Lieber Vittorio,
die letzten Monate wurden schon als "Herbst der Verlegerpatriarchen" bezeichnet, und zu den letzteren wurde dann auch ganz schnell mal ich vereinnahmt. So musst Du Dir denn eine patriarchalische Gratulation aus dem Herbst zum anstehenden Frühling der Verlagskapitäne gefallen lassen.
Vor fast vierzig Jahren begegneten wir uns auf einer Buchmesse. Du warst von amerikanischen Abenteuern zurückgekehrt nach Frankfurt in den Verlag, der von einem Gründervater und einem großen Bruder bestimmt und von einem großen Autor gekennzeichnet war. Zu allen dreien hattest Du ein schwieriges Verhältnis, und so riefst Du eine Runde etwa gleich alter und in ähnlicher Position befindlicher Kollegen zusammen. So etwas gab es schon, den "Öhringer Kreis", aber dessen Mitglieder schienen uns damals zu arriviert. So kam es zu dem anderen, dem noch schillernderen "Taunuskreis", dessen Generalsekretär Du warst und bliebst. Nur die, die dabei waren, wissen, was wir in dieser Runde erbebt, erlebt und nacherzählt haben. In vielem ähnlich, schließlich auch in der heroischen Selbstaufösung, der Vereinigung der Kap Hoorn-Segelkapitäne.
Das Verlagsschiff, das Du seit dem Tod Deines Bruders als Kapitän führst, ist ein ganz besonderes, von selten gewordener, eleganter Bauart. Um im Bild der Segelschiffe zu bleiben, wohl eine Brigg: zwei Masten, beide hoch und voll getakelt, der Großmast hoch oben Heidegger, darunter andere Philosophen führend, im Kreuzmast zum Ausgleich etwas bunter die Bibliothekswissenschaft, die Rechtsgeschichte und Thomas Mann gesetzt, und vornean, eine mögliche Luvgierigkeit zu wehren, ein paar japanische Dreiecksegel.
Die Silhouette ist unverkennbar und alles aufs Feinste gebaut und gepflegt. Das Schmuckstück ist sicher nicht ganz leicht zu steuern, aber in der Hand eines Meisters das Schnellste und Wendigste, was es an vollgetakelten Schiffen gab und gibt. Für die wichtigsten Nachrichten wurden Briggs eingesetzt; und so ist es auch heute: Was Klostermann bringt, ist das Wichtigste, was es in seinen Fächern an Neuigkeiten gibt.
Wie es sich für einen feinen Könner seines Faches gehört, hast Du, lieber Vittorio, Dich aber stets nicht nur Deinem eigenen Schiff, sondern auch Deiner Kollegenschaft zur Verfügung gestellt, einige Zeit als Beisitzer im Vorstand des Börsenvereins und etliche Jahre als Vorsitzender der Arbeitsgemeinschaft wissenschaftlicher Verleger.
Die Krönung Deiner feinen Verlegerart besonderer Sorte hast Du aber zusammen mit Deiner lieben Karin ausgeheckt, mit Herzlichkeit erfüllt und zu einer der charmantesten Institutionen unserer Branche gemacht: Euren Buchmesseabend, bei dem diejenigen, die noch ernsthaft verlegen wollen mit all denen, die wirklich ernsthaft daran interessiert sind, bei Euch in Küche, Wohn- und Esszimmer oder auch auf dem Balkon
zusammensein können, als wäre es ihr Zuhause.
Lieber Vittorio: Lass Dir heute von einem Ex-Kapitän und Bruder im Geiste weiterhin guten Kurs wünschen, reiche Fracht und allzeit mindestens eine Handbreit Wasser unter dem Kiel!
Dein Georg (Siebeck)