Die Sonntagsfrage

Sind die Hürden für den Buchhandel heute höher als früher?

28. Dezember 2014
von Börsenblatt
Der Betriebsberater Joachim Merzbach feiert heute seinen 65. Geburtstag. Seit er 1978 im Buchhandel seine Karriere begann, hat sich der Markt enorm verändert. Umsatzrückgang, Konzentration, Online-Buchhandel und Amazon heißen heute die Stichwörter. Doch statt zu jammern, sollte sich die Branche den Herausforderungen des digitalen Zeitalters stellen, meint der Betriebsberater.
Der Markt hat sich enorm verändert: Abstürzende Umsätze, verstärkte Konzentration bei Sortiment und Verlag, veränderte Kaufgewohnheiten, folglich fehlende Kunden in den Buchhandlungen sowie ein boomender Internet-Handel beschreiben die gegenwärtige Situation. Amazon & Co. haben sich als ernste Konkurrenz zum Sortimentsbuchhandel etabliert. 

Die Zahl der Buchhandlungen, die Mitglied im Börsenverein sind, ist von 4.800 im Jahr 1999 auf 3.240 im Jahr 2013 gefallen. Auch der Nachwuchs bleibt aus. Immer weniger Firmen bilden aus.

Neben der "richtigen" Positionierung des Unternehmens am Markt mit genauer Kenntnis seiner Kunden, ein darauf ausgerichtetes Sortiment, eine individuelle, sehr persönliche Beratung, spielt das Betriebswirtschaftliche eine große Rolle im Alltag eines Sortimenters.

Und das bedeutet auch das stete Ankämpfen gegen "den Geist einer angeblich sterbenden Branche". Hat das "Buch" schon ausgedient? Nein - es muss umfassender gesehen werden! Wechselt nicht mit Bedacht die "Akademie des Deutschen Buchhandels" ihren Namen in "Akademie der Deutschen Medien", wird aus den "Schulen des Deutschen Buchhandels" nicht sinnvollerweise ein "mediacampus Frankfurt"?

Welche Herausforderungen sich heute stellen

Die immer größere Konzentration im Buchhandel und die Herausforderungen des E-Publishings sind in der Tat die großen Themen der Branche. "Der Kern des Geschäfts wird nicht infrage gestellt", sagte Gottfried Honnefelder, Alt-Vorsteher des Börsenvereins des deutschen Buchhandels, bei einer Veranstaltung der letzten Buchtage in Berlin, "aber wir erleben die Veränderung der Wertschöpfungskette."

Ich fürchte, auch der Kern unseres Geschäftes muss immer mehr auf den Prüfstand. Die Prognosen über Umsätze im Sortiment für die kommenden drei (!) Jahre sagen, dass der Umsatz mit gedruckten Büchern wegen der E-Books um 16 - 20  Prozent einbricht. Damit würden im stationären Buchhandel nur noch ca. 40 Prozent des buchhändlerischen Gesamtumsatzes verbleiben (1978 lag der Wert bei ca. 2/3 des Gesamtumsatzes).

Während der Handel eher ängstlich auf die zunehmende Nutzung elektronischer Bücher blickt, sehen die Verlage zum Teil die Entwicklung optimistischer. Für sie könnten sich die Investitionen in das elektronische Angebot rechnen.

Das Jammern über "Verlorenes" muss aufhören. Es geht um die Fragen "Wer ist mein Kunde?", "Was erwartet er von mir als Buchhändler?", "Bin ich so aufgestellt, dass ich die Kundenwünsche erfüllen kann?" "Was kann ich besser leisten als Amazon?"

Wie Buchhändler diese Herausforderungen meistern können

Eine ganze Reihe von Buchhandlungen hat sich der veränderten Situation schon angepasst; sowohl Filialbetriebe als auch kleine und mittlere Buchhandlungen. Es reicht nicht mehr, eine Buchhandlung mit kulturellem Auftrag zu sein. Die Buchläden sind auch "Event-Locations", durchaus mit Cafè, mit Lesungen und anderen Veranstaltungen, vor allem aber auch Kommunikationszentren ("Social-Point-Of-Sale"), gut vernetzt mit Twitter, WhatsApp und Facebook. Oder sie sind Spezialisten oder Nischenanbieter.

Die Buchhändler bieten den Internetanbietern Paroli: Mit pfiffig gemachten, sehr "eigenen" Homepages, mit vielen aktuellen Inhalten, Bibliographiermöglichkeiten in diversen Katalogen, persönlich zugeschnittenen Titelempfehlungen, Hinweisen zu Veranstaltungen und Lesungen, mit Fotos aller Beschäftigten, einem Firmenporträt und leicht verständlichen und bequem auszuführenden Bestellmöglichkeiten.

Natürlich gelten durchaus auch noch die Tugenden, die einen Buchhändler auszeichnen: Interesse an Büchern, Interesse am Verkaufen-Wollen, das Erkennen der Notwendigkeit kaufmännischen Denkens und Handelns, neugierig sein, ein begeisterter Leser sein, offen auf Menschen zugehen können, und alles immer kundeorientiert.

Wo der Buchhandel in zehn Jahren stehen könnte

Der lokale, stationäre Buchhandel darf seine Relevanz nicht nur in der Vermittlung von Informationen und in der Unterhaltung sehen, er muss mehr sein als nur reine Warendistribution.

Letztlich muss er das richtige Produkt mit einem richtigen Preis im richtigen Vertriebskanal und einer entsprechenden richtigen Botschaft dem Kunden bereitstellen. Und das "Richtig" wird von der Erwartung des Konsumenten bestimmt.

Sehr viel Gedrucktes kann und wird in Zukunft auch digital abgebildet werden (versehen mit Suchfunktionen, Querverlinkungen, Bildern, Animationen, Registern, Quellen, Updates). Das sind dann nicht nur belletristische Titel, Software-Handbücher und Gesetzestexte , sondern auch Ratgeber, Bildbände oder Reiseführer mit Apps – vermarktet vom Sortimenter.

Und: Buchhändler werden in Zukunft direkt mit Autoren zusammen arbeiten. Oder sogar ein eigenes Titelprogramm aufbauen.

 

Joachim Merzbach ist seit 1978 im Buchhandel tätig, hat als Dozent an den Schulen des Deutschen Buchhandels unterrichtet, war in leitenden Funktionen beim Klett Verlag und beim Gehlen Verlag (damals Verlagsgruppe Georg von Holtzbrinck) beschäftigt und ist seit 1997 als selbständiger  Betriebsberater für Buchhandlungen und Verlage tätig.