Rheingauer Verlegerkonvent

Brücken bauen, zwischen print und digital

27. September 2011
von Börsenblatt
Fachverlage verknüpfen print und digital schon seit Jahren – und sind damit auch schon recht weit gekommen. Aber stimmt die Richtung, die sie dabei eingeschlagen haben? Wer sich diese Frage stellt, bekam gestern beim Rheingauer Verlegerkonvent kreative Nachhilfe. Das Motto der Veranstaltung: „Medien quergedacht!“

Um sie auf das Thema einzustimmen, präsentierte Karl-Heinz Behrens – er ist der Initiator des Rheingauer Verlegerkonvents – den rund 30 anwesenden Managern zunächst einen denkwürdigen Satz: „Digitalisierung ist Evolution auf Speed.“ Gesagt hatte ihn Bertelsmann-Chef Hartmut Ostrowski bei seiner Keynote auf der diesjährigen dmexco in Köln (einer Messe für digitales Marketing).

„Digitalisierung ist Evolution auf Speed“ – die Botschaft musste erst einmal sacken. Nicht, dass die Teilnehmer des Verlegerkonvents dies anders gesehen hätten. Nur: Die großen Fragen, die sich ihnen stellen, sind damit ja längst noch nicht beantwortet: Wonach suchen Kunden eigentlich? Wie müssen Angebote aussehen und wie lassen sich Netzwerke als Kommunikationskanal am besten nutzen? Und last not least: Wie gelingt es, dauerhaft mit dem Wandel Schritt zu halten?   

Neue Zeiten, neue Marken  

Netzwerke, Communitys und soziale Medien, werden immer wichtiger. Da ist sich Behrens sicher. Überhaupt werde das gesamte Informationsgeschäft zusehends kleinteiliger und individueller, betont er. Worauf es in Zukunft ankommt, beschreibt der Berater und Inhaber des Büros für Medien- & Vertriebsmarketing in Johannisberg in mehreren Thesen (alle unter http://www.fachmedienberater.de). Drei davon:

  1. Communitys lassen sich nicht aufbauen – sondern nur aktivieren und vernetzen.
  2. Vertikal schlägt horizontal – die Zukunft gehört spezialisierten Netzwerken.
  3. Themen-Setter, etwa Journalisten, werden künftig zur Marke – Objekte und Verlage verlieren an Bedeutung.


Risiken vs. Chancen  

Dass sich damit ein weites Feld öffnet, und Fachverlage noch eine Reihe von Hausaufgaben vor sich haben, zeigten die Vorträge der acht Referenten. Sie zeigten aber auch noch etwas anderes: Wenn es gelingt, die Wertschöpfung auf neue Füße zu stellen, die Nutzer zu verstehen und für sie Formate zu entwickeln, die nicht nur innovativ erscheinen, sondern es auch wirklich sind – wenn Fachverlage also all das schaffen, dann sieht ihre Zukunft gar nicht so trübe aus. Dann sind die Chancen der Digitalisierung für sie tatsächlich größer als die Risiken.

Das Ende der Rock 'n' Roll-Mentalität

Kunden überraschen und binden sich nur noch ungern. Denkt man. Mirko Richter, Marketingleiter bei Global Concepts, sieht das anders: Mit dem richtigen Beziehungsmanagement, meint er, ließe sich viel erreichen.   

Global Concepts bietet Unterstützung beim Customer Relationship-Management (CRM). Das Unternehmen mit Sitz in Neumarkt war in dieser Sache zuletzt unter anderen für den Nürnberger Eishockeyclub Ice Tigers im Einsatz. „Dahinter steckt ein wirklich großes Geschäft“, erklärte Richter der Runde. Ohne die richtige Vermarktungsstrategie blieben schnell die Hallen leer – und die Pucks im Geräteraum. Um das zu verhindern, müsse man "Kunden kennen und verstehen lernen, so genau wie nur irgendwie möglich.“

Die Teilnehmer des Verlegerkonvents stutzten. Denn Richters CRM-Forderungen klangen zwar einleuchtend – aber auch kompliziert, langwierig und teuer. „Es kann schon einige Jahren dauern, bis die Sache rund läuft“, bekannte er daraufhin. Allerdings gebe es keine Alternativen. Sein Rat an Verlage: Sie sollten ihre Zukunft nicht aus einer Rock 'n' Roll-Mentalität heraus betrachten – also nicht einfach drauflos stürmen und darauf hoffen, dass sie, und sei es im letzten Moment, schon noch die Kurve kriegen.    

„Bei CRM geht es darum, Wissen über seine Kunden zu erlangen und für sich transparent zu machen.“ Auch kleine Unternehmen könnten sich das leisten. „Wenn sie zum Beispiel Angebote nutzen, die sich auf der Basis von Software as a Service nutzen lassen.“ Software as a Service (SaaS) bedeutet: Das CRM-System wird nicht auf auf internen Computer verwaltet, sondern in der Cloud - von einem externen IT-Dienstleister.

Mobile Mehrwerte und mehr

Doch zurück zur Ausgangsbasis - dem Motto der Veranstaltung: „Medien quergedacht!“. Behrens betrachtet die Sache eher von der Warte eines Ingenieurs aus; Querdenken heißt für ihn in erster Linie Querverbindungen zu schaffen, zwischen print und digital. Mit dem Rheingauer Verlegerkonvent 2011 wollte er Ansätze liefern. Wen er außer Mirko Richter deshalb noch aufs Podium holte:

  • Hans Jürgen Below, Geschäftsführer der Verlagsanstalt Handwerk und Erfinder der Kampagne „Germany Power People“ des „Deutsches Handwerkerblatts“. Bausteine sind ein offenherziger Kalender, eine web-wirksame Abstimmungsphase und die Wahl zur Miss und zum Mister Handwerk. „Wir haben mehr als eine Million Leute damit erreicht“, so Below. Nebeneffekt: „Kleine Handwerker nutzen die Kampagne für ihr eigenes Marketing.“
  • Johannes Henseler, selbstständiger Designer (NordSüdDesign). Henseler ist sehr technikaffin, präsentierte beim Verlegerkonvent sein iPad-Magazin „Done“ – und meinte, so eine große Kunst und so kompliziert, wie man meine, sei die Produktion gar nicht. Er verwende recht traditionelle Mittel (Adobe InDesign) plus HTML 5. Klassische Konzepte ließen sich durchaus auf die digitale Zeit übertragen, so Henseler. „Allerdings werden digitale Magazine erst dann richtig interessant, wenn Leser mehr damit machen können – also mehr als lesen.“ Wichtigster Trend aus seiner Sicht: Interaktivitität plus Social Reading.
  • Thomas Knüwer, Inhaber der Agentur Kpunktnull, Leiter der Entwicklungsredaktion beim Medienhaus Condé Nast und als solcher auch Chefredakteur der deutschsprachigen „Wired“ unternahm mit den Teilnehmern des Konvents einen Ritt durch die Mediengeschichte. Aus seiner Sicht nutzen bisher nur wenige Medien die Möglichkeiten, die digital entstehen – während die Markenhersteller derzeit durch clevere und kostenlose Informationsangebote ihren Radius kräftig erweitern. „Es ist eine großartige Zeit für Leute, die gute Inhalte haben“, sagte er.
  • Johannes Lachermeier, Leiter Onlinekommunikation bei der Bayerischen Staatsoper in Müchen, berichtete über seinen digitalen Dialog mit dem kunstsinnigen Publikum, über Erfolge bei der Zuschauerbindung – vor allem bei den jüngeren (Instrumente: Facebook, Twitter, Youtube, Blog). 
  • Thomas Lennartz, Leiter Forschung und Entwicklung beim Steuerspezialisten NWB – und in dieser Funktion auch für die digitalen Produkte des Verlags zuständig. Lennartz berichtete über die schwierige Startphase („2003 gab es praktisch keine Nachfrage“), brachte aber auch Erfolgsmeldungen mit: Die Zahl der App-Nutzer steige schnell (NWB mobile, für iPhone und iPad). 
  • Alexander Wild, Vorstandsvorsitzender von Feierabend.de, interessiert sich eher für ältere Zielgruppen – die sogenannten Best Ager. In den vergangenen 13 Jahren hat er eines der bekanntesten sozialen Netzwerke für sie geschaffen (feierabend.de). Das Netzwerk entfalte überall seine Energien, digital, real und lokal, so Wild. Denn die Best Ager begegneten sich nicht nur im Internet, sondern auch live und in Farbe.   


Den Rheingauer Verlegerkonvent gibt es seit 2003. Er findet jährlich zu Herbstbeginn im Kloster Eberbach in Eltville statt – in diesem Jahr zum ersten Mal in Kooperation mit der Akademie des Deutschen Buchhandels. Initiiert und mitorganisiert wurde die Veranstaltung von Karl-Heinz Behrens, Inhaber des Büros für Medien- & Vertriebsmarketing).