Entwicklungen im digitalen Vertrieb

"Interaktive Titel werden paradoxerweise günstiger angeboten"

20. Juli 2015
von Börsenblatt
Welche Trends gibt es im digitalen Vertrieb und Marketing? Im Vorfeld der Kindermedienkonferenz der Akademie des Deutschen Buchhandels, die am 25. November in München stattfindet, gibt eine der Referentinnen Antwort: Christina Kumpmann ist Leiterin Programm und digitaler Vertrieb bei Oetinger.

Digitale Produkte stellen andere Ansprüche an die Vermarktung als der Print-Bereich. Was bedeutet das für die Produktkonzeption und Vermarktungsstrategien von Kindermedien?
In den digitalen Produktwelten eröffnen sich ganz neue Wege der Interaktion mit den Endkunden, etwa durch regelmäßige Updates über Neuerungen und Erweiterungen oder durch besondere Angebote an die Leser. In unserer Kinderbuch App "Wer knuffelt mit Paulchen?" können beispielsweise E-Cards mit Knuffelgrüßen direkt an Freunde und Familie versandt werden. Damit wird zusätzlich Aufmerksamkeit auf unsere Charaktere gelenkt. In dem von Oetinger mit konzipierten digitalen Kinderbuchladen Tigerbooks ist es möglich, dass Kinder ihrem Wunschzettel Titel hinzufügen, so dass Eltern sehen können, was ihr Kind gerne lesen möchte.

Welche Trends im digitalen Marketing und Vertrieb zeichnen sich momentan in Deutschland ab?
Hier hat sich in den vergangenen Jahren viel geändert. Die Verbreitung mobiler Endgeräte unter den Eltern nimmt immer mehr zu und damit natürlich auch die Nutzung unter den Kindern. In Deutschland werden Buch und E-Book oder App aber oft noch als voneinander getrennte Produkte gehandhabt. Hier ist eine engere, stärkere Vernetzung möglich und erforderlich. Die unterschiedlichen Ausgabeformen sollten frühstmöglich mitgedacht und gemeinsam konzipiert werden, damit sie sich sinnvoll ergänzen können. Wir verfolgen Ansätze, die dies berücksichtigen. Beispielsweise entstehen von vielen unserer Bilderbücher zeitgleich zum gedruckten Buch auch interaktive Versionen für den digitalen Kinderbuchladen Tigerbooks und onilo.de, eine Plattform, die sich an Lehrer richtet und teilanimierte Bilderbücher für die Nutzung am interaktiven Whiteboard zum gemeinsamen Lesen im Unterricht zur Verfügung stellt. So können wir unsere Inhalte in verschiedenen Formaten für ganz verschiedene Lesesituationen und Gelegenheiten zur Verfügung stellen.

Wie verläuft die Entwicklung denn in den USA, die bei der Digitalisierung als Vorreiterland gilt?
Die Angst vor digitalen Endgeräten und Neuerungen ist dort nicht so groß wie bei uns. In den USA zeichnet sich ab, dass Tablets sehr viel besser verkauft werden als klassische E-Book-Reader und damit einhergehend wird auch angereicherten, interaktiven Büchern oft der Vorzug vor klassischen, unbewegten E-Books gegeben. Dies berücksichtigen wir gleich bei der Produktkonzeption und setzen danach vor allem auf Social-Media-Kanäle und persönliche Empfehlungen bei der Verbreitung. Noch nie waren Verlage so nah an ihren Lesern wie heute.

Wie reagieren Sie in Ihrem Verlag auf die zunehmenden Herausforderungen beim Vertrieb von digitalem Content: Welche Maßnahmen ergreifen Sie - und an welcher Stelle halten Sie sich zurück?
Wir haben die Erstellung digitaler Produkte von Anfang an als Chance begriffen, unsere Inhalte und Geschichten in die digitale Welt zu transformieren und somit schon vor einigen Jahren angefangen, die ersten Apps und (interaktiven) E-Books für Kinder zu erstellen. Dadurch haben wir inzwischen auch im Digitalen ein breites Portfolio. Das hilft ungemein, denn auch in der digitalen Welt wird auf bekannte Marken und Qualität zurückgegriffen. Eine schöne Möglichkeit bietet sich in der dynamischen Crossverlinkung zwischen einzelnen Produkten; dies lässt sich einer redaktionellen Empfehlung an die Endkunden gleichsetzen, die sich aber leichter austauschen und aktualisieren lässt als in den gedruckten Medien. Eine weitere Herausforderung bietet das Pricing der Produkte, das ebenfalls für Marketingzwecke und Vermarktungsstrategien genutzt werden kann. Wir setzen kurzzeitige Preisaktionen zu Marketingzwecken ein, jedoch nur in ausgewählten, bewusst eingesetzten Fällen und wir achten stets darauf, dass die Titel bei allen Plattformen zum gleichen Preis angeboten werden. 

Wie hat sich die Preisstruktur für E-Books und Buch-Apps im Kinderbereich entwickelt - und wie schätzen Sie die künftigen Entwicklungen ein?
Momentan dient die günstigste erhältliche Printausgabe als Richtwert und meist werden die E-Books 10 bis 30 Prozent günstiger angeboten als die gedruckten Ausgaben. Was dabei oft vergessen wird, ist die Tatsache, dass natürlich die Druckkosten entfallen, die Lektoratsarbeit, der Vertrieb, die Marketinginvestitionen aber dennoch auch im digitalen Bereich erhalten bleiben. Trotzdem werden die Preise wohl noch weiter fallen und die Verlage vor neue Herausforderungen stellen. Am schwierigsten ist der Spagat bei den interaktiven Titeln.

Warum?
Die werden paradoxerweise zu einem günstigeren Preis angeboten als die "klassischen" E-Book Ausgaben, da hier gerade im App Store die Nähe zu den Spielen gegeben ist, die seit jeher zu sehr geringen Preisen oder gar gratis abgegeben werden. Maßgeblich für diesen Markt wird es daher sein, hochwertige, qualitative Inhalte für Kinder kostengünstig, effizient und plattformübergreifend zu erstellen, um eine möglichst breite Zielgruppe zu erreichen. Zum Glück hat sich schon gezeigt, dass sich auch hier auf Dauer Qualität durchsetzt. Wir haben gerade das Animationstool "TigerCreate" entwickelt, mit dem sich animierte Kinderbücher sehr einfach und zu überschaubaren Kosten plattformübergreifend erstellen lassen. Wir stellen diese Software auch anderen Verlagen zur Verfügung, um die Möglichkeit zu schaffen, hochwertige Inhalte kosteneffizient zu erstellen.