Der Landesverband hatte zum Jahrestreffen dorthin eingeladen, etwa 90 Mitglieder kamen, ihren Ideen Raum zu geben. Und sie blieben, bis abends gegen 21 Uhr ein interessantes Gespräch zwischen der Münchner Verlegerin Antje Kunstmann und dem Springer-Cheflobbyisten Christoph Keese zu Ende war. Moderiert von dem langjährigen Fernseh-Talker Wieland Backes (Nachtcafé, SWR), ging es um die wohlvertraute Frage, in welcher Weise das Internet und die Digitalisierung die Welt der Bücher verändern werden und bereits verändert haben.
Keese zeigte sich eingangs überrascht von einer Erfahrung, die er mit seinem jüngsten eigenen Buch ("Silicon Valley. Was aus dem mächtigsten Tal der Welt auf uns zukommt", bei Knaus) gemacht hat: dass nämlich dieses Buch zur Digitalisierung "eher wenig als E-Book verkauft wird, nur etwa zu zehn Prozent". Dabei wären zehn Prozent gar nicht wenig! Antje Kunstmann hatte das transatlantische Gefälle sogleich parat: E-Book-Anteil in den USA knapp ein Drittel, bei uns überschaubare vier Prozent insgesamt am Publikumsmarkt. "Ich glaube, die Bücher, in die man auch später noch immer wieder reinschauen möchte, die man langsam liest, werden auch in Zukunft auf Papier bleiben", prognostizierte die Verlegerin.
Aber so vermeintlich harmlos, wie die Debatte begann, sollte sie nicht bleiben. Denn Keese nutzte das Branchentreffen dazu, seine Analyse vom Plattform-Kapitalismus kalifornischer Schule pointiert noch einmal zu erklären: Plattformen, so der Springer-Mann, beruhten auf der Idee, sich in die Beziehung zwischen Kunden und Anbieter hineinzudrängen und diese zu ersetzen – "ein enorm skalierbares Geschäft. Jeder zusätzliche Ertrag bringt kaum noch zusätzliche Kosten." Das Dramatische an der Digitalökonomie sei ihr Trend zu Monopolbildungen. Und das Buch? "Es wandert in eine Nische, genauso wie Tageszeitungen und Nachrichtenmagazine."
Kunstmann und Keese waren sich einig in dem Punkt, dass die deutsche wie auch die europäische Politik es bisher versäumt haben, das Kartellrecht den neuen Marktverhältnissen der digitalen Zeit anzupassen: "Unsere Politiker haben noch nicht verstanden, was auf uns zurollt", beklagte die Verlegerin.
Einen verblüffenden Vorschlag machte Christoph Keese zu einer Reform der Buchpreisbindung: Man möge sie doch "nach oben öffnen". Soll heißen: Ein vom Verlag festgesetzter Verkaufspreis dürfte zum Endverbraucher hin nicht unterschritten werden, "aber Buchhändler, die ihrer Kundschaft viel zu bieten haben, könnten vielleicht einen Euro mehr verlangen. Das würden die Leute akzeptieren."
Zu Beginn des Mitgliedertreffens hatte zunächst Alexander Skipis unter dem Titel "Buchhandel statt Freihandel" über die Chancen und Risiken von TTIP (Transatlantic Trade and Investment Partnership) berichtet. Der Hauptgeschäftsführer des Börsenvereins nahm seine Zuhörer dabei auf einen wahren Polit-Krimi mit, in dessen Verlauf seitens der Buchbranche nach wie vor viel Achtsamkeit und Hartnäckigkeit erforderlich ist, damit nicht am Ende in intransparenten Verhandlungen die Buchpreisbindung auf Drängen US-amerikanischer Digitalkonzerne geopfert wird.
Die Beraterin Dorothea Redeker referierte über regionale Profilbildung. Ihre Überzeugung ist es, dass sich in diesem Thema für den Buchmarkt aufgrund "einer zunehmenden Orientierung vieler Menschen an ihrem unmittelbaren Lebensumfeld" noch gute Wachstumsmöglichkeiten verbergen. Buchhandlungen und Verlagen gleichermaßen sei zu raten, die "räumliche Perspektive" als Vermarktungsweg genauer in den Blick zu nehmen. Ihr Fazit: Immer bedeutsamer in der Kooperation zwischen Buchhandlungen und Verlagen "wird die Kenntnis voneinander sein: je spezifischer die Themen, desto wichtiger ist es, die Schwerpunkte transparent zu machen".
cas