Bahnhofsbuchhändler ziehen Bilanz

Zeitschriften verlieren, Bücher legen zu

8. April 2014
von Börsenblatt
Auch wenn das Geschäft mit Zeitschriften für sie zusehends schwieriger wird, bleiben die Bahnhofsbuchhändler auf Kurs: Nach Angaben des Verbands Deutscher Bahnhofsbuchhändler (VDBB) haben die Unternehmen 2013 erneut rund 350 Millionen Euro umgesetzt – fast ein Viertel davon mit Büchern. Verlagen zufolge entwickelt sich der Buchverkauf am Gleis derzeit besser als anderswo.

Für Verlage, die am Gleis aktiv sind, stehen die Signale auf Grün, der Bahnhofsbuchhandel entwickelt sich für sie zum Wachstumsmotor. Ob Bastei Lübbe, Egmont, S. Fischer oder Gräfe und Unzer (GU): Alle berichten, man mache beste Erfahrungen – zum Teil sogar bessere als im regulären stationären Buchhandel. "2013 bewegen wir uns hier wiederholt auf hohem Niveau und leicht über dem Markt, im ersten Quartal 2014 deutlich über dem Markt", bilanziert GU-Vertriebsleiter Buchhandel Jan Wiesemann - ähnlich wie Klaus Kluge, Marketing- und Vertriebsvorstand bei Bastei Lübbe. Seine Einschätzung: "Tatsächlich hat der Bahnhofsbuchhandel 2013 eine überproportional positive Umsatzentwicklung im unteren zweistelligen Bereich hingelegt und liegt damit vor dem klassischen Sortimentsbuchhandel, Filialisten inklusive."

Auch für die Holtzbrinck-Tochter S. Fischer zahlt sich das Engagement am Gleis aus, und das sogar recht ordentlich. "Der Umsatzanteil ist deutlich gestiegen", sagt Vertriebsleiterin Sabine Bischoff. "Wir erleben den Bahnhofsbuchhandel als sehr lebendigen, umtriebigen Partner." Die Bereitschaft, neue Autoren und Themen durchzusetzen, sei im Bahnhofsbuchhandel sehr groß. "Tatsächlich erleben wir aber auch eine Ausweitung der Buchflächen, häufig auch in Warengruppen, die bisher vernachlässigt wurden."

Zu diesen ehemals vernachlässigten Warengruppen zählt u.a. das Segment Kinderbuch. Dass hier eine Kehrtwende einsetzt, freut die beteiligten Verlage. Zum Beispiel Egmont: Die Verlagsgruppe rennt an Bahnhöfen und Flughäfen offene Türen ein - hat durch die neue Zusammenarbeit mit der Schwester Ehapa jetzt offenbar sogar einen besonderen Trumpf in der Hand. "Dadurch kommt es für den Bahnhofsbuchhändler zu einer Maximierung der Margen", so Egmont-Key Account Manager Dirk Kladnik-Jarackas. Mangas, Comics, Taschenbücher seien gut im Rennen, aber auch das Kinderbuch spiele eine nicht zu unterschätzende größere Rolle, berichtet er. "Wir erwarten uns ein Wachstum, nicht zuletzt weil wir die 'richtigen' Produkte für den Bahnhofsbuchhandel produzieren."

Bahnhofsbuchhändler Götz Grauert: "Auch wir müssen uns umstellen" 

 

Die Bahnhofsbuchhändler selbst sehen ihre Situation jedoch durchaus durchwachsen – auch sie suchen nach Antworten auf den digitalen Wandel. "Der Online-Handel sowie die fortschreitende Digitalisierung in den Bereichen Presse und Buch sind Megatrends, mit denen sich auch der Bahnhofsbuchhandel auseinandersetzen muss und wird", so VDBB-Präsident Götz Grauert gegenüber dem Fachblatt "der neue vertrieb" (dnv). Für die Branche werde es entscheidend sein, die Bedürfnisse der Kunden noch besser zu erkennen und das Angebot entsprechend anzupassen. "Nicht zuletzt deshalb, weil die zunehmende Konkurrenz durch den Onlinehandel und die digitalen Medien dazu führen könnte, dass sich weitere Buch- und Pressehändler aus den Innenstädten zurückziehen müssen."

Zahlen und Trends des Jahres 2013 im Bahnhofsbuchhandel*

  • Gesamtumsatz: ca. 350 Millionen Euro (Vorjahr: 350 Millionen Euro)
  • Umsatzverteilung: ca. 75 Prozent Presse; ca. 25 Prozent Bücher, kartografische Erzeugnisse, Non-Books; Zahlen, die belegen, wie sich die Umsatzanteile verschoben haben, legt der VDBB nicht vor.  
  • Der Bahnhofsbuchhandel ist ein Absatzmotor für Verlage. Laut VDBB erzielen Buchverlage teilweise sehr beachtliche Absätze; abhängig von der jeweiligen Programmstruktur würden sie bis zu vier Prozent betragen ("bei einzelnen Titeln auch deutlich mehr").  
  • Umsatzanteil des Bahnhofsbuchhandels am Buchmarkt (gesamt): 0,7 Prozent
  • Anteil des Bahnhofsbuchhandels am Presseverkauf in Deutschland (Einzelverkauf): rund 13 Prozent
  • Verkaufsstellen an Bahnhöfen und Flughäfen: ca. 450 (verfügbar sind im Schnitt 3.800 Zeitungs-/Zeitschriftentitel)
  • Standorte: 340
  • Beschäftigte: ca. 3.200
  • Die größten Unternehmen (Marktanteile, gemessen am Presseumsatz): Valora Retail (38,8 Prozent), Schmitt-Gruppe (18,1 Prozent), LS Travel Retail (17,9 Prozent), Unternehmensgruppe Dr. Eckert (11,5 Prozent), Eurotrade (3,6 Prozent), Grauert (1,6 Prozent), Wintergerst & Höhn (1,4 Prozent); andere (7,1 Prozent)   
  • Bahnhofsbuchhändler pflegen weiterhin ein in der Regel stark zugespitztes, aktuelles Buchsortiment. Schwerpunkte sind die Segmente Spannung, Unterhaltung, Humor. Besonders stark nachgefragt bleiben Taschenbücher.
  • Die Konzentration verlangsamt sich. Den Markt beherrschen heute eine Handvoll Unternehmen, allen voran Valora Retail. Die Tochter des Schweizer Valora-Konzerns kommt, mit Blick auf den Presseumsatz, im Bahnhofsbuchhandel auf einen Marktanteil von knapp 40 Prozent, berichtet dnv. Zuletzt kaufte Valora u.a. die drei Bahnhofsbuchhandlungen von Christoph Münch in Bensheim, Zeitz und Zwickau.
  • Auf die Digitalisierung, den Online-Boom und veränderte Lesegewohnheiten reagieren die  Bahnhofsbuchhändler, in dem sie ihr Profil schleifen, auf gemeinsame Marketingmaßnahmen setzen  - und ihr Geschäft auf neue Felder ausdehnen (Stichwort: Convenience).
  • Apropos Marketing: Anders als Presseunternehmen sind Buchverlage gern bereit, am Gleis zu werben. Zahlen nennt der VDBB zwar nicht, verweist aber darauf,  dass gerade Buchverlage ihre Werbebudgets für 2014 noch einmal erhöht haben.
  • VDBB und dnv zählten 2013 weniger Renovierungen und Neueröffnungen – insgesamt 37 (Vorjahr: 51). Neu gestartet ist u.a. LS Travel Retail mit ihrer Marke Relay am Flughafen Berlin-Schönefeld, Hollmann landete mit einer Filiale am Flughafen Düsseldorf.
  • Ob das schon genügt, um langfristig ertragreich zu arbeiten, bleibt abzuwarten. Klar scheint jedenfalls zu sein, dass sie mit DB noch einmal reden wollen – über Mietpreise und Kosten. "Der vereinbarte Mietpreis sollte die Potenziale des Bahnhofs widerspiegeln und sich in der Realität auch umsetzen lassen", argumentiert VDBB-Schatzmeister Michael Ganter in dnv. "Das unternehmerische Risiko bleibt beim Bahnhofsbuchhändler, es sollte aber fair und partnerschaftlich verteilt werden."  

* Quellen: Verband Deutscher Bahnhofsbuchhändler (VDBB), "Der Neue Vertrieb", Branchen-Monitor BUCH 

Der VDBB veröffentlichte die Daten im Vorfeld seiner traditionellen Jahrestagung. Sie findet am 7. und 8.. April in Berlin statt. Der Verband zählt 28 Mitglieder.