Zukunftskonferenz

Das Treffen von Seckbach

14. September 2011
von Börsenblatt
Die Zukunftskonferenz auf dem Mediacampus Frankfurt hat sich der digitalen Herausforderung gestellt. Arbeitsgruppen formulierten Thesen und Handlungsoptionen, die gangbare Wege bis 2025 zeigen sollen. Damit sei eine "Pipeline für die Visionsversorgung in die Branche gelegt", meint Börsenblatt-Chefredakteur Torsten Casimir.

Helmut Schmidt war gestern, heute sollte zum Arzt gehen, wer keine Visionen hat. Bei der Vehemenz der Veränderungen, die die digitale Zeit mit sich bringt, wäre es fahrlässig, ohne Visionen unterwegs zu sein. Es würde ein Ziel fehlen, und auf ein gutes Ende der vertrauten Wege ist schon mittelfristig kaum noch Verlass.

Die Zukunftskonferenz in Seckbach hat gleichsam eine Pipeline für die Visionsversorgung in die Branche gelegt. Aber was fließt da durch? Jedenfalls keine gesicherten Fertigzukünfte, die man abonnieren und sich zustellen lassen könnte. Es scheint eine Pipeline zu sein, die das Zukünftige selbst erst noch formt und durch verschiedene Phasen der Entwicklung schickt.

Anders als näherungsweise ist Zukunft prinzipiell nicht zu haben. Natürlich fließen in alle Thesen zum künftigen Buchhandel neben Wissen und fundierter Meinung auch Intuition und Vermutung ein. Denn nicht alle Faktoren, die in den nächsten 15 Jahren auf die Buchbranche einwirken, sind heute schon sichtbar. Kontrollfrage: Wer hätte Mitte der 90er Jahre gedacht, dass wir 2011 so viel Lebenszeit mit Social Media verbringen? Wir haben mit Unbekanntem zu rechnen. Zu wenig in der digitalen Ära fällt noch unter "ceteris paribus". An die Stelle von Stabilität treten unvorhersehbare Veränderungsbeschleuniger. Der Kindle war so ein "Giant Impact" des elektronischen Lesens, das iPad nicht minder, die noch nicht geborene Idee eines gewieften Internet-Unternehmers könnte den nächsten evolutiven Sprung auslösen. "Wild Cards" werden solche Dinge genannt, die heute keiner ahnt, die aber morgen vielleicht jedem den Atem rauben.

Zu den besonderen Stärken des Treffens von Seckbach gehört, dass die dort entwickelten Szenarien expertenbasiert sind. Mal nicht die Feuilletons, auch nicht die Vollblutelektroniker in ihrem technophilen Taumel, sondern die Branche selbst hat sich ihre Zukunft erzählt. Menschen mit verschiedenen professionellen Hintergründen haben einander ihre Sichtweisen dargelegt. Angehörige dreier Generationen, Azubis neben Altverlegern, haben kollektiv nachgedacht. Ganz nebenbei mag diese Konferenz das Fremdeln der Milieus überwinden helfen: Face to Face ist eben etwas ganz anderes als Face to Facebook.

Für den Börsenverein sind die Ergebnisse Gold wert. Sie geben den Verantwortlichen in Frankfurt, aber auch dem steuernden Ehrenamt nützliche Hinweise für eine bedürfnisorientierte Verbandsarbeit. Zwei Punkte etwa standen auf den Wunschzetteln fast aller Arbeitsgruppen: Mehr Marktforschung. Und ein Buchmarketing bitte, das die besondere Faszination des Mediums transportiert.

Nach der Konferenz ist vor der Konferenz. In den einschlägigen Foren und Blogs des Internets hat die Weiterarbeit an der Zukunft bereits begonnen. Auch das gehört zum Charme des Formats: Die Teilnehmer kümmern sich mit um die Multiplikation der Befunde und um die Fortsetzung des Nachdenkens. Folgeveranstaltungen, die der Branche helfen, sich selbst mit noch konkreteren Handlungshinweisen zu versorgen, werden nicht allzu lange auf sich warten lassen.

Lesen Sie weiter über die Zukunftskonferenz im kommenden Börsenblatt, Heft 37 (ab Seite 16).

Die vollständige Dokumentation der Gruppenergebnisse ist auf zukunftskonferenz.org zu finden. Konferenzvideos stehen auf youtube.com (Stichwort "Zukunftskonferenz Börsenverein").