Alfred-Kerr-Preis 2015 an Manfred Papst

Selten kluge Texte

6. Juli 2015
Redaktion Börsenblatt
Er kommt sich im Feuilleton vor wie ein Komparse in einem Provinztheater, der zusammen mit wenigen anderen das römische Heer geben soll. "Manfred ist Kult", sagt sein Laudator Peter Haffner. Der leidenschaftliche Literaturkritiker Manfred Papst hat am Donnerstag auf der Leipziger Buchmesse den vom Börsenblatt gestifteten Alfred-Kerr-Preis entgegengenommen.

Manfred Papst erklärt sein Tun mit den Worten von Alfred Polgar: Beim Schießen verreiße es das Gewehr immer etwas nach unten, weshalb man etwas höher zielen müsse, als dahin wohin man treffen will. "Als Feuilletonisten müssen wir jeden Tag versuchen, unser Bestes und Letztes zu geben. Mit etwas Glück wird dann etwas Passables daraus", übersetzt er Polgars Worte für sich und seine Kollegen. "Manfred Papst gelingen regelmäßig sehr klug durchdachte, maßstabsetzende Texte, wie sie heute selten geworden sind" - bei der Verlesung der Preis-Urkunde zieht der Geehrte leicht ungläubig die Augenbrauen nach oben. Und freut sich sehr aufrichtig. 

In seiner Dankesrede begrüßt Papst den Abschied von der "Deutungshoheit eines artistisch entflammten Großfeuilletons". Die Aufgabe der Literaturkritik sei eine vermittelnde und damit eine dienende, die Respekt gegenüber jeder schöpferischen Tätigkeit erfordere. Außerdem unabdingbar für einen Literaturkritiker: komödiantisches Talent. "Wir gleichen einer Handvoll von Komparsen, die in einem Provinztheater das römische Heer geben müssen. Schnell müssen wir hinter der Bühne durchrennen, um vorn wieder würdig schreiten zu können", so Papst.

Der Journalist und Autor Peter Haffner hob in seiner Laudatio die unerschütterliche und echte Leidenschaft des Geehrten für Literatur hervor. Papst habe Jahrzehnte, bevor er Kritiker wurde, Bücher gelesen; er sei weniger Berufskritiker als "ein Berufsamateur - einer, der liebt, was er tut". Intellektuelle Purzelbäume meide er zugungsten des "mot juste", des richtigen Wortes an der richtigen Stelle. "Wie ein Scheinwerfer nicht den Blick auf das blenden soll, was er beleuchtet, machen seine Sätze nicht auf sich selber, sondern auf die Sache aufmerksam". Um das Privileg, Papsts sonntägliche Kolumne in der "NZZ" als erster lesen zu dürfen, gebe es in manchen Haushalten Tumulte, so Haffner. Kurzum: "Manfred ist Kult".

Als "krisenfesten Journalisten" bezeichnete der Vorsteher des Börsenvereins Heinrich Riethmüller den diesjährigen Preisträger des Alfred-Kerr-Preises, den Schweizer Journalisten Manfred Papst. Der Ressortleiter Kultur der "NZZ am Sonntag" beweise seine Krisenfestigkeit als Kritiker seit langem in vielfältiger Weise - umgeben von ständiger Krise, an die sich Zeitungsleute, solche des Feuilletons zumal, schon gewöhnt hätten. Gut gefällt dem Buchhändler Riethmüller übrigens auch, dass Papst sich das Schreiben eigener Bücher entsagt, und stattdessen lieber die liest, die schon da sind.

Die Zeremonie der Preisverleihung fand nach vielen Jahren im Berliner Zimmer erstmals im neuen Forum Die Unabhängigen statt, einer von der Kurt-Wolff-Stiftung und der Leipziger Buchmesse geschaffenen Bühne für unabhängige Verlage. Neben Feuilletonisten und Verlagsleuten kamen einige ehemalige Preisträger, wie Insa Wilke und Gregor Dotzauer; die Frontrow war mit dem Schweizer Botschaftsrat und Leiter der Kulturabteilung der Schweizer Botschaft in Deutschland, Johann Aeschlimann, sowie Dani Landolf und Marianne Sax vom Schweizer Verleger- und Buchhändler-Verband SBVV prominent besetzt.