Meinung: Übersetzer

Macht sie sichtbar!

29. September 2011
von Börsenblatt
Wider die Ignoranz. Ein Zwischenruf des Publizisten Volker Heigenmooser zum Internationalen Übersetzertag.

Wenn man die deutschsprachige Literaturkritik betrachtet, glaubt man es in vielen Fällen mit Ignoranten zu tun zu haben. In der Musik beispielsweise werden Dirigenten so gewürdigt, als hätten sie die Musik komponiert. Schauspieler oder Sprecherinnen werden seit dem Erfolg der Hörbücher aufs Schönste gelobt für ihre wunderbaren Interpretationen. Nach einer kompetenten Würdigung einer Übersetzung in den deutschsprachigen Feuilletons sucht man aber meist vergeblich. Dabei sind es oft Übersetzer, denen der Erfolg eines Buches zu danken ist. Doch sie bleiben seltsam unsichtbar.

Werden in der Publikumspresse Übersetzungen überhaupt thematisiert, dann allenfalls bei Neu­übersetzungen von Klassikern. Dann kann es sogar auch einmal zu qualifizierten Auseinandersetzungen kommen wie weiland  zwischen den Befürwortern und Gegnern der jeweiligen Neuübersetzungen von Herman Melvilles »Moby Dick« von hie Friedhelm Rathjen und da Matthias Jendis. Seitdem kann zumindest der informierte Leser entscheiden, welche Übersetzung des »Moby Dick« er kaufen möchte. Bei diesem fruchtbaren und sinnvollen Streit wurden die Übersetzer sichtbar. Doch bei aktuellen Übersetzungen gibt es oft höchs­tens gelegentlich Sottisen wie den berühmten einen Satz: »Die Übersetzung ist gelungen / misslungen.«

Nach bald 30 Jahren Literaturkritik mit dem Schwerpunkt skandinavischer Literatur geht es mir mittlerweile so, dass ich um Übertragungen bestimmter Übersetzer einen großen Bogen schlage, weil ich die Erfahrung gemacht habe, dass deren Arbeiten oft schlampig bis ungenießbar sind. Auf andere wiederum bin ich gespannt.

Und damit wäre ich beim Versagen vieler Verlage, für die Übersetzungen nur ein lästiger Kostenfaktor zu sein scheinen. Das Gegenteil ist richtig: Gute Übersetzungen sind ein Argument für das Buch. Und diese Leistung muss ordentlich bezahlt werden. Aber nein: Selbst das Urteil des Bundesgerichtshofs vom Oktober 2009 über eine angemessene Vergütung dieser wichtigen künstlerischen Arbeit wird von etlichen Verlagen umgangen.

Dazu passt, wie in Verlagen mit tatsächlich oder vermeintlich billiger Literatur umgegangen wird. Da wird gekürzt und sprachlich eingegriffen, dass es keine Freude ist. Der preisgekrönte Englischübersetzer Ulrich Blumenbach hat das in entwaffnender Offenheit vor Studenten ausgeplaudert: »Wenn ich einen sogenannten Schnelldreher übersetze, ein Ex-und-hopp-Buch, das nach drei Monaten vergessen ist, dann werde ich manchmal schon vom Lektorat aufgefordert, die Übersetzung für die Zielgruppe der deutschen Leser zu optimieren.« Diese Praxis könnte der kundige Kritiker aufdecken, wenn er denn wollte und dazu fähig wäre.

Wichtig wäre außerdem, schon frühzeitig zu erfahren, wer ein Buch übersetzt hat. Viele Verlage sehen das aber offenbar anders. Auch im Pressenewsletter des Rowohlt Verlags sucht man die Namen der Übersetzer vergebens. Und das bei einem Haus, dessen ehemaligem Verleger Heinrich Maria Ledig-Rowohlt zu Ehren eine Stiftung gegründet wurde, um »die oft unterschätzte Arbeit der Übersetzer literarischer Werke mit einem jährlichen Förderpreis zu unterstützen«. Ich wünschte mir eher, dass Übersetzer so sichtbar gemacht würden, dass ihre Arbeit zu einem Kaufargument werden kann