Die Sonntagsfrage

Welche Rolle spielt Tradition im Buchhandel, Herr Stangl?

21. September 2014
von Börsenblatt
Vor genau 150 Jahren, am 21. September 1864, hat die Buchhandlung Stangl & Taubald in Weiden ihre ersten Kunden empfangen. Wie das Unternehmen mit seinen Traditionen umgeht, und ob Kunden von heute darüber überhaupt noch reden wollen: Antworten von Inhaber Martin Stangl.

"Das wirtschaftliche Umfeld muss passen!" Diese Binsenweisheit schreibt man dem Einzelhändler des 21. Jahrhunderts ins Stammbuch. Dabei ist diese Aussage schon immer Grundlage für einen erfolgreichen Geschäftsbetrieb gewesen: Als 1863 die Eisenbahn in der oberpfälzische Stadt Weiden ankam, war schon ein Jahr später die Zeit reif, hier eine Buchhandlung zu gründen - seit 1864 öffnet die Buchhandlung Stangl & Taubald (ehem. G. Taubaldsche Buchhandlung) täglich ihre Türen.
 
Tradition spielt für uns also eine Rolle, aber sie bestimmt uns nicht. Trotz unserer 150 Jahre, und trotz der Tatsache, dass wir viele unserer Kunden schon lange kennen, sind wir vom Selbstverständnis her nach wie vor recht jung. Das wirtschaftliche Umfeld muss passen - aber man muss sich ihm, wenn es sich verändert, eben auch anpassen. Und das tun wir.
 
Gerade jetzt, zum runden Geburtstag der Buchhandlung, verspüren wir zwar, wie sehr Menschen die Tradition schätzen - zahlreiche Kunden überraschten uns mit Anekdoten, Erlebnissen und Erinnerungen aus vergangenen Zeiten. Doch gleichzeitig war auch zu bemerken, dass genau diese Menschen einen „Handel mit Wandel“ bevorzugen. Nicht das Verharren in der Tradition ist der Schlüssel für die Zukunft des Buchhandels, sondern die Kombination mit neuen Ideen, Konzepten und Technologien. Ein Online-Shop ist für eine Traditionsbuchhandlung wie uns ebenso unabdingbar, wie ein Angebot an E-Readern oder digitalen Hörbüchern zum Download.
 
In der Kombination von Altem und Neuen liegt für mich der Schlüssel für die Zukunft – so entsteht ein besonderer Charme. Zum Jubiläum unserer Buchhandlung legten wir zum Beispiel die erste gedruckte Chronik der Stadt Weiden aus dem Jahre 1819 als Reprint wieder auf. Seit der Veröffentlichung dieser Neuerscheinung bekommen wir auch Internetbestellungen aus dem Ausland. Ein faszinierender Gedanke: Ein Buch, das in einer vollkommen stromlosen Zeit geschrieben wurde, wird digital vertrieben. So wächst heute Tradition und Moderne zusammen.


Bei den Veranstaltungen und Aktionen setzen wir auf Bewährtes und Neues. So gestalten wir im Organisationsteam der „Weidener Literaturtage“ dieses seit 1984 bestehende Event maßgeblich mit. In Zusammenarbeit mit der Regionalbibliothek entsteht jährlich rund um den Welttag des Buches ein buntes, einwöchiges Lese- und Autorenevent. Brandneu dagegen ist unsere Aktion „Testleser“: Im Frühjahr und im Herbst füllen wir jeweils ein ganzes Regal mit Novitäten und bitten unsere Kunden, diese zu lesen. Diese Aktion ist für die Testleser natürlich kostenlos, im Gegenzug dürfen wir ihr Urteil auf blog.buch-stangl.de mit Foto veröffentlichen. Mittlerweile wird diese Internetseite als beliebte Informationsplattform von unseren Kunden genutzt.


Auch der Verlag der Buchhandlung Stangl & Taubald wurde vor 150 Jahren gegründet und ist – wie bereits erwähnt – sehr vital. Früher waren es Postkarten und Musikalien, die unsere Vorgänger publizierten, heute setzen wir mit sehr großem Erfolg auf regionale Publikationen. Unser Bestseller „Oberpfälzer Wörterböijchl“ erreicht im kommenden Jahr die Marke von 20.000 Exemplaren. Nur hier bleiben wir gerne und ausschließlich der Tradition verhaftet: Ein E-Book wird es davon nicht geben!