Fühlen Sie sich frei in der Zusammenstellung Ihres Programms / Ihres Sortiments, oder spüren Sie Druck?
Klaus Humann, Aladin-Verleger: Ich bin frei in der Zusammenstellung des Programms. Aber ich bin kein Fantast, sondern weiß, dass Bonnier irgendwann fragen wird, wann ich mit Aladin in die schwarzen Zahlen kommen will. Ich finde es auch gut, Gewinn zu machen, weil es zeigt, dass unsere Bücher ankommen, gekauft werden.
Alexandra Borisch, Kerle Programmleiterin: Frei innerhalb der Regeln, die wir uns selbst auferlegen: Wir wollen Bücher machen, denen wir zutrauen, dass sie viele Leser finden – und nach diesen Regeln stellen wir das Programm zusammen. Der größte Druck ist der, den ich mir selber mache. Meinen Erfolg messe ich an den Zahlen. Und wenn die nicht stimmen, dann bekomme ich durchaus schlaflose Nächte.
Ulrich Störiko-Blume, Verleger Hanser Kinder- und Jugendbuch: Ja. Druck kommt von den Buchhändlern, die im Mainstream ihr Heil suchen. Von den marktmächtigen Ketten, die immer mehr auf Tinnef und Selbstbedienung statt auf Literatur und Beratung setzen.
Monika Bilstein, Peter Hammer-Verlegerin: Ja – nicht nur innerhalb des Programmbereichs, wie er heute besteht; Erweiterungen in andere Themenfelder sind ebenfalls möglich.
Klaus Kämpfe-Burghardt, Ueberreuter-Geschäftsführer: Innerhalb der Grenzen, die der Markt uns setzt.
Andrea Herzog, Hörcompany-Verlegerin: Leider nicht ganz. Jeden Cent den wir ausgeben, müssen wir mit unseren Produktionen auch wieder reinkriegen. Manche wunderbare eigenwillige Titel würden wir gern machen, sehen aber bedauerlicherweise kaum Chancen am Markt. Druck spüre ich durch das Sterben der kleineren unabhängigen Buchhandlungen, Riesen wie Amazon, die die Bedingungen diktieren.
Paula Peretti, Baumhaus- und Boje-Verlagsleiterin: Ich fühle mich frei, trotzdem ist der Marktdruck vehement zu spüren. Es ist beides, und das muss man aushalten und kreativ damit umgehen können.
Susann Struppert, Buchhandlung Serifee in Leipzig: Ich fühle mich frei.
Herwig Bitsche, NordSüd-Geschäftsführer: Ja. Druck spüre ich durch die Konzentration im Internet und der Digitalisierung von Inhalten.
Michael Schweins, arsEdition-Geschäftsführer: Ja, innerhalb der Grenzen, die das Verlagsprofil sinnvollerweise markiert. Druck spüre ich besonders von mir selbst. Positiver Stress, Chance wie auch gewiss Druck gehen natürlich auch vom sich rapide verändernden Markt aus.
Susanne Petzel, Buchhandlung Land in Sicht in Frankfurt: Es ist eine Herausforderung, das Sortiment so zu gestalten, dass Kunden inzwischen seit 35 Jahren Lust haben, herzukommen und zu entdecken, was da ist. Natürlich habe ich schon Bücher verkauft, die mir nicht gefallen. Ich habe auch schon ganz hervorragende Bücher nicht verkaufen können. Aber als Druck sehe ich das nicht.
Jan Weitendorf, Geschäftsführer der Verlagsgruppe Oetinger: Ich stelle die Programme nicht zusammen, bringe mich aber immer ein und habe meist am Ende ein gutes Gefühl. Druck spüre ich von allen Seiten – aber das ist Gewöhnungssache.
Verena Keller, Buchhandlung Böttger in Mannheim: Druck wird durch Werbekampagnen und Massen an Reihen aufgebaut;die Menge der Fortsetzungsromane kann einen als Buchhändler ganz schön stressen. Wohlinformiert durch Internet & Co stehen die jungen Kunden am Erscheinungstag von Band soundsoviel im Laden, manchmal haben wir die bestellte Ware noch nicht erhalten (obwohl bei den Verlagen vorbestellt), Amazon und die Barsortimente sind schon in der Lage zu liefern, das nervt! Die Menge der einzelnen Reihen ist schier nicht mehr zu überblicken, so können sich Einzeltitel kaum entwickeln und verkaufen. Außerdem stößt man als kleine Buchhandlung schnell an seine Grenzen. Außerdem setzen einen natürlich auch enorme Werbekampagnen unter Druck, die dann haufenweise Non-Books (mehr Gewinn) mit Drache Kokosnuss/Olchis/Pippi/Käptn Sharky auf den Markt bringen. Diese Reihen ersticken die restlichen Kinderbuchtitel. Freiheit in der Sortimentszusammenstellung funktioniert nur mit guter Beratung durch engagierte Mitarbeiter, denn so kann man die eingekauften Titel auch verkaufen, wenn sie nicht zum Mainstream gehören.
Bernhard Schmid, Karl-May-Verleger: Ja, ich fühle mich frei.
Jürgen Hees, Buchhandlung Herwig in Schwäbisch Gmünd: Ich fühle mich sehr frei in der Gestaltung meines Sortiments. Natürlich muss auch mich nach Budgetvorgaben der Geschäftsleitung richten und an Kundenwünschen und Trends orientieren, damit am Ende unterm Strich ein Plus steht. Aber ein großer Teil des Sortiments spiegelt durchaus meinen Geschmack wider und ich verzichte auch gerne einmal auf Titel, die man haben "muss", wenn ich glaube, darauf verzichten zu können. Druck spüre ich natürlich von Seiten der Budgetvorgaben: mit immer weniger Einsatz muss man heute den gleichen bzw. einen höheren Umsatz erwirtschaften. Die Kosten steigen, die Buchpreise stagnieren seit Jahren, Branchenweit sind die Umsätze im Taumeln. Gespart wird also überall, das Lager und der Wareneinsatz ist letztendlich mein einziges Mittel, um weniger Geld zu binden. Druck von "der Straße" spüre ich insofern, dass man sich ab einer gewissen Größe der Buchhandlung gewissen Büchern bzw. Trends nicht widersetzen kann oder sollte. Zehn Bände Teenage-Vampir-Geknutsche und massenhaft Conni schlucken manchmal schon einen großen Teil des Etats, bringen aber auch Lagerumschlag. Überhaupt keinen Druck in der Sortimentsgestaltung spüre ich von meinem Chef, der mich machen lässt, so, wie ich es für richtig halte. Aber dafür hat man ja Warengruppenleiter, oder?