Die Sonntagsfrage

Vom Ingenieur zum Buchhändler: Wie viel Mut braucht man zum Wechsel?

23. November 2014
von Börsenblatt
Medieningenieur Andreas Dieterle hat gerade mit der Buchecke Schierstein die erste Buchhandlung im Wiesbadener Stadtteil eröffnet. Braucht man Mut, um mit 52 Jahren noch einmal etwas ganz anderes zu machen?

"Ich hatte schon sehr lange die Idee, etwas anderes zu machen, und ich habe absolut positive Erinnerungen an die Buchhandlung in meinem Heimatort Freudenstadt, die für uns Jugendliche ein richtiger Treffpunkt war. Einen solchen Ort der Kommunikation wollte ich auch bieten und hatte so länger mit einer Buchhandlung geliebäugelt. Tja, Mut − so viel Mut braucht man da gar nicht, finde ich; das hat eher mit dem Alter zu tun. Mit 52 Jahren kann ich auf gewisse Erfahrungen und Erfolge zurückblicken, kann Dinge einschätzen; das vermittelt auch etwas Gelassenheit.

Meine Überlegung war: Ich habe noch rund 15 Jahre bis zur Rente, die Lebensarbeitszeituhr läuft ab − will ich da so weiter arbeiten und mir nach der Rente ein Hobby zulegen, oder will ich jetzt etwas machen, das mir mehr Erfüllung bietet als internationale Projekte in der Telekommunikationsbranche zu stemmen? Meine Antwort fiel dann relativ eindeutig aus: Ich will gerade jetzt durchstarten! Mit 35 hätte ich viel mehr Angst gehabt, aber jetzt denke ich: Ich muss damit nicht mehr 40 Berufsjahre füllen, falls es partout nicht gehen sollte, mache ich etwas anderes. Allerdings lässt es sich ziemlich gut an.

Bei meiner Entscheidung haben mir zwei glückliche Zufälle geholfen: Zum einen kannte ich das gerade frei gewordene Ladenlokal in idealer Lauflage, weil meine Freundin in Schierstein wohnt – inzwischen bin ich auch Schiersteiner −, zum anderen gab es in meiner früheren Firma für eine ganze Reihe Mitarbeiter ein Angebot, gegen eine Abfindung zu gehen. Der Mut zur Neueröffnung ist auch abgefedert durch betriebswirtschaftliche Kalkulationen; ich bin ja nicht idealistisch hier reingesprungen, sondern habe zusammen mit Klaus Bramann genau den Standort analysiert. Seminare am Mediacampus Frankfurt und bei Libri haben mit zusätzlich Sicherheit gegeben.

Und ich bereue meine Entscheidung keine Sekunde – ich habe hier im Ort unglaublich viel positive Rückmeldung bekommen, die Leute freuen sich, dass es eine Buchhandlung im Stadtteil gibt, um mich herum gibt es eine Bäckerei, Reisebüro, Metzgereien, Apotheken, Gemüseladen, Eisdiele usw. Das passt alles gut zusammen, der Ort ist sehr lebendig und wird es hoffentlich durch die Buchhandlung noch mehr."