Die Sonntagsfrage

"Herr Preuss-Neudorf, ist es gut, wenn ein Großer scheitert?"

28. September 2014
von Börsenblatt
"Vielleicht kommt auch der eine oder andere Lieferant ins Grübeln, dem klar wird, welche Fehlleistung er mit der Vorzugsbehandlung großer Abnehmer zu Lasten der vielen kleineren Händler sich hat zu Schulden kommen lassen", meint Dr. Christian Preuss-Neudorf, Geschäftsführer von VUB Printmedia angesichts der Entwicklung des Buchmarkts in unserer Sontnagsfrage.

"Ganz spannend haben sich in den vergangenen Jahren große Mitspieler im Buchmarkt über Flächenstillegung, Schließung, Zusammenschluss und Konkurs aus dem Rennen geworfen, nachdem sie zuvor und über lange Wegstrecken ihre kleineren lokalen Wettbewerber vor sich hergetrieben haben. Endloses Flächen- und Umsatzwachstum, die Bildung endloser Filialketten schienen ihnen recht zu geben. Lieferanten hatten es in einer eher verschlafenen Branche auf einmal mit professionellen Einkäufern, Marketingspezialisten und Verkäufern zu tun, gemeint ist hier ausdrücklich schon die Zeit vor dem Online-Buchhandel.

Nun kann man sich endlos darüber ereifern, warum ein Großer groß geworden ist und ein Kleiner es nicht über sein Mittelmaß hinaus gebracht hat. Man kann sich fragen, ob die Preisbindung hier segensreich gewirkt hat, der eine oder andere wichtige Entwicklungen verschlafen haben könnte, der Verband nur an sich selbst gedacht hat, oder ob es halt sowieso immer nur die Großen sind, die gewinnen und den jämmerlichen Rest als Verlierer dastehen lassen.

Als Konsumenten, Käufer oder Bürger eines Landes haben wir allesamt mit den Konsequenzen zu leben: Ein stetiger Wandel läßt auf- und untergehen und immer gibt es eine Generation, die dem Untergegangenen noch eine Weile nachtrauert, bevor sie selbst unterzugehen hat. Die nachwachsenden Generationen kennen es gar nicht anders, als es ist und finden sich mit dem Gegebenen ab.

Bisweilen jedoch entstehen erdbebenartige Brüche und Verwerfungen. Zum Beispiel in den Innenstädten, in denen auf einmal niemand mehr kaufen will, weil es billig, öde, austauschbar, unoriginell und damit menschenleer geworden ist. Konkurse oder auch nur Übernahmen und Schließungen einzelner großer Player beschleunigen die Entwicklung und machen allen Beteiligten klar, das eben nichts so bleibt, wie es seit vielen Jahren ist.

Es sind diese Momente die Augenblicke eines kurzen Aufwachens, in denen wir uns gewahr werden, dass wir als Kunden und Käufer durch unser Verhalten den Markt gemacht haben, auf dem wir anschließend nicht mehr einkaufen wollen. Vielleicht kommt auch der eine oder andere Lieferant ins Grübeln, dem klar wird, welche Fehlleistung er mit der Vorzugsbehandlung großer Abnehmer zu Lasten der vielen kleineren Händler sich hat zu Schulden kommen lassen, jetzt wo es zu spät ist und man die eigene Existenz mit dem strauchelnden Riesen in Gefahr gebracht sieht.

Es sind die kleinen täglichen Kaufentscheidungen, aus denen unbemerkt von der handelnden Öffentlichkeit auf einmal große und für alle spürbare Entwicklungen im öffentlichen Leben werden. Erst dann beschäftigt der Wunsch nach einer lebenswerten Innenstadt Stadträte und Planer, die jedoch das Rad nicht rückwärts drehen können.

Ist es nun also gut, wenn Große scheitern? Der österreichische Ökonom Schumpeter würde hier gewiss die Zerstörung bestehender Strukturen begrüßen. Für uns als lebende Teilnehmer an diesem Spiel ist das nicht so einfach. Schließlich verändert sich unsere Lebensumwelt und zwingt uns zu persönlichem Wachstum. Wir haben die Chance unser Käuferverhalten zu überdenken, anders mit unseren Geschäftspartnern umzugehen, bestehende Regelungen zu hinterfragen, als Verlag eine Vielzahl von Händlern mit entsprechender Behandlung zu begrüßen und auch als institutionelle Auftraggeber dafür zu sorgen, dass wir mit Freude über lebendige Marktplätze spazieren, auf denen wir für das täglichen Leben einkaufen wollen. "