Mit unterschiedlichem Tempo haben die Verlage die Herausforderung der Digitalisierung angenommen. Es gibt sie, die Musterbeispiele, die Leuchttürme: Verlagshäuser, die sich früh und konsequent dem Umbau des Unternehmens gewidmet haben und neue Geschäftsfelder entwickelt haben. Auf der gemeinsamen Personalentwicklertagung der Akademie der Deutschen Medien und Bommersheim Consultings stellte etwa Günter Schürger (Vogel Business Media) den Weg seines Unternehmens vom Fachverlag Print zum "Wissens- und Kommunikationspartner", Campus- und Eventbetreiber und Paid-Content-Anbieter vor. Ganze Geschäftsfelder wurden gestrichen, neue aufgebaut, unter professioneller Begleitung Personalentwicklungspläne entwickelt und umgesetzt: Seit 2008 wurden 137 neue Mitarbeiter ins Unternehmen geholt, 106 konnten gehalten werden; 94 von ihnen sind in "strategischen Jobfamilien", eine Quote von 62 Prozent -die Vogel Business Media auf 75 Prozent steigern will. Heute profitiert Vogel Business Media davon, seit fünf Jahren ein Kompetenzmodell eingeführt und gepflegt zu haben - so wurde deutlich, an welcher Stelle Personal fehlte: Produktmanager und Business Developer. Der Umbauprozess wird augenscheinlich mit Blick auf die entfernten Druckmaschinen - in der grundrenovierten Produktionshalle finden heute Kongresse und Events statt - Einnahmen sprudeln auch durch die Vermietung des Gebäudes. Das mittelständige Traditionsunternehmen (Gründung 1891) bereits nach dem Krieg beinahe von Null anfangen und hat bereits viele Zeitenwenden überstanden - und die Herausforderungen der Digitalisierung früh angenommen. "Natürlich gab es Mauern einzureißen", so Schürger.
Der Trend geht immer deutlich hin zu Projektarbeiten: Vogel Business Media bietet Projekträume und Homearbeitsplätze: Wertschätzende Projektarbeit wird groß geschrieben, konsequent wurden triste Besprechungsräume verbannt. Die neuen Räume sind bunt, aber nicht so verspielt wie bei Google, statt einer Kantine heißt es heute Meet & Eat in entspannter Atmosphäre, aufgestellte iPads laden zum Austausch ein, 60 bis 70 Prozent der Mitarbeiter nutzen die gesellige Lounge täglich.
Als weitere Beispiele dienten die Digitalprofis von Springer Fachmedien, Verlegerin Dorothee Seeliger berichtete am Beispiel von Gräfe und Unzer über die Einführung von Apps und pri-gitalen Produkten und darüber, was dies für die Redakteurinnen und das Lektorat in der Praxis bedeutet (heute steuern die Redaktionen auch die komplette E-Book-Produktion und auch Videoproduktionen selbst). Seeliger steuerte auch den Vergleich vom notwendigen Wandel im laufenden Geschäft vor – einen Boxenstopp bei laufendem Rennen. Es wurde außerdem über Konferenztechniken, die Rolle von Betriebsräten, Media-Asset-Managements und Arbeitgeberplattformen gesprochen. Mit Bernd Furhmann war der Vertriebsleiter der Xing-Tocher Kununu (Burda Media) anwesend und stellte sich den Fragen der teils mit negativen Vorerfahrungen belasteten Verlage, die sich dort mitunter mit Schmähkritiken konfrontiert sehen - wenn es denn überhaupt eine nennenswerte Zahl an Kritiken gibt. Fuhrmann gab in diesem Fall den Tipp, zunächst mit Stellungnahmen auf Negativkritik zu reagieren - wie man sich juristisch wehrt, klärten in einem späteren Programmpunkt die Unternehmensanwälte Jan Christian Seevogel und Florian Sperling.
Am Ende des Tages, nach weiteren Fallbeispielen und Round-Table-Sessions wurden drei wesentliche Punkte deutlich: Die konsequente Transformation und Personalentwicklung in Verlagen dauert Jahre und muss von der Verlagsführung getragen und vorgelebt werden (Arbeitnehmerumfragen empfohlen).
Es werden immer mehr Kompetenzen in den Teams gebraucht, nicht nur in technischer, sondern auch kommunikativer Hinsicht. Hier gilt es, soviel erfahrene Mitarbeiter wie möglich im Boot zu behalten und Qualifizierungsmaßnahmen durchzuführen.
Soft Skills werden wichtiger. Während das Thema Lohn an Bedeutung für Arbeitnehmer jeden Alters verliert, werden Unternehmenswerte und die Unternehmenskultur wichtiger. Als Anspruch an neue Teammitglieder formulieren die Unternehmen auf der Gegenseite stärker "Machergeist", "Kreativität" und "Leidenschaft".
Zur Qualifizierung des Nachwuchses will auch der neue Master-Studiengang Management Digitales Publizieren beitragen, den Prof. Klaus Kreulich präsentierte. In Kooperation mit der Akademie der Medien werden von der Hochschule für Angewandte Wissenschaften bestimmte Seminare angerechnet, der berufsbegleitende Master-Studiengang richtet sich neben Nachwuchskräften auch an Quereinsteiger wie Fachredakteure. Die Bewerbungsphase für das Wintersemester (Start im Oktober) beginnt im Mai.
Mit schätzungsweise 350 Mitarbeitern war der 3. Recruiting Day (Bommersheim Consulting, Akademie der Deutschen Medien, Junge Verlagsmenschen) wieder ein Magnet für Nachwuchskräfte. Viele von ihnen hatten auch mehrere Stunden Anfahrtsweg in Kauf genommen um mit Personalreferenten und Verlegern von Holtzbrinck, Ravensburger, Random House und Bonnier Bekanntschaft zu schließen. Auch Bommersheim Talents präsentierte sich dem Nachwuchs als Jobvermittler, Geschäftsführerin Kirsten Steffen begrüßte die Teilnehmer des Events. "Hier erwarten Sie keine kuscheligen Sacharbeiterstellen mehr", so Steffen, die darauf hinwies, dass heute Projektarbeit statt Einzelbüros beruflicher Alltag in Verlagen sein. "Sie können viel einbringen, müssen es aber auch", fasste Steffen Situation und Chancen des Nachwuchses zusammen.
Interessant auch: Neben zahlreichen Praktika sowie Volontariaten im Marketing- und Pressebereich gab es u.a. Stellenausschreibungen für Trainee-Stellen (SKoobe, Holtzbrinck), Spiele-Redakteur (Ravensburger) und weniger als man denken könnte, im digitalen Bereich. Hotjobs hier ein Volontariat bei Skoobe, Vollzeitkraft Digitale Medien (Piper), Online Marketing Manager (Goldmann) und "Junior Web Content Administrator" (Random House).
Neben Workshops präsentierten Macher aus Verlagen ihren beruflichen Werdegang - und stellten ihr Unternehmen vor.
Hier gelangen Sie zu einer Umfrage unter Teilnehmern des Recruiting Days.