Neuausgaben von Preußler-Klassikern

Das "Negerlein" verschwindet

6. Juli 2015
Redaktion Börsenblatt
Mit sprachlichen Modernisierungen will Thienemann seine Klassiker den aktuellen Lesern leichter zugänglich machen. In Otfried Preußlers Neuausgaben etwa wichsen Kinder weder Schuhe noch verkleiden sie sich als Neger oder Türken – was allerdings auch Aufregung unter Erwachsenen hervorgerufen hat.

"Es geht uns generell darum, ob  die Kinder die Texte in unseren Büchern noch durchgängig verstehen", begründet Thienemann-Verleger Klaus Willberg die sprachlichen Eingriffe. "Den Begriff 'Schuhe wichsen' kennen die Kinder heute nicht mehr, sie sagen Schuhe putzen – und der Satz von Otfried Preußlers kleiner Hexe 'Ich wichse euch mit dem Besen durch, wenn ihr nicht aufhört' ist für sie dann auch unverständlich." Auch umstrittene Wörter wie Neger oder Negerlein würden getilgt. "In Preußlers 'Kleiner Hexe' etwa verkleiden sich Kinder als Neger, Chinesenmädchen und Türke", berichtet Willberg. "Der Begriff Neger fällt künftig weg, die Kinder werden sich als etwas anderes verkleiden als Türken oder Chinesen." Derzeit arbeite eine Lektorin des Verlags in Abstimmung mit der Familie Preußler an der Modernisierung von zwei Kapiteln der "Kleinen Hexe". Sie erscheint im Juli erstmals farbig koloriert. Lange Zeit hatte sich die Familie Preußler gegen jegliche Veränderungen im Text gewandt, erst gegen Ende des vergangenen Jahres stimmte Susanne Preußler-Bitsch als Verwalterin der Werke ihres Vaters Otfried Preußler (89) zu. "An der Authentizität der Geschichte ändert sich aber nichts", so Willberg. "Auch Jim Knopf bleibt weiterhin dunkelhäutig und hat seine Pfeife im Mund, was auch schon wieder mancher bedenklich findet."

Ob des Vorhabens der Textmodernisierung nämlich erhebt sich bei Erwachsenen Protest: Nach einem kleinen Bericht in der "taz" nehmen die Entrüstungen der Online-Gemeinde kein Ende; zahllose Kommentare fordern die Beibehaltung des Originaltexts von Otfried Preußlers "Kleiner Hexe" und finden, politische Correctness und Genderisierung führe zum Ende von Literatur. "Wir haben heute in dieser Causa bereits einen 'shitstorm' erlebt, aber leider", so der Verleger, "enthielten 99 Prozent dieser Mails nur Beschimpfungen und haben sich inhaltlich nicht mit der Sache auseinandergesetzt."