Interview

Freudige Nervosität

26. Februar 2015
von Börsenblatt
Silke Grundmann-Schleicher wurde in die Jury des Deutschen Buchpreises 2012 gewählt. Ein Gespräch über die Jury-Qualitäten ausgebildeter Buchhändler, schlaflose Nächte und die Wucht guter Sätze.

Wie wichtig ist es aus Ihrer Sicht für den Sortimentsbuchhandel, dass eine Kollegin in der Jury sitzt?
Ich habe mich sehr darüber gefreut, dass diese Tradition wieder aufgenommen wird. Ich bin ja nicht die erste Buchhändlerin in dieser Jury. Die Buchhändler und Buchhändlerinnen haben einen wesentlichen Anteil an der Verbreitung guter Literatur - da ist es eine schöne Geste, wenn auch sie eine Stimme haben in dieser Jury. Ich kann dem Buchhandel nur wünschen, dass sich auch in den nächsten Jahren immer jemand finden wird, der dem Ruf der Akademie folgt.

Was bringt eine Buchhändlerin in die Jury-Arbeit ein?
Zunächst einmal das, was alle in die Jury-Arbeit einbringen: Literaturkenntnis, jahrelange Erfahrung mit literarischen Texten und eine ernsthafte Beschäftigung mit Sprache. Darüber hinaus hat die Buchhändlerin täglich mit der Vermittlung von Literatur zu tun, sie ist ständig im Dialog mit den Lesern, für die ja schließlich all diese Bücher gedruckt werden. Ich weiß, dass Leser eine Macht sind.

Ihre persönlichen Stärken?
Ich habe eine beachtliche Auffassungsgabe, kann mich sehr gut konzentrieren, bin offen, genau, kritisch und weiß um die (Über-) Lebensnotwendigkeit guter Literatur und um die Wucht, Kraft und Schönheit wahrhaftiger Sätze.

Worauf freuen Sie sich am meisten?
Auf den notwendigen Rückzug mit guten Büchern und den Austausch mit den Mitjuroren danach. Und natürlich auf die feierliche Bekanntgabe im Oktober.

Sind Sie angesichts der Juryarbeit auch ein bisschen nervös?
Ja, schon. Aber, es ist eine freudige Nervosität. Ich habe zwei bis drei Nächte nicht geschlafen und mir sehr genau überlegt, ob ich das machen soll oder nicht. Man will es ja auch gut machen. Das ist alles mit einem enormen Zeitaufwand verbunden und letztlich auch mit sehr viel Verantwortung. Am Ende müssen sich alle für einen Titel entscheiden! Das stelle ich mir extrem schwierig vor. Ich lasse das alles jetzt mal auf mich zukommen. Letzten Endes mache ich genau das, was ich die letzten 25 Jahre auch getan habe: lesen - und über das Gelesene nachdenken.

Fragen: Kai Mühleck


Silke Grundmann-Schleicher, geboren 1958 in Meerane, studierte Germanistik, Theaterwissenschaften und Judaistik in Münster und Berlin. Danach absolvierte sie eine Ausbildung zur Buchhändlerin. Seit 1983 arbeitet sie in der Buchhandlung Schleichers, deren Mitinhaberin sie ist. Darüber hinaus gründete sie gemeinsam mit ihrem Mann, dem Buchhändler Jürgen Schleicher, 1988 die Buchhandlung Kohlhaas & Company im Literaturhaus Berlin.