Nachruf von Gert Heidenreich auf Uwe Heldt

"Anwalt unserer Möglichkeiten und Talente"

16. Juli 2015
von Börsenblatt
Uwe Heldt (geb. 1948, Foto), der Leiter der Berliner Niederlassung der Züricher Literaturagentur Mohrbooks, ist am 5. August 2014 gestorben. Seit 1986 hatte er die Bücher des Autors Gert Heidenreich als Lektor, Agent und Freund betreut.
Uwe Heldt ist tot. Für die Autoren, die er entdeckt, begleitet und ermutigt hat, ziehen die vier Wörter eine harte Grenze in ihrem eigenen Leben. Denn seine Persönlichkeit war mit den Kennzeichen Lektor, Herausgeber und Literaturagent allenfalls umrissen, doch nicht erfasst. Uwe Heldt hat uns – ich spreche gewiss für die große Mehrzahl derer, die er im Wortsinn betreut hat – auf dem Weg gehalten, uns Weichenstellungen aufgezeigt, unsere Bewegung verzögert oder beschleunigt, unseren Blick auf das Wesentliche gelenkt. Er war – mehr noch als unser Fürsprecher bei Verlegern – uns selbst gegenüber der Anwalt unserer Möglichkeiten und Talente, wenn wir sie nicht klar genug erkannten.

Woher kam seine einzigartige Fähigkeit, seinen Autoren zugleich behutsam und entschieden zu begegnen? Der Literatur hatte er sich zunächst wissenschaftlich genähert: Mit 21 Jahren nahm er sein Studium der Germanistik, Philosophie und Rhetorik in Tübingen auf und schloss es mit Magister und Promotion ab. Zu seiner Dissertation über Wilhelm Raabe hatte ihn Walter Jens ermuntert: "Entreißen Sie Raabe den Klauen der Bourgeoisie!" Schon hier zeigt sich der Literaturanwalt Uwe Heldt: Dem als Idylliker geschmähten und völkisch vereinnahmten Erzähler Raabe gibt er mit einem ebenso analytischen wie engagierten Text seine Bedeutung zurück.

Dieser Rehabilitierung eines Schriftstellers folgt von 1980 an die Arbeit als Entdecker und Erwecker künftiger Literatur im Stuttgarter Klett-Cotta Verlag. Nach vier Jahren wechselt er zum Piper Verlag nach München, verantwortet dort das belletristische Programm, gestaltet Anthologien, setzt sich vehement für Lyrikeditionen ein und fördert das literarische Renommee von Piper – bis der Verkauf des Verlags 1995 alles ändert. Heldt wird Cheflektor der Verlage Ullstein, Propyläen und Quadriga, zieht mit seiner Frau Claudia und Sohn Jonas nach Berlin um und entschließt sich im April 2000, ganz auf die Seite der Autoren zu wechseln: Er gründet mit der Zürcher Literaturagentur Mohrbooks eine deutsche Dependance und macht sich als deren Partner sieben Jahre darauf mit seiner Agentur selbständig.

Bis wenige Wochen vor seinem Tod hat er dafür gearbeitet, Büchern, an die er geglaubt hat, den richtigen Publikationsort zu vermitteln. Natürlich trugen seine Belesenheit, sein Urteilsvermögen in sämtlichen literarischen Gattungen, sein begründetes Gespür für den Reifezustand eines Manuskripts zum Erfolg seiner Arbeit bei – doch er jagte den Bestsellerzahlen nicht nach. Manchmal erntete er sie, wie mit dem Roman Tschick von Wolfgang Herrndorf, und wenn er auf solche verdienten Glücksfälle zu sprechen kam, zeigte sich ein Schmunzeln in seiner Miene, mehr nicht. Zurückhaltung kennzeichnete sein Wesen. Im Literaturbetrieb, in dem Posaunisten den Ton angeben, bewegte er sich mit stiller Distanz und erworbener Skepsis – und wusste ihn vielleicht deshalb so sicher im Dienst seiner Autoren zu nutzen. Ihnen galt seine unaufdringliche Zuneigung, und wer das Glück hatte, mit ihm befreundet zu sein, wurde von ihm mit vorbildlicher Gelassenheit, Zuversicht und Vertrauen beschenkt. Er fehlt uns sehr.

 

Gert Heidenreich