Börsenverein kritisiert BGH-Entscheidung zum § 52b

"Schwarzer Tag für Forschung und Lehre an Hochschulen"

17. April 2015
Redaktion Börsenblatt
Der Börsenverein des Deutschen Buchhandels kritisiert eine gestern ergangene Entscheidung des Bundesgerichtshofs scharf. Das Gericht hatte es Bibliotheken erlaubt, ihren Bestand uneingeschränkt zu digitalisieren, damit sich ihre Nutzer die Bücher auf USB-Sticks kopieren oder ausdrucken können. Die Möglichkeit einer Verfassungsbeschwerde werde geprüft, so der Börsenverein.

Auf bestehende Lizensierungsangebote soll es ebenso wenig ankommen, so die Börsenvereins-Mitteilung, wie auf die daraus entstehenden Schäden der Wissenschaftsverlage. "Das ist ein schwarzer Tag für Forschung und Lehre an deutschen Hochschulen. Wenn die Hauptzielgruppen wissenschaftlicher Werke – nicht nur von Lehrbüchern – sich gratis an den Download-Stationen der Bibliotheken versorgen, dann gibt es keine wirtschaftliche Basis mehr dafür, dass künftig solche Werke überhaupt noch entstehen können", sagte der Vorsitzende des Urheber- und Verlagsrechtsausschusses des Börsenvereins, der Göttinger Wissenschaftsverleger Gerhard-Jürgen Hogrefe. "Ich befürchte, wir sind auf dem Weg dahin, dass es in einigen Jahren an den Bibliotheksterminals gar nichts mehr zu kopieren gibt."

Der Börsenverein will nun die Begründung der Entscheidung des Bundesgerichtshofs abwarten, um gemeinsam mit dem Verlag Eugen Ulmer zu prüfen, ob gegen das Urteil Verfassungsbeschwerde eingelegt wird. Für die Verlage komme diese Auslegung des Urheberrechtsgesetzes einer vollständigen Enteignung gleich. Nach dem Wortlaut von § 52b sei zwar vorgesehen, dass die Bibliotheken für ihre Nutzungen eine angemessene Vergütung an eine Verwertungsgesellschaft zahlen. Aufgrund einer anderen Entscheidung des Bundesgerichtshofs erhalten Verlage bis auf weiteres jedoch keine Ausschüttungen der Verwertungsgesellschaft Wort mehr. Für derart weit reichende Eigentumseingriffe hätte es zumindest einer gesetzlichen Grundlage bedurft. 

"Die Wettbewerbsfähigkeit einer Wissensgesellschaft entscheidet sich nicht nur am Abschneiden bei PISA. Ein vielfältiges, qualitativ hochwertiges Angebot an Lehr- und Schulbüchern ist essentiell", sagt Heinrich Riethmüller, Vorsteher des Börsenvereins. "Die Bundesregierung muss nun erklären, ob sie die Zukunft der universitären Lehre in Deutschland in immer weitergehenden Urheberrechtsschranken sieht, die keinen Raum für eine Vielfalt an hochwertigen Lehrmedien mehr lassen. Zudem möchten wir wissen, ob und mit welchen Maßnahmen das bewährte Instrument gemeinsamer Verwertungsgesellschaften von Urhebern und Verlagen politisch geschützt werden soll."