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Berufsschulklassen müssen bleiben!

6. Juli 2015
Redaktion Börsenblatt
Junge Menschen suchen ihre Chance nicht nur in den Städten. Berufsschulangebote werden deshalb auch auf dem Land gesucht, meint Martina Bergmann.

2011 ist der Beruf des Buchhändlers theoretisch erneuert worden. Den Ausbildungsrahmenplan zu lesen, muss jedem Vergnügen bereiten, der sich professionell mit Büchern beschäftigt. Die alten Tugenden findet man da: Lesen, Bestellen, Präsentieren, Empfehlen. Man sieht die kaufmännischen Grunderwägungen: Lager- und Liquiditätsplanung, Kostenkontrolle, sogar ein bisschen Strategie. Erfreulich, dass Marketing und Öffentlichkeitsarbeit berücksichtigt sind, dass dieses Internet nicht mehr nur Zaungast ist. Und höchst begrüßenswert, dass Projektarbeit und damit Eigenständigkeit gefordert und gefördert werden. Theoretisch ist unser Beruf in der Gegenwart angekommen.

Trifft das auf die Praxis zu? Kann diese so festgeschriebene Ausbildung in mittelständischen Unternehmen angeboten werden, erstens? Und kann ich, zweitens, einem Bewerber sagen: Ja, dies ist ein Beruf, mit dem Du Anteil an der Zukunft hast, mit dem Du deinen Lebensunterhalt bestreiten und in dem Du dich fortentwickeln kannst?

Die erste Frage kann man nicht pauschal beantworten. Ich fürchte aber, dass Gremien und Interessengruppen, die in den vergangenen Jahren gegeneinander Stellung bezogen haben, die Qualität ihrer Mitgliedsfirmen nach unten nivelliert haben. Wie soll ein Auszubildender Vielfalt lernen, wenn die Ware kommissioniert geliefert wird, weil gemeinsames Marketing vereinbart wurde? Und woher soll er sein Selbstbewusstsein schöpfen, wenn der Lehrherr selbst nicht wagt, eine Strategie zu entwickeln, sondern die Verbundlösung unterschreibt?

Die Hoffnung: Dass weitere Marktbereinigung zu einem Kernbestand an Sortimentsbuchhandlungen führt, die eben deshalb geblieben sind, weil sie ihre Individualität bewahren konnten. Hier wird man (wieder) davon ausgehen dürfen, dass das Handwerk in seiner traditionellen Breite und Tiefe gepflegt und weitergegeben wird.

Die zweite Frage: Würde ich meinen eigenen Beruf heute empfehlen? Ja. Jetzt wieder. Ich war eine Weile sehr skeptisch, ich wollte keinem dazu raten, sich auf diese bescheidenen Gehälter festzulegen, sich in einen hermetischen Markt zu begeben, wo man zwischen Pest und Cholera, zwischen börsennotierten Giganten und auf Traditionen und Pfründe pochenden Familien wählen musste. Aber der Wandel ist mit Händen zu greifen, und deshalb wäre es ein Sakrileg, die Berufsschulklassen in der Fläche gerade jetzt aufzugeben. Sie entsprechen in ihrer Funktionsweise den Bedürfnissen und Strukturen der kleineren Ausbildungsbetriebe.

Und wir sind wichtig! Mit guten Argumenten ist belegbar, dass die Zukunft eben nicht den bundesweit agierenden Großfirmen gehört. Man sieht zudem, dass die alte Betriebsstruktur der Familienfirma mit Fachangestellten nur noch in prosperierenden Mittelstädten funktioniert, aber nicht mehr dort, wo junge Menschen auch ihre Chance suchen: Auf dem Land. Deshalb brauchen wir hier Berufsschulangebote. Wenn es in Ostwestfalen nicht für eine Fachklasse reicht – Was spricht dagegen, Fachkunde in der Universität zu unterrichten, wo die Bachelor-Germanisten ein teilweise nicht sehr verschiedenes Curriculum bearbeiten?

Einem Schulabgänger sage ich guten Gewissens, ja, entscheide dich für meinen Beruf. Du wirst als Angestellter nie viel Geld verdienen. Aber Du kannst genügend Spezifisches lernen, um dich für die Arbeitswelt zu rüsten. Deine duale Ausbildung mit einer soliden Berufsschule ist eine gute Referenz. Und schließlich: Du kannst eine Buchhandlung aufmachen. Du hast genug im Kopf, um sie dir auszudenken. Hüte dich nur, eine dieser alten Firmen aufzukaufen, die sie dir in den nächsten Jahren hundertfach anbieten werden. Das ist gewesene Zukunft, und Du hast Deine eigene. Deswegen wünsche ich dir und mir eine Berufsschule vor Ort.