Bildungsverlage

Der Nahostkonflikt im Schulbuch: Verlage verteidigen ihre Haltung

29. September 2011
von Börsenblatt
Ein Artikel des Journalisten Gideon Böss in der "Welt" über die angeblich einseitige Darstellung des Nahostkonflikts in Schulbüchern hat bei Verlagen Verwunderung ausgelöst. Cornelsen, Klett und Westermann verwiesen darauf, den Sachverhalt gemäß den Lehrplänen ausgewogen und multiperspektivisch zu präsentieren.

Dabei berücksichtige man die Rechtspositionen der israelischen und der palästinensischen Seite, wie Peter Schell, Geschäftsführer der Westermann-Schulbuchverlage, auf Anfrage sagte.

Böss unterstellt in seinem Artikel vom 22. September, dass kein Staat in Deutschland so kritisch gesehen werde wie Israel. Obwohl Israel die einzige Demokratie im Nahen Osten sei und Herausragendes in Wissenschaft und Technologie leiste, „hält eine Mehrheit hierzulande den jüdischen Staat für die größte Bedrohung für den Weltfrieden.“ Böss nennt hierfür keinen Beleg, bezieht sich aber offenbar auf eine EU-Umfrage aus dem Jahre 2003, derzufolge 65 Prozent der Deutschen diese Aussage teilen.

Woher das schlechte Image Israels komme? Böss hat eine Hypothese: "Die Grundlagen dafür werden vermutlich schon in der Schule gelegt." Und der "Welt"-Autor legt im folgenden dar, dass in Schulbüchern und Unterrichtsmaterialien der Verlage Cornelsen, Klett und Westermann Dinge verfälscht, einseitig oder auf der Grundlage eines überholten Forschungsstands dargestellt würden – mit der Folge, dass "die israelische Seite zum Täter" und "die palästinensische Seite zum Opfer" gemacht werde. Friedensbemühungen Israels würden unterschlagen, und die Ursache der zweiten Intifada (seit 2000) einseitig Israel in die Schuhe geschoben: Ariel Scharons Besuch auf dem Tempelberg sei nicht der Auslöser des Palästinenseraufstands gewesen – im Gegenteil: Die Intifada sei "monatelang vorbereitet" worden, und der Besuch sei nur ein Vorwand gewesen, "um mit dem Terror gegen die israelische Bevölkerung zu beginnen."

Inwieweit Böss' Vorwürfe zutreffen, lässt sich an dieser Stelle nicht klären. Der Journalist wirft den Schulbuchredaktionen vor, das Geschehen aus "palästinensischer Perspektive" zu schildern. In einer Stellungnahme des Cornelsen Verlags wird aber darauf hingewiesen, dass nicht alle Texte, auf die sich Böss bezieht, sachliche Darstellungen des Nahostkonflikts seien, sondern auch Materialseiten entstammten, auf denen gegensätzliche Meinungen wiedergegeben würden. Ziel des Unterrichts sei es ja, den Schülern einen kritischen Umgang mit historischen Quellen zu vermitteln. Im Übrigen, so die Stellungnahme der Cornelsen Redaktion weiter, würden alle Schulbücher (auch das angegriffene "Forum Geschichte 12 Bayern") sowohl vom Lektorat als auch vom Ministerium, das die Genehmigung erteilen muss, gründlich geprüft. Dabei spiele neben der Frage, ob das Werk den Ansprüchen der Geschichtswissenschaft und der Didaktik genüge, auch eine Rolle, ob das Lehrwerk die Anforderungen des Lehrplans erfülle.

Peter Schell (Westermann) betonte, man lege Wert auf eine ausgewogene Darstellung der Geschichtslehrwerke. Es gehe darum, multiperspektivisch zu arbeiten und die Auffassungen aller Konfliktparteien zu berücksichtigen. Die Redaktion habe dem "Welt"-Autor im Vorfeld auch eine Stellungnahme geschickt. Der Klett-Verlag wollte sich zu dem Artikel von Böss nicht äußern.