Kooperationen

"Die Digitalisierung stellt uns alle vor ähnliche Probleme"

12. Oktober 2011
von Börsenblatt
Motovun: So nennt sich ein weltweites Netzwerk von 80 Verlagen, die illustrierte Bücher machen. Präsidentin Elisabeth Sandmann über die Metamorphose eines ungewöhnlichen Bündnisses, das sich traditionell am Dienstag vor der Buchmesse in Frankfurt trifft.

Wenn Sie auf Ihre elf Jahre in der Motovun Gruppe zurückblicken – was ist Ihr größter Benefit aus dem Verbund?
Sandmann: Die Möglichkeit, in einem sehr besonderen Rahmen sehr besondere Menschen kennenzulernen. Motovun ist in jeder Hinsicht gewinnbringend, persönlich und beruflich. Man bekommt Informationen, die einen in den eigenen Anschauungen weiterbringen, man macht Geschäfte und lernt die Kollegen auch privat intensiver kennen, als es auf einer Messe jemals möglich wäre.

Erfahrungsaustausch oder gegenseitige Lizenzgeschäfte – was steht im Fokus?
Sandmann: Beides. Motovun ist nicht zuletzt aus der Idee hervorgegangen, Partner für Ko-Editionen aus verschiedenen Ländern zusammenzubringen. Unser großes Jahrestreffen im Sommer ist im Grunde eine kleine Lizenzbörse, auf der es sehr entspannt zugeht. Jeder präsentiert sein Programm auf einem kleinen Tisch, wo man die Bücher unverbindlich durchblättern kann. Alles Weitere hat jeder Verleger selbst in der Hand. Aber natürlich ist der Erfahrungsaustausch genauso wichtig: Wir laden Referenten ein, diskutieren über Digitalisierung, Bildrechte, große Veränderungen wie etwa in den USA und informieren uns gegenseitig über die Buchmärkte der einzelnen Länder.

Welche Bücher haben Sie selbst schon über Motovun ins Ausland verkauft?
Sandmann: Einige. Zum Beispiel unseren Bestseller »Frauen, die lesen, sind gefährlich«, den wir über unsere Partner in der Motovun Gruppe nach Frankreich, Belgien und Holland lizenzieren konnten. Es gibt bei uns sicher Mitglieder, die ohne Motovun deutlich weniger Lizenzen ins Ausland verkaufen könnten.

Warum hat sich so ein enges, internationales Netzwerk ausgerechnet beim illustrierten Buch etabliert?
Sandmann: Das liegt sicher auch an den Besonderheiten des Segments. Illustrierte Bücher sind teuer. Bildrechte, Druck, Lithografie, Gestaltung – das alles kostet sehr viel Geld. Über Koproduktionen und Lizenzverkäufe lässt sich ein Teil dieser Last auffangen. Das ist ein Interesse, das wir alle gemeinsam haben und das uns stärker umtreibt als etwa belletristische Verlage.

Verleger aus 24 Ländern sind bei Motovun aktiv. Sind die Märkte wirklich vergleichbar?
Sandmann:
Das sicher nicht, aber nehmen Sie zum Beispiel ein Land wie Indien: Was dort passiert, ist rein geschäftlich vor allem für unsere englischsprachigen Verlage interessant – aber auch für uns alle, weil wir etwas über den Buchmarkt in einem so wichtigen Land erfahren. Und die Digitalisierung stellt uns alle ohnehin vor ähnliche Probleme.

Wie weit sind die illustrierten Verlage denn mit ihren digitalen Angeboten?
Sandmann: Da gibt es eine enorme Bandbreite. Manche sind weit vorn, darunter vor allem die Amerikaner, aber auch der Verlag meines Mannes, Zabert Sandmann, mit seinem Online-Videokochportal 321kochen.tv. Die Frage, ob sich die digitalen Aktivitäten für unsere Mitgliedsverlage auch finanziell lohnen, steht allerdings auf einem anderen Blatt. Das bekomme ich bislang eher selten zu hören.

Motovun gibt es seit 1977. Hat der Verbund seitdem eine ähnliche Metamorphose durchlaufen wie die Buchbranche?
Sandmann: Ja, am Anfang stand ganz klar die Idee, unabhängige Verleger zusammenzubringen. Doch die sind inzwischen eine Ausnahme. Das hat die Gruppe verändert. Die wenigsten von uns entscheiden heute ganz alleine über das Budget und die Zeit, die sie in Motovun investieren; viele sind angestellte Verleger. Deshalb haben wir unsere Jahrestreffen verkürzt, effizienter gemacht. Der Geist, der Gemeinschaftssinn von Motovun, soll allerdings erhalten bleiben. Und wir haben das Gefühl, dass dieser Geist gefragter ist denn je. Für unser Dinner am Dienstag vor der Buchmesse gab es 120 Plätze. 150 hätten wir leicht vergeben können.

Motovun – das klingt eher nach einem Motorrad- als nach einem Verlegerclub. Warum halten Sie an dem Namen fest?
Sandmann: Weil Motovun der Gründungsort der Gruppe ist und einen ganz besonderen Zauber hat. Es ist ein mittelalterliches Dorf in Istrien, wo 1977 noch unter Tito internationale Verlage zum ersten Mal zusammengekommen sind. Viele Verleger haben sich dort im Lauf der Jahre eigene Häuser gekauft. Es ist ein intellektueller Ort. Ohne dieses Dorf hätte Motovun nicht den Geist, den die Gruppe heute hat. Und den wollen wir uns, bei aller Modernisierung, unbedingt erhalten.

Wer kann bei Motovun Mitglied werden?
Sandmann: Dafür braucht ein Verlag einen Befürworter aus unseren Reihen. Wir laden aber auch regelmäßig Gäste zu unseren Treffen ein, haben ein Scholarship-Programm für Nachwuchsverleger, die dann bei unseren Sommertreffen zu Gast sind. Außerdem kooperieren wir mit dem Fellowship-Programm der Frankfurter Buchmesse. Bei unseren Mitgliedern müssen wir natürlich auch auf ein ausgewogenes Verhältnis der Länder achten. Wir sind im Moment 14 deutsche Verlage – und das ist eine Zahl am oberen Rand.

Welche Märkte sind für illustrierte Bücher im Moment besonders interessant?
Sandmann: Illustrierte Bücher in andere Länder zu verkaufen ist derzeit eher schwer. Zu den attraktivsten Märkten gehört für das Ausland sicherlich der deutsche Markt. Wir haben zwar selbst viele Verlage, aber nicht alle machen Eigenproduktionen, sodass hier immer noch viel eingekauft wird. Das ist in den englischsprachigen Ländern ganz anders.

Die Motovun Group

  • Benannt ist die Gruppe nach ihrem Gründungsort von 1977, einem mittelalterlichen Bergdorf in Istrien.
  • Zum Verbund gehören 80 Verlage aus ­24 Ländern, darunter 14 deutsche Häuser – etwa Oetinger, Edel, Callwey, DuMont.
  • Neben der Jahrestagung im Sommer trifft sich die Motovun Group am Rande der Buchmessen in Frankfurt und London.