro.

(4) Ein "Durchnittsbuch" mit einem Gewicht von 0,65 Kilogramm nach Frankreich kostete als eingeschriebene kilotarifierte Priority-Büchersendung 7,20 Euro (0,80 Euro Grundgebühr + 3,90 Euro Kilotarif + 2,50 Euro Einschreibegebühr). Heute nur noch als eingeschriebene Warenpost für 9,25 Euro möglich = Mehrkosten 2,05 Euro.

Diese drastischen Preissteigerungen sind der dritte Skandal. Sie setzen vor allem kleine Unternehmen massiv unter Druck, die sich den Kilotarif-Vertrag (den es bei der Warenpost auch noch gibt) wegen der hohen Mindestmenge von 500 Stück pro Quartal nicht erlauben können. Hier werden Großversender (vulgo: die bekannten Massenramscher unseres Gewerbes) bevorzugt gegenüber den Klein- und Mittelversendern.

Und darauf soll das Ganze ja wohl hinaus: Die Benachteiligung und Gängelung der zahlreichen Kleingewerbetreibenden, die mit ihrem Klein-Klein unverhältnismäßig viel Aufwand machen.

Natürlich können wir die Versandkosten für den Auslandsversand an die Kunden weitergeben – die Folge werden abnehmende Bestellungen sein, das ist sicher wie das Amen in der Kirche. Übrigens haben unsere Kunden wegen der fehlenden Vorankündigung der Deutschen Post bis zum 2. Januar noch Bücher zu den alten Versandkosten bestellen können …

Fazit: Die Ablösung der Sendungsart Buch international / Buch international Kilotarif durch die Warenpost ist in jeder Beziehung Schrott – Teurer, komplizierter, ausschließlich mit Nachteilen behaftet und dazu noch miserabel organisiert. Von der katastrophalen Kommunikation gegenüber uns, den gewerblichen Kunden der Post, ganz zu schweigen.

Man sollte sich sofort nach einem neuen Versandunternehmen umschauen, wenn man nicht wüsste, wie es bei den Mitbewerbern teilweise zugeht …

Otto W. Plocher