Inwiefern hat sich der Literaturmarkt für auf arabische Literatur spezialisierte Verlage verändert?
In den 70ern haben viele Publikumsverlage noch die Nase gerümpft, wenn es um arabische Literatur ging. Bei manchen Verlagen ist das noch heute ein wenig so. In diese Zeit fallen darum auch nicht nur die Gründung der Edition Orient, sondern auch die des Lenos Verlag, des Unionsverlages und vieler weiterer. Heute muss man sich schon seine Nische suchen. In meinem Fall ist das schwerpunktmäßig Kinder- und Märchenliteratur und zweisprachige Textausgaben.
Verändert sich die Leserschaft mit dem Markt?
Früher waren Sammelausgaben gefragt: 100 persische Märchen in einem Band. Heute ist das anders: Der Trend geht zu hochwertigen Einzelausgaben. Bei den iranischen Illustrationen gerate ich regelmäßig ins Schwärmen. Es gibt dort eine einzigartige Tradition. Früher wurden die Bücher oft von Deutschen gefragt, die einen Einstieg in die Originalliteratur suchten, angehende Orientalisten zum Beispiel oder Ehepartner von Migranten. Heute sind wichtige Käufergruppen pädagogische Institutionen und vor allem die Migranten selbst: Es geht um das Thema Spracherwerb. Die Kinder von Einwanderern lernen, wie man heute weiß, besser Deutsch, wenn sie ihre Muttersprache ebenfalls pflegen. Dazu gehört das Lesen natürlich dazu. Hier versuchen wir eine Brücke zu schlagen.
Wie schwierig gestaltet sich die Arbeit mit den arabischen Kollegen?
Das Problem haben ja vor allem die arabischen Kollegen, von Lizenzen wir übernehmen. Verblüffend ist aber, dass im Iran etwa, wo die Zensur besonders stark ist, viele engagierte Verleger tätig sind. Bei manchen arabischen Kollegen, die ich auf der Frankfurter Buchmesse treffe, hatte ich mitunter das Gefühl, sie würden lediglich die Messe besuchen, weil sie die Fördergelder dafür bekamen. An Kooperationen oder Austausch waren sie eigentlich nicht interessiert. Das ist aber kein Pauschalurteil: Ich habe vor kurzem ganz lebendige, engagierte junge Kollegen aus dem Libanon kennengelernt.
Besuchen Sie Länder Nordafrikas und der Arabischen Halbinsel?
Als Reisender ja, aber selten die Messen. Da in unserem Programm keine deutschen Originalausgaben erscheinen, würde das finanziell wenig Sinn machen. Als Verleger möchte man ja auch tauschen. Unterm Strich ist meistens zu teuer.
Profitieren Sie eigentlich von Förderungen?
Als förderungswürdig gelten bei uns in Deutschland fast ausschließlich Übersetzungen. Jeder der Kinderbücher herausgibt, weiß aber, dass der größte Faktor in der Produktion liegt. Hier gibt es gar keine Fördermittel. Welchen Sinn das haben soll, konnte mir bisher noch niemand erklären.
Welche Hoffnungen verbinden Sie mit dem Arabischen Frühling?
Zunächst einmal muss man sagen, dass diese Entwicklungen noch ganz am Anfang stehen. Das Medieninteresse im Westen finde ich zunächst einmal positiv, auch wenn man natürlich sagen muss, dass der Orient immer eine sehr bewegte Gegend war. Es bietet sich nun ein Neustart für die Geschichte. Als Verleger erwarte ich mir eine ganze Menge: Auch wenn sicher keine Demokratie im deutschen Sinne zu erwarten ist, könnte es eine größere geistige Öffnung und einen pragmatischen Umgang mit der Zensur geben. Nun besteht auch Hoffnung auf eine tiefgehende Beschäftigung mit dem Eigenen und dafür, dass die Tendenz zur Trägheit und Erstarrung überwunden werden.
Gibt es auch eine neu Erwachtes Interesse im Westen?
Leider mauert der Westen sich ziemlich ein.
In der Edition Orient erscheinen Kinderbücher und Märchenbücher aus der orienatlischen Welt. Die persisch-deutschen, türkisch-deutschen und arabisch deutschen Ausgaben werden ergänzt durch die Reihe "Frauen aus dem Orient erzählen“ und eine zweisprachige Lyrik-Reihe. Stephan Trudewind, der den Verlag 1998 von der vor ziemlich genau einem Jahr verstorbenen Dietlind Schnack übernommen hat, war von 1997 bis 2007 Herausgeber des "Arabischen Almanachs".
Fragen: Kai Mühleck